Außerirdisch gut: Red Bull absolviert Boxenstopp in der Schwerelosigkeit
„Sie mussten uns festhalten, damit wir nicht davonschwebten“: Dieser Boxenstopp ist nicht von dieser Welt.
Aston Martin Red Bull Racing hat 2019 bereits drei neue Boxenstopp-Weltrekorde aufgestellt, für den jüngsten davon wechselte Max Verstappens Crew alle vier Reifen an dessen RB15 in gerade einmal 1,82 Sekunden. Was gibt es da auf der Erde schon noch zu holen (außer vielleicht wieder einmal den Formel-1-Weltmeistertitel)? Kein Wunder also, dass das Team bereits dafür trainiert, seinen Wirkungsbereich drastisch auszudehnen – und den ersten Boxenstopp in der Schwerelosigkeit absolviert bzw. simuliert hat. Die wahrhaft außerirdische Performance sehr ihr hier:
Boxenstopp im Raumfahrer-Trainingsflugzeug
Für den Boxenstopp in der Schwerelosigkeit braucht es freilich mehr als eine wilde Idee und eine Crew, die keine Angst davor hat, beim Wiedereintritt ins Gravitationsfeld von einem herumschwebenden Autoteil erschlagen zu werden. Konkret benötigte Aston Martin Red Bull Racing für den spektakulären Versuch das Raumfahrer-Trainingsflugzeug Ilyushin II-76 MDK und die Hilfe der russischen Weltraumorganisation Roscosmos, um den RB1 aus dem Jahr 2001 schweben zu lassen.
Parabelflüge mit Formel-1-Boliden
Vom Juri-Gagarin-Kosmonautentrainingszentrum aus wurden eine Woche lang Parabelflüge durchgeführt, bei denen das Flugzeug in einem Winkel von 45° aufsteigt, bevor es in einem Winkel von -45° wieder abfällt. Durch dieses Flugmanöver, eine so genannte Parabel, wird während eines Zeitfensters von 22 Sekunden die Schwerelosigkeit im Flugzeug erreicht. Meist werden mehrere Parabeln hintereinander geflogen, so auch im Fall des Zero-G-Boxenstopps.
„Sie mussten uns festhalten, damit wir nicht davonschwebten“
„Die erste Parabel, die wir gemacht haben, war wirklich seltsam“, erzählt Mechaniker Paul Knight. „Niemand kann dich darauf vorbereiten, also meinte unser Ausbilder von Roscosmos, dass wir das Ganze einfach aussitzen und uns an das Gefühl gewöhnen sollten. Man weiß nicht wirklich, ob es runter oder rauf geht, wenn 2G auf dich wirken und du regelrecht auf den Boden gedrückt wirst, während du dich nicht bewegen kannst. Wenn du dann die Spitze erreichst und es in den freien Fall geht, dann dreht sich das Ganze radikal um. Sie mussten uns festhalten, damit wir nicht davonschwebten.“ Wie „Bambi auf Eis“ habe sich die Crew anfangs gefühlt, so Knight: „Aber irgendwann haben wir es geschafft, herauszufinden, wie wir die Kontrolle behielten und am besten mit der Situation zurechtkommen. Es ist eine wirklich einzigartige Erfahrung; so etwas kannst du dir gar nicht vorstellen.“
80 Parabeln für einen Boxenstopp
Insgesamt wurden sieben Flüge mit 80 Parabeln durchgeführt, um den Kurzfilm drehen zu können. Schon im Vorfeld übte die Crew fleißig an einem eigens angefertigten Styropormodell. „Wir planten alles sehr sorgfältig, aber das Gefühl der Schwerelosigkeit lässt sich nicht planen. Wir hatten zwischen den Parabolas etwa zwei bis fünf Minuten Zeit, um Lösungen für irgendwelche auftretenden Probleme zu finden“, so Regisseur Andreas Bruns.
„Eine Offenbarung“
Und Probleme gibt es in der Schwerkraft viele – vor allem solche, die man sich auf der Erde kaum ausmalen kann. „Erst wenn du keine Schwerkraft mehr spürst, merkst du, wie sehr wir uns auf sie verlassen“, sagt Joe Robinson, Chef-Mechaniker des Supportteams. „Etwas sehr geradliniges wie das Anbringen eines Reifens gestaltet sich um einiges komplizierter, wenn das Auto zu schweben beginnt und du deinen Körper nur über die Spannung deiner Gelenke kontrollieren kannst, während du daran am Boden festgemacht bist. Es fordert dich dazu auf, zu denken und andere Herangehensweisen zu entwickeln – und das war wirklich eine Offenbarung.“