Andreas Lampl
Grüne Welle

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Die FORMEL E macht es dem benzingetriebenen Original immer schwerer. Seit Monaten drängen internationale Konzerne wie elektrisiert in den Sport mit dem grünen Image. Auch aus Österreich.

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Zuletzt aktualisiert am 23.11.2020

Und plötzlich steht der Buchstabe E in Formel E auch für „Emotion“. Sonntags war Toto Wolff, erst höchst erfolgreicher Finanzinvestor aus Wien und nun im „zweiten Bildungsweg“ Mercedes-Motorsportchef (und dabei statistisch erfolgreichster Formel-1-Teamchef aller Zeiten), noch mit Mercedes Meister des Deutschen Tourenwagen Masters DTM in Hockenheim geworden. Am Montag dann zelebrierte er seinen siebenten Hochzeitstag mit seiner Frau Susie, der bislang letzten Formel-1-Pilotin, in Valencia. Am Abend trennte sich das Paar kurz: Denn wenige Stunden vor dem offiziellen Saisonteststart der Formel E, der „Elektro-Formel 1″, gingen die beiden noch zu ihren Teams: Susie ist neue Chefin beim Venturi-Rennstall, Toto bei Mercedes, das in dieser Saison noch über die Partnerfirma HWA AG in die Elektro-Serie einsteigt, ab nächstem Jahr unter eigener Marke. Also hielt Wolff noch eine seiner Motivationsreden für die Mitarbeiter:“Um Ihnen zu zeigen, wie wichtig Ihr Auftrag ist, wie sehr sich der Konzern zum Engagement in der Formel E bekennt -und dass jeder Einzelne von Ihnen Teil von etwas in Zukunft sehr Großem werden kann.“

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© Bild: Daimler AG
SUSIE WOLFF, Frau des Österreichers Toto Wolff, ist Chefin des E-Rennstalls Venturi.

Nicht einmal die, die in der Formel 1 so richtig Erfolg haben, kommen mehr an der Formel E vorbei, jener Serie, die 2013 von FIA-Präsident Jean Todt und dem spanischen Politiker und Unternehmer Alejandro Agag gegründet wurde. Die Meisterschaft, die mit rein elektrischen Rennwagen ausschließlich auf Stadtkursen ausgetragen wird, war in den ersten Jahren durchaus auch durch die eine oder andere Peinlichkeit gekennzeichnet, organisatorisch und technisch. Zudem machen die Autos keinen Lärm, was klassische Benzinbrüder eher verschreckt als erfreut. Und bislang mussten die Einheitsautos auch noch zur Halbzeit des Rennens gewechselt werden, weil die Akkus eine ganze Distanz von bis zu einer Stunde Fahrzeit nie und nimmer schafften.

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© Bild: Andreas Lampl
VOESTALPINE-BOSS Wolfgang Eder setzt auf die Formel E. Nun ist auch Heineken-CEO Jean- Francois van Boxmeer dabei.

Doch mit Beginn der Season fünf, die zwischen Dezember 2018 und Juli 2019 in zwölf Städten auf vier Kontinenten über die Bühne geht, ist vieles anders und besser. „Die Formel E ist erwachsen geworden“, erzählen die Veranstalter. Kronzeuge ist dabei das spektakuläre Auto der „Generation 2“. Eine Art „Batmobil“, das in 2,8 Sekunden von null auf 100 km/h beschleunigt und endlich mit Ladespeichern versehen ist, die es ermöglichen, dass man ein ganzes Rennen in einem Auto absolvieren kann.

WIRTSCHAFTSWUNDER.

Längst geladen aber sind die (limitierten) Budgets der Teams. Denn binnen kurzer Zeit ist die Formel E, die derzeit noch nicht einmal einen offiziellen Weltmeisterschaftsstatus hat, zu einem Wirtschaftswunder geworden ist. Konzerne rund um den Globus und aus den verschiedensten Branchen drängen sich um ihren Platz in diesem Wanderzirkus, der an Rennwochenenden eher wie eine Forschungsmesse wirkt denn als Race-Event. Als es etwa im Frühsommer im Schatten des Eiffelturms ans Rennen ging, da nutzten die meisten Konzerne wie DS Automobiles noch die Zeit für eine exklusive Diskussion, bei der sich UNO-Klimaschutzexperten mit Formel-E-Teamchefs und chinesischen Start-up-Milliardären über Sinn und Wichtigkeit dieses neuen Sports unterhielten.

Die Formel E rast am Puls der Zeit, sodass man es sich gar nicht leisten kann, nicht dabei zu sein -wenn man ein Automobilkonzern ist oder ein großes Technologieunternehmen in der Autobranche oder ein innovatives Start-up mit grünem Anstrich. Doch es geht inzwischen schon weit darüber hinaus.

Diese Woche etwa wurde Hugo Boss als Sponsor des künftigen Porsche-Werksteams präsentiert. Mark Langer, CEO der Hugo Boss AG: „Wir haben in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten bereits erfolgreich im Bereich des Motorsports kooperiert. Deshalb freut es mich besonders, dass wir nun mit der zukunftsgerichteten Formel E unsere Zusammenarbeit auf ein neues Level bringen werden.“ Brisant und typisch zugleich: Die Marke war seit Dekaden Sponsor in der Formel 1 und bis Ende 2017 noch Partner des Mercedes-Teams im Grand-Prix-Sport.

Es liegt im Trend, auf die Formel E zu setzen und auf deren grünes Image, das einen innovativen Weg in die Zukunft verspricht. Julius Bär, Bosch, Tag Heuer, Allianz, Heineken. Und Titelsponsor ABB, der seit Jänner an Bord ist. Laut „Financial Times“ um einen dreistelligen Millionenbetrag. Viel Geld für ein KMU wie die Formula E Holdings. Laut der Jahresrechnung im britischen Companies House hat die Formel E zuletzt bei einem Umsatz von 81 Millionen Pfund einen Verlust von 35 Millionen Pfund ausgewiesen. „Weil wir alles in Marketing investieren“, meint Agag.

Fast alle hier glauben an die Zukunft, auch Autokonzerne: Porsche, Audi, BMW haben sich bewusst für die Formel E und gegen die Formel 1 entschieden, Mercedes nimmt sie nun ergänzend in Angriff, und auch die Marken DS Automobiles und Jaguar sind seit Jahren vertreten. Jaguar investiert zudem in einen Markencup mit dem I-Pace, der ab jetzt im Rahmenprogramm als erste vollelektrische Tourenwagenserie der Welt fahren wird.

Und in diesen sogenannten „Support Races“ werden auch bald „Roboraces“ Usus sein – ab 2021 ist eine Meisterschaft mit autonom fahrenden Autos geplant. Die Entwicklung in der Formel E ist atemberaubend schnell. Agag: „Als wir begannen, wussten wir ja gar nicht, dass das Thema Elektrizität im Fahrzeugbau so dramatisch schnell an Fahrt aufnimmt. Das kommt uns natürlich zugute.“

Obwohl oder gerade weil es in vielen Bereichen Einheitsteile gibt, sind die „freien“ Regionen des Autos umso umkämpfter. Der Schweizer Formel-E- Meister Sébastien Buemi, einer der ersten Meister der Formel E, ist fassungslos: „Das Wettrüsten im Softwarebereich erinnert bereits an die Zustände in der Formel 1 im Bereich im Aerodynamik.“

Je technischer und innovativer, desto spannender ist es für Konzerne aus dem Autozulieferbereich. Deshalb ist kürzlich auch die österreichische voestalpine in diese Serie eingestiegen. Im Gegensatz zu anderen setzt man nicht auf ein einzelnes Team, sondern ist Namenssponsor der besonders renommierten und populären fünf Rennen in Europa. Diese “ voestalpine Races“, die im Frühjahr 2019 in Monaco, Paris, Rom, Berlin und Bern über die Bühne gehen, werden zudem zu einer Art „Europameisterschaft“ zusammengefasst. Wolfgang Eder, voestalpine-Vorstandsvorsitzender: „Altbekannte Wege zu verlassen und immer einen Schritt voraus zu sein, ist seit Langem das Leitmotiv des Konzerns, der sich in den letzten 15 Jahren erfolgreich vom Stahlunternehmen hin zum global agierenden Technologieund Industriegüterkonzern gewandelt hat. Darum geht die voestalpine als B2B-Konzern auch im Sponsoring neue Wege mit dem Ziel, die Wahrnehmung als Technologiekonzern weiter zu stärken.“ Denn: „Die Automobilindustrie ist mit rund einem Drittel unseres Konzernumsatzes seit Jahren ein zentraler Innovations-und Wachstumstreiber für die voestalpine. Dabei sehen wir insbesondere in der Elektromobilität großes Potenzial, auf Basis unseres umfassenden automotiven Know-hows schneller als in den traditionellen Segmenten zu wachsen.“

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© Bild: Andreas Lampl
DIE E-BOLIDEN der Generation 2 sind ab dieser Saison im Einsatz. Sie können nun ein ganzes Rennen mit einer Batterie durchfahren.
So schnell die Formel E wächst, so bleiben die Autos selbst doch eher langsam. Vergleichswerte mit der Formel 1 sind nicht möglich, da die Elektro-Serie mit Ausnahme von ein paar Kurven in Monaco es vermeidet, auf den gleichen Pisten unterwegs zu sein. Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton spottet jedenfalls beim Blick auf die E-Boliden, die maximal zwischen 200 und 225 kW Power haben dürfen: „Jedes Formel-4-Auto ist schneller.“ Schneller ja -aber definitiv nicht so anziehend für Investoren. Und nicht so preiswert. Während ein Topteam der Formel 1 im Jahr mit einem Budget von 300 Millionen Euro operiert, sind die Kosten in der Elektro-Formel geregelt. Ein einzelner Rennwagen der neuen Generation kostet exakt 817.300 Euro.

Newcomer müssen ihre Hoffnungen aber bremsen. Nach dem Einstieg von Porsche Ende 2019 sind 24 Autos am Start, und es herrscht Aufnahmestopp. Wenn’s dann ans Geldverdienen geht, wollen die Pioniere unter sich bleiben.

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VOESTALPINE-BOSS Wolfgang Eder setzt auf die Formel E. Nun ist auch Heineken-CEO Jean- Francois van Boxmeer dabei.