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Eine Gurtschnalle im Auto.

Gurtpflicht in Österreich: Alle Infos [+Ausnahmen]

Gurtpflicht in Österreich: Wann sie eingeführt wurde, welche Pflichten Fahrer und Mitfahrer haben, welche Ausnahmen gelten.

Christian Gaisböck
Zuletzt aktualisiert am 01.03.2024

„Beengend, die Freiheitsrechte beschränkend und auf Kurzstrecken ohnehin nicht notwendig“: Die Einführung der Gurtpflicht im Jahr 1976 sorgte bei einem Teil der Bevölkerung für Aufregung. Fakt ist: Seit die Gurtpflicht in Österreich eingeführt wurde, konnten tausende Menschen durch diese Sicherheitsmaßnahme vor dem Unfalltod bewahrt werden. Grund genug, sich ein wenig genauer mit dem Sicherheitsgurt und den gesetzlichen Bestimmungen in diesem Zusammenhang auseinanderzusetzen.

Zahlen & Fakten zum Sicherheitsgurt

In den Jahren 2016 bis 2020 kamen bei Verkehrsunfällen auf Österreichs Straßen 177 Pkw-Insassen ums Leben, davon waren laut KFV (Kuratorium für Verkehrssicherheit) 52 zum Unfallzeitpunkt nicht angegurtet – das entspricht rund 29 Prozent.

Die getöteten und schwerverletzten Pkw-Insassen ohne Gurt sind laut Unfallstatistik überwiegend männlich, häufig handelt es sich um jüngere Erwachsene im Alter von 20 bis 29 Jahren.

Insgesamt schnallen sich mittlerweile 97 Prozent der Pkw-Insassen im Auto an, wobei die Gurttragequote auf den Vordersitzen höher ausfällt als auf den Rücksitzen, wo sich nur 92 Prozent der Jugendlichen und Erwachsenen anschnallen. Das ergab eine Beobachtung des Kuratoriums für Verkehrssicherheit anlässlich des 45. Jubiläums der Gurtpflicht in Österreich. Bei den Kindern liege die Sicherungsquote zwar bei 98 Prozent, dafür seien sie allerdings häufig fehlerhaft gesichert.

Das Kuratorium für Verkehrssicherheit weist darauf hin, dass das Todesrisiko für bei Verkehrsunfällen mit Personenschaden verunglückte Pkw-Insassen ohne Gurt zehn Mal höher ausfalle als mit.

Die Geschichte des Dreipunkt-Gurtes

Maßgeblich für die Erhöhung der Sicherheit beim Autofahren verantwortlich zeichnet Nils Bohlin, der Erfinder des Dreipunkt-Sicherheitsgurtes. Das Grundprinzip: Das Gewebe wird von der B-Säule des Autos über das Becken des Fahrers zu einer Schnalle am Mitteltunnel des Autos geführt und von dort über Brust und Schulter zurück zur B-Säule.

Erfinder des Gurtes

Dem ehemaligen Flug-Ingenieur Bohlin (17.07.1920 – 21.09.2002) dürfte zum Zeitpunkt der Erfindung des Dreipunkt-Sicherheitsgurtes nicht bewusst gewesen sein, dass er damit ein großes Stück Autogeschichte schrieb. Bereits ein Jahr nachdem er von der Flugzeugabteilung von Saab zu Volvo gewechselt war (1958), ließen sich die Schweden seine Entwicklung in den USA patentieren – und schon 1959 wurde der Dreipunkt-Sicherheitsgurt im Volvo Amazon und dem Volvo PV544 serienmäßig eingebaut.

Neben vielen anderen Preisen für Nils Bohlin wurde der Dreipunktgurt 1985 vom deutschen Patentamt als eine jener acht Erfindungen ausgewählt, die der Menschheit in den letzten 100 Jahren am meisten Nutzen gebracht hat.

X-fach höhere Überlebenschance mit Sicherheitsgurt

Die verpflichtende Verwendung des Autogurtes wurde in Österreich im Sommer 1976 eingeführt. Dass diese Maßnahme eine sehr sinnvolle war, zeigen auch die Unfallstatistiken bzw. die statistischen Überlebenschancen nach einem Unfall mit angelegtem Sicherheitsgurt. So ist die Überlebenschance bei einem Unfall mit Sicherheitsgurt etwa acht mal höher als ohne Gurt, die Verletzungsrate ohne Gurt gar elf mal so hoch.

Was die Gurtpflicht vorschreibt

Grundsätzlich gilt: Ist ein Gurt vorhanden, ist die Verwendung verpflichtend – egal auf welchem Platz im Auto. Das gilt nicht nur für Fahrer und Mitfahrer, sondern selbstverständlich auch für Passagiere auf der Rückbank. Als solcher gefährdet man nicht nur sich selbst, wenn man keinen Gurt anlegt: Der ÖAMTC rechnet vor, dass eine nicht angeschnallte, 55 Kilogramm schwere Person bei einem Crash mit 50 km/h bereits mit einem Gewicht von 2,75 Tonnen gegen den Vordersitz prallt und den vorne sitzenden Passagieren massive Verletzungen zufügen kann.

Die Rückbank eines Autos, sobald jemand Platz nimmt, muss der lose Gurt befestigt werden, es herrscht ja die Gurtpflicht.
© Bild: Beigestellt

Für die Einhaltung der Gurtpflicht ist jeder Kfz-Insasse ab 14 Jahren selbst verantwortlich. Bei Mitfahrern unter 14 Jahren muss hingegen der Fahrer dafür Sorge tragen, dass diese angeschnallt bzw. ordnungsgemäß gesichert sind.

Kindersicherung

Für Kinder unter 14 Jahren gelten spezielle Regelungen:

  • Der Fahrer ist für die ordnungsgemäße Sicherung im Fahrzeug für Kinder bis 14 Jahre verantwortlich. Somit muss nicht nur dafür Sorge getragen werden, dass ein Kind angeschnallt ist sondern auch, dass die Sicherung entsprechend der Größe des Kindes erfolgt.
  • Ab 135 cm Körpergröße darf für die Sicherung der Sicherheitsgurt im Auto verwendet werden, sofern dieser sich auf die jeweilige Körpergröße einstellen lässt.
  • Unter 135 cm Körpergröße muss ein Kindersitz verwendet werden, um die fehlende Körpergröße auszugleichen.

Mehr erfahren: Hier die Ergebnisse des ÖAMTC Kindersitztest

Ausnahmen von der Gurtpflicht

Ein paar Ausnahmen von der generellen Gurtpflicht gibt es trotzdem. Sie kommen in folgenden Fällen zum Tragen:

  • Kinder ab 3 Jahren dürfen auf den Rücksitzen auch ohne Gurt transportiert werden, wenn kein Gurt vorhanden ist (z.B. in einem Oldtimer). Der entsprechende Auszug aus § 106 Abs. 5 KFG 1967: „Ist das Fahrzeug, ausgenommen Beförderung in Fahrzeugen der Klassen M2 und M3, nicht mit Sicherheitssystemen (Sicherheitsgurten oder Rückhalteeinrichtung) ausgerüstet, so dürfen Kinder, die das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht befördert werden und müssen Kinder ab vollendetem dritten Lebensjahr auf anderen als den Vordersitzen befördert werden.
  • Beim Einparken bzw. langsamen Rückwärtsfahren darf der Sicherheitsgurt abgelegt werden.
  • Auch Businsassen im Linienverkehr sind von der Pflicht ausgenommen.
  • Für Fahrgäste von Omnibussen wird die Gurtpflicht beim kurzzeitigen Verlasen des Sitzplatzes „ausgesetzt“.
  • Ebenso sind Fahrer von Einsatzfahrzeugen im Einsatz von der Gurtpflicht ausgenommen.
  • Taxifahrer sind dann von der Gurtpflicht ausgenommen, wenn sie einen Fahrgast von A nach B transportieren – für Schülertransporte gilt diese Ausnahme allerdings nicht.
  • Bei der „Unmöglichkeit des bestimmungsgemäßen Gebrauches des Sicherheitsgurtes wegen der Körpergröße oder schwerster körperlicher Beeinträchtigung des Benützers“ besteht ebenfalls keine Gurtpflicht, so die entsprechende Passage „Personenbeförderung“ im KFG, § 106.  Das gilt beispielsweise für Menschen, die schwer herzkrank sind oder eine frische Operationsnarbe im Bereich des Gurtverlaufes haben.
    Aber Achtung: Die Polizei Wien weist darauf hin, dass für eine Befreiung von der Gurtpflicht eine amtsärztliche Untersuchung erforderlich ist, bei der im übrigen auch die generelle gesundheitliche Eignung zum Lenken eines KFZ untersucht wird.

Achtung: Eine Schwangerschaft, Sonnenbrand oder auch ein Schlüsselbeinbruch reichen beispielsweise nicht aus, um von der Gurtpflicht ausgenommen zu sein, da es sich um keine „besonders schwere körperliche Beeinträchtigung“ handelt.

Diese Strafen drohen bei Missachtung der Gurtpflicht

  • Die verpflichtende Verwendung des Sicherheitsgurtes wurde bereits 1976 eingeführt, erst seit 1. Juli 1984 ist für die Missachtung dieser Vorschrift auch eine Strafe vorgesehen. 35 Euro werden fällig, wenn man bei der Fahrt ohne angelegten Gurt erwischt wird. Übrigens: Die Strafe im Jahr 1984 für eine Fahrt ohne Gurt betrug 100 Schilling, also umgerechnet ca. 7 Euro.
  • Wer die entsprechende Sicherung eines mitfahrenden Kindes unterlässt (mit Gurt und passendem Kindersitz), riskiert neben der Sicherheit ein Bußgeld ab 70 Euro sowie einen Eintrag ins Führerschein-Vormerksystem. Der theoretische Strafrahmen reicht bis 5.000 Euro.