Auto-Design – Maria auf der Suche
Was unsere Hände in Autos greifen und unsere Augen sehen, hat eine lange Herkunftsgeschichte, an deren Anfang oft eine Erkundungstour durch Geschäfte und Galerien einer Stadt steht. Zum Beispiel: in Frankfurt.
Wenn Maria Greger frische Ideen für ihre Arbeit braucht, geht sie shoppen. Sie fliegt nach Paris, nach Mailand, nach Barcelona oder fährt, wie jetzt, in die Stadt, auf deren Skyline sie an den meisten ihrer Arbeitstage schauen kann: Frankfurt am Main.
Es sieht jedenfalls aus, als würde Maria Greger shoppen gehen. Sie betritt zum Beispiel diesen neuen Einrichtungs-Laden in der Börsestraße, lässt den Blick über die Regale schweifen, die vollgepfropft sind mit anheimelnden Farb- und Form-Arrangements, und deutet auf einen Raumteiler, dessen Flächen aus quer aufgeschnittenen Kartonwabenplatten bestehen: „So etwas suche ich“, sagt sie. Natürlich nicht für ihr Zuhause, Maria Greger richtet Autos ein.
So etwas, das heißt in diesem Fall, eine technische Struktur in neuem Kontext, ein Material auf Abwegen, Ästhetik mit Überraschungseffekt. Auch interessant: diese kleine Vase, von der man nicht sagen kann, ob sie aus Kunststoff oder Metall ist. Sie lädt ein, angegriffen zu werden, macht neugierig in ihrem hintergründigen Erscheinungsbild. „Ein Material mit Tiefe“, sagt Maria. Eine andere Vase mit halb glänzender, halb matter Oberfläche wird in Augenschein genommen. Maria: „Das könnte vielleicht als feiner Effekt für die Kennzeichnung von Bedienelementen genutzt werden.“
An nichts erfährt der Mensch intensiver, wie sehr er sein Auto mag, als an einer hingebungsvoll entworfenen Lenkradoberfläche, egal ob er sich dessen bewusst ist oder nicht.
Maria Greger leitet seit sieben Jahren die Colour-and-Material-Abteilung von Mazda Europe, ist also verantwortlich für Lackfarben, Innenraummaterialien und Ausstattungsdetails des derzeit designmäßig führenden japanischen Herstellers. Die Farb- und Material-Fachleute sind die heimlichen Perlentaucher der Autoindustrie. An nichts erfährt der Mensch intensiver, wie sehr er sein Auto mag, als an einer hingebungsvoll entworfenen Lenkradoberfläche beispielsweise, egal ob er sich dessen bewusst ist oder nicht. Die Hände liegen am Steuer, stundenlang, sie greifen Schalter, streifen über Sitzbezüge, die Augen ruhen auf Dekorflächen, Bedienelementen, auf Nähten, auf Mustern in den Stoffflächen – während man wieder einmal im Stau steht, eine gefühlte Ewigkeit.
Die Ansprüche an die Materialien im Innenraum sind hochkomplex. Sie müssen enorm haltbar sein, sollen über Jahre und Modellgenerationen bei harter Beanspruchung ihre Frische behalten. Sollen nach viel aussehen und kostenmäßig trotzdem die Kirche im Dorf lassen. Müssen modern sein, dürfen sich dabei aber nicht wichtig machen.
Materialien, die das können, müssen oft erst erfunden werden. Und Maria erfindet. Gemeinsam mit ihren drei Mitarbeiterinnen („bis vor kurzem hatten wir auch einen Mann im Team, einen Designer aus Japan, der aber mittlerweile wieder zurück musste“). Und in enger Zusammenarbeit mit Zulieferbetrieben.
Nächste Station: Gutleutstraße. Wir stehen jetzt in einem Hinterhof-Atelier und lassen uns vom Designer Kai Linke erklären, wie er auf die Idee kam, Holz sandzustrahlen, dadurch die -Maserung in einer dramatischen Dreidimensionalität herauszuarbeiten und den Bearbeitungsprozess durch Schablonen oder Abgüsse weiterzuentwickeln. Maria und ihr Team finden das inspirierend.
Die Ansprüche an die Materialien im Innenraum sind hochkomplex. Sie müssen enorm haltbar sein, sollen über Jahre und Modellgenerationen bei harter Beanspruchung ihre Frische behalten.
Man tauscht sich auch über neue Material-Funde aus. Das bunte Besteck etwa, das auf Kais Arbeitstisch liegt, ist aus dem Abfallprodukt Bambussägemehl gemacht, das in China in rauen Mengen anfällt und mit Harz vermischt zu einem sehr robusten Material wird. „Eines Tages könnte das vielleicht auch im Auto Anwendung finden“, sagt Maria Greger.
Dann die nächste Station: die alten Lagerhäuser am Osthafen. Dort hat die Firma Morgen Interiors Quartier bezogen hat, die für ihre edlen Baumstück-Möbel bekannt ist. Es kommt ein neues Thema zur Sprache: die Wirkung der Zusammenstellung. „Für sich genommen ist dieses Stück vielleicht belanglos“, sagt Maria Greger und deutet wieder auf eine Vase, diesmal ein graubraunes Steingut-Teil mit gelber Teil-Glasur, das ein wenig nach Flohmarkt-Fund mit Schrebergarten-Vergangenheit aussieht. Auf der glänzend lackierten Antikkommode und neben den anderen Vasen stehend, macht es jedoch ein Arrangement lebendig, das sich sonst in überästhetisierter Langeweile verlieren würde.
Was all das aufs Auto übersetzt heißt? Im Mazda-Designstudio holt Maria Greger zwischen den sorgfältig gruppierten Feldforschungs-Mustersammlungen eine Kunststoffblende heraus, wie sie im kleinen Mazda2 verbaut wird. „Das ist eines unserer Forschungsergebnisse: eine gekörnte Oberfläche, die hübsch aussieht und verhindert, dass der Kunststoff verkratzt“, sagt sie. Das Muster ist einladend. Man streicht mit den Fingern darüber. Man schaut genauer und das Muster kommt einem vertraut vor. Wabenartig? Wie die Kartonquerschnitte? Maria Greger lächelt.
Frankfurt zum Nachwandern:
Skandinavisches Einrichtungshaus in der Frankfurter Innenstadt.
bolia.com
Das Designstudio von Kai Linke in der Gutleutstraße.
kailinke.com
Morgen Interiors in den Lagerhallen am Osthafen.
friends.morgen.org
Guerilla-Garden in der Finanzmetropole, auch Natur kann für Designer inspirierend sein.
frankfurter-garten.de