Unterwegs im Porsche 911 von 1964

Wie fährt sich eigentlich so ein Porsche 911 aus dem Jahr 1964? Wenn einem keine Elektronik zur Hilfe eilt und der Purismus aus jedem Winkel entgegengrinst?

radical mag
Zuletzt aktualisiert am 18.10.2021

Fast schon etwas schüchtern schaut er drein, der blaue Elfer mit Jahrgang 1964. Ein winziges Auto im Vergleich zu heutigen Sportwagen. Nichts von furchteinflößender LED-Lametta, keine Spur von dem, was man in Germanien als «Überholprestige» bezeichnet. Zumindest aus heutiger Sicht nicht. Damals, 1964, war der Elfer einer der ganz schnellen Wagen (Spitze offiziell 210 km/h). Auch wenn er «nur» über zwei Liter Hubraum verfügte und aus dem sechs Zylindern gerade einmal 130 PS schöpfte. Und überhaupt, damals brauchte man kein Überholprestige, die Autobahnen waren sowieso meistens: leer.

Innen ist schon mal alles ganz anders als heute

Doch verlassen wir die «Außenansicht» und setzen uns hinters Lenkrad des 64ers. Wie damals üblich sitzt man hinter einem spindeldürren Teil, davor befindet sich eine Uhrensammlung (Porsche-typisch mit fünf Rundinstrumenten) mit allen wichtigen Angaben. Dazu ein paar Kontroll-Leuchten und Wippschalter. Und: die Ergonomie ist nicht mal so schlecht. Klar, heute hat jeder Fiat Panda ergonomisch bessere Sitze. Aber die Stühle im Elfer sind nicht unbequem. Der Schalthebel ist für große Zeitgenossen vielleicht ein bisschen weit vorne angebracht. Schalten muss man allerdings weit weniger als gedacht (doch dazu kommen wir später). Damals brauchte es nicht mehr und wer in sich geht, muss zugeben, eigentlich würde es auch heute nicht mehr brauchen. Denn durch die eher spartanische Ausrüstung, die wirklich kompakten Abmessungen und den Verzicht auf jeglichen Pomp (heute hat ein Gelände-Fahrrad die breiteren Pneus) ist der Wagen sehr, sehr leicht. Das merkt man im Stand zwar nicht – aber das kann man ja ändern…

Unterwegs im Porsche 911 von 1964
© Bild: radical-mag

Ein Motor, der glücklich macht

Also, den filigranen Schlüssel drehen, ganz wenig Gas geben und schon erwacht der Sechsender zum Leben. Zwei, drei Gasstöße (ja, es waren mehr, aber der Klang ist einfach toll), und der Porsche schnurrt im Standgas vor sich hin. Nein, es ist kein brüllendes Monster, der kleine Sechszylinder ist ganz einfach: speziell. Denn der Sound ist sehr prägnant und dennoch nicht aufdringlich. Wenn der Sechsender so vor sich hin blubbert (ohne zu «sägen», die Jungs vom Museum haben viel Zeit investiert), vermittelt er dem Fahrer einfach ein gutes Gefühl. Die Schwaben haben da einen Motor konstruiert, der einfach glücklich macht. Es ist schwierig in Worte zu fassen: Man vertraut dem Treibwerk, hat allein vom Klang und den Vibrationen her das Gefühl – der läuft ewig. Also schieben wir den ersten Gang rein. Die Schaltwege sind lang, ein Gondoliere aus Venedig würde sich sofort heimisch fühlen. Aber die ganze Sache ist durchaus präzis geführt und erstaunlich einfach zu bedienen. Klar, stehende Pedale sind nicht jedermanns Sache, aber irgendwie gewöhnt man sich schnell daran.

Die bösen Jungs halten abstand

Losrollen, ja, endlich dürfen wir losrollen. Der kleine Boxer nimmt schon bei sehr geringen Drehzahlen sauber Gas an. Wir schalten früh, der luftgekühlte Sechser soll Zeit haben, sich gemächlich zu erwärmen. Also tuckern wir durch Zuffenhausen, ohne jegliche Hektik. Und stellen erstaunt fest: das Auto ist sehr, sehr bequem gefedert. Klar, die Reifen sind für heutige Verhältnisse Ballonpneus, aber trotzdem. Der Elfer fährt sich wunderbar geschmeidig. Der Blick in den kleinen Außenspiegel zeigt zudem, dass die ganzen «bösen» Jungs, die sich auf der Straße tummeln, einen schönen Respektsabstand einhalten. Wollen die dem Klang des Sechszylinders lauschen? Können sie haben!

Unterwegs im Porsche 911 von 1964
© Bild: radical-mag

Treffen mit dem Mann mit Hut

Das Öl ist warm, der Fahrer auch, also los geht’s. Die 130 PS haben keinerlei Mühe, den 911 anzuschieben. Ab 3000 Umdrehungen wandelt sich das Klangbild. Aus dem sonoren Schnaufen wird ein fast schon bissiges Bellen, die Nadel des Drehzahlmessers steigt schnell. Bei 4000/min bitte den nächsten Gang, haben sie uns mitgegeben, die Jungs vom Museum. Doch irgendwie habe ich seit Jahren ein selektives Gehör. Knapp vor 5000 Touren kommt der dritte Gang rein, der Anschluss passt perfekt und das Drehmoment von 174 Nm hilft, den Elfer immer schneller werden zu lassen. Und ja, man kann auch schnell ums Eck. Aber, man muss sich halt bewusst sein, was man tut. Heftige Lastwechsel mitten in der Kurve? Schade um das schöne Auto! Und Bremsen tut er auch, der 911 aus dem Jahr 1964. Besser gesagt, er wird einfach langsamer. Je nach Gemütszustand der jeweiligen Scheiben zieht er mal etwas nach links, dann nach rechts. Völlig egal, das Lenkrad mit riesigem Durchmesser liegt ja gut in der Hand. Und ja, Mietwagen und Ausflügler mit Hut stehen dem Elfer auch heute noch im Weg. Zack, zweiter Gang, die Drosselklappe weit aufreißen und schon ist der gemächlich fahrende Mann mit Hut ein verwunderter Mann mit Hut.

Das wirkliche Highlight kommt nach der Arbeit

Wer sich an die kleinen Marotten gewöhnt, fährt mit dem Elfer richtig schnell übers Land. Aber vor allem: richtig bequem! Klar, die Karosserie neigt sich schon ziemlich, wenn man näher am Limit eine Biegung umrunden will. Aber man kann stundenlang im Elfer sitzen ohne jegliche Ermüdungserscheinungen. Aber: wir steigen jetzt aus. Denn zum Abschluss wollen wir uns das Highlight überhaupt gönnen. Den Duft nach Öl und Benzin und vor allem das Klacken, wenn der luftgekühlte Boxer nach getaner «Arbeit» langsam abkühlt. Dieser Mix aus Geräuschen und Gerüchen ist für einen echten Petrolhead schlicht: unbezahlbar!

Vielen Dank für diesen Beitrag an die Kollegen von radical-mag.com