Supertest 2015: Tesla Model S P85D

Wie verhält sich der derzeit stärkste Tesla, das Model S P85D, auf der Rennstrecke? Wie schneidet es gegen 911 GT3 RS oder Bentley Continental GT Speed ab?

radical mag
Veröffentlicht am 06.02.2016

Peter Ruch war unser Gast beim Supertest 2015, wir wollen euch seine sehr lesenswerten Berichte nicht vorenthalten.

Das Thema Tesla ist ein Minenfeld. Als neutraler Betrachter muss man schon manchmal staunen, wie viel Eigenartiges über Marke und Produkt verbreitet wird – sowohl Pro wie auch Contra. Wobei es dann schon ganz besonders die Verehrer, Besitzer und Fans sind, die sich gern wie Sektenmitglieder gebärden, keinerlei Kritik zulassen, Tesla-Gründer Elon Musk als Heilsbringer vergöttern, das Model S als ultimative Antwort auf sämtliche Mobilitäts- und Umweltprobleme sehen. Selbstverständlich gebühren Musk und Tesla viel Hochachtung, aus dem Nichts wurde eine starke Marke geschaffen, mit dem nicht mehr gebauten Roadster sowie dem aktuellen Model S auch zwei richtig gute Produkte. Doch wie so oft im Leben liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte.

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© Bild: Peter Ruch

Tesla Model P85D, weniger PS, aber immer noch mehr als genug

Bleiben wir auf dem Boden der Tatsachen. Das Model S ist in seiner stärksten Ausführung als P85D (unterdessen gibt es gar den P90D) der Sportwagen unter den Elektro-Autos. Zwar mussten die Amerikaner kürzlich die Leistungsangaben massiv nach unten korrigieren, nicht mehr wilde 772 PS sind es, wie in den aktuellen Prospekten noch angegeben, sondern nur mehr 539 PS. Der Grund dafür auch der P85D kann seine beiden Elektromotoren nicht gleichzeitig unter Volllast betreiben, das schafft die Batterie nicht.

Was Tesla allen Herstellern voraus hat

Doch die offiziellen Fahrleistungen bleiben absolut beeindruckend mit dem jüngsten Software-Update, der auch einen «Launch Mode» beinhaltet, kann der Tesla in 3 Sekunden von 0 auf 100 km/h rennen. Man kann sich da nun die Frage stellen, ob ein E-Fahrzeug, zumal ein weit über 2 Tonnen schweres, solche Spielereien wirklich braucht, denn die Welt lässt sich so nicht retten (mit einem Ferrari oder Lamborghini allerdings auch nicht). Auch dürfte die vom Werk angegebene Reichweite von fast 500 Kilometern schon beim einmaligen Verwenden dieses «Launch Mode» massiv zusammenschrumpfen. Gleichzeitig soll hier aber erwähnt sein, dass der P85D echte 400 Kilometer tatsächlich schafft – wenn man das Fahrpedal wie ein rohes Ei behandelt, den Windschatten von Lastwagen nutzt und immer schön sanft unterhalb der Geschwindigkeitsbegrenzungen rollt. Und dies mit einer Technik, die eigentlich wenig berauschend ist, die seriell hintereinander geschalteten Akkus sind per se keine großartige Erfindung – aber sie funktionieren halt bestens. Und beschämen die klassischen Auto-Hersteller, bei denen Tausende von Ingenieuren bisher nichts konstruiert haben, was auch nur annähernd so problemfrei läuft. Denn 300 Kilometer sind im Tesla in der Realität kein Problem, da kann man auch hin und wieder diesen fantastischen Drehmoment-Boost (967 Nm als Maximum – ab Drehzahl 0) genießen – und allein diese Tatsache lässt alle anderen Automobilhersteller sehr, sehr blass aussehen, denn einen ähnlich guten Wert erreicht in der Praxis keiner der Konkurrenten. Eine Tankfüllung kostet rund 10 Euro.

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© Bild: Peter Ruch

Wo der Tesla Lob verdient

Es ist noch so manches ernsthaft zu loben am Tesla Model S. Platz für bis zu sieben Personen und einen trotzdem noch nutzbaren Kofferraum bieten sonst nur Mini- oder Multivans. Einen derart großen und so einfach bedienbaren Bildschirm wie der Tesla hat sonst gar niemand, die Ruhe im Automobil ist wunderbar beruhigend, die Fahrleistungen wirklich beeindruckend, auch der Komfort ist überdurchschnittlich. Dazu kommt eine unterdessen gute Infrastruktur mit den kostenlos nutzbaren Schnellladestationen, an denen sich der Wagen innerhalb 30 Minuten wieder zu 85 Prozent «volltanken» lässt – auch in diesem Bereich hat Tesla den großen Herstellern gezeigt, dass vieles möglich ist, wenn man nur die richtigen Visionen hat. Und auch gewillt ist, diese mit dem entsprechenden Kleingeld umzusetzen. Nicht wirklich überzeugend sind die Sitze im amerikanischen XXL-Format, das ist dann eher Schwimmfest.

Mit dem P85D auf der Rennstrecke

Wir haben den P85D auf die Rennstrecke gebracht – und waren auch dort erstaunt über seine Fähigkeiten. Erfreulich gute Bremsen (und das dann auch noch mit Rekuperation) – und dann dieser unglaubliche Drehmoment-Hammer beim Herausbeschleunigen aus den Kurven. Da kommt tatsächlich Freude auf, auch wenn es natürlich keine Rekorde sind, die der Amerikaner da brechen kann, dafür ist er einfach zu schwer (der anachronistische Ford Mustang GT war gleichenorts bei einer Fahrzeit von 2 Minuten rund 8 Sekunden schneller). Und nach einer dieser halt auch nicht besonders schnellen Runde wollte er dann auch nicht mehr mittun, schaltete automatisch auf das Notlaufprogramm, um die komplexen Systeme zu schützen. Aber trotzdem, er kann schon, und er kann ganz gut. Und beim reinen Beschleunigen, da ist der P85D des Wahnsinns, das muss man erlebt haben – und auch, wie etwa ein Porsche 911 GT3 RS oder ein Bentley Continental GT Speed im Rückspiegel immer kleiner werden. Gut, auf der Passstraße macht auch der stärkste Tesla nicht halb so viel Freud‘ wie der Porsche (andererseits aber auch nicht weniger als der in Sachen Fahrwerk auch eher schwammige Bentley), dafür kostet er mit einem Basispreis von 118.000 Euro auch bedeutend weniger.

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© Bild: Peter Ruch

Es ist also alles glorreich beim Tesla P85D?

Nein, natürlich nicht. Auch Elon Musk hat nicht das Perpetuum mobile auf die Straße gebracht, sein Geschäftsmodell, bei dem der Goodwill der Investoren die tiefroten Zahlen des Unternehmens in rosa Zukunftsaussichten verwandelt, ist für die klassischen Automobilhersteller sicher nicht tragbar. Es ist das Model X im Anrollen, ein fettes SUV, das den Gedanken des E-Autos noch mehr ad absurdum führt als das schon sehr adipöse Model S, aber dafür auf der Ertragsseite positive Auswirkungen haben dürfte. Und es kommt – wann auch immer – das Model 3, das etwas mehr Masse bringen wird, aber mit einem Basispreis von rund 30.000 Dollar wohl kaum Gewinn. Und auch wenn der weitere Ausbau der Infrastruktur mit den Schnellladestationen die Kunden erfreut – Geld bringt das auch nicht. Aber, und das ist wichtig Elon Musk hat mit Tesla einer innovationsunlustigen Industrie, die ihr zukünftiges Heil im Sammeln von «big data» sucht, aufgezeigt, dass es auch anders gehen könnte. Nein, sogar muss. Man darf auch nach mehr als 125 Jahren im immer gleichen Fahrwasser durchaus einmal um die Ecke denken. Nein man muss.

Stichwort: Null-Emissions-Fahrzeug

Doch dann sind wir schließlich noch bei einem leidigen Thema der Gesamtenergiebilanz. Immer wieder wird der Tesla als Null-Emissions-Fahrzeug gepriesen, was eine absolut dümmliche Aussage ist. Denn die «well-to-wheel»-Berechnung sieht beim Tesla aber massiv düsterer aus als bei jedem softwaremanipulierten Golf-Diesel, die Batterien sind und bleiben auch in Zukunft ein umweltpolitisch und energietechnisch sehr trauriges Kapitel sowohl in Herstellung als auch beim Recycling. Auch der Betrieb ist eine Problemzone, denn die Stromerzeugung ist, man weiß es, nie komplett emissionsfrei, auch wenn man, zum Beispiel in der Schweiz, mit einem netten Anteil an erneuerbaren Ressourcen rechnen will. Doch auch dann wird so ein Model S P85D den Vergleich mit einem Ferrari F12 Berlinetta oder einem Lamborghini Aventador definitiv sowie hässlich verlieren. Und da schwadronieren wir jetzt noch nicht einmal über die Arbeitsbedingungen und Umweltbelastungen beim Abbau etwa von Lithium. Es sei ganz einfach die Kirche im Dorf belassen: Tesla ist ein spannendes, ein wichtiges, auch ein sinnvolles Projekt – die Allseligkeit gibt es vorerst weiterhin nur im Vatikan.

Besten Dank an die Kollegen von radical-mag.com