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Ein Unfallauto mit einem wirtschaftlichen Totalschaden.

Wirtschaftlicher Totalschaden: So viel bezahlt die Kfz-Versicherung

Welchen Betrag zahlt die Versicherung bei einem wirtschaftlichen Totalschaden? Und wie wird dieser Betrag genau berechnet?

Christian Gaisböck
Zuletzt aktualisiert am 03.04.2024

Ein Unfall mit alleiniger Schuld des Unfallgegners – und der Sachverständige stellt fest, dass am eigenen Fahrzeug ein wirtschaftlicher Totalschaden vorliegt. Was bedeutet das und welche Faktoren spielen bei der Berechnung eine Rolle?

Wann liegt ein „wirtschaftlicher Totalschaden“ vor?

Zur Berechnung orientieren sich Versicherungen am Wiederbeschaffungswert und am Restwert. Der Wiederbeschaffungswert ist jener Wert, der für das Fahrzeug vor dem Unfall angenommen wird. Er wird meist anhand der Eurotax-Liste bestimmt. Der Restwert ist jener Wert, dem den Fahrzeug nach dem Unfall beigemessen wird – er wird üblicherweise von einem Sachverständigen bestimmt.

Übersteigen nun die angenommenen Reparaturkosten die Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert, liegt ein sogenannter wirtschaftlicher Totalschaden vor. Heißt in anderen Worten: eine Reparatur rechnet sich wirtschaftlich betrachtet nicht mehr.

Wie wird ein „wirtschaftlicher Totalschaden“ bzw. der Wiederbeschaffungswert durch die Versicherung berechnet?

Der Sachverständige ermittelt anhand individueller Faktoren des Fahrzeuges (Kilometerstand, Ausstattung, Erstzulassungsdatum und Zustand des Autos) sowie mithilfe der „Schwacke-Liste“ oder der Eurotax-Liste den Wiederbeschaffungswert des Autos. Hier sind die Durchschnittswerte für Fahrzeuge gelistet – ebenso basierend auf Laufleistung, Zustand und Ausstattung. Dieser Durchschnittswert wird vom Sachverständigen als Berechnungsbasis/Anhaltspunkt zur Berechnung des Wiederbeschaffungswertes verwendet. Wer sich selbst vergleichen möchte: Der ÖAMTC bietet für Mitglieder je Kalenderjahr 5 Gratis-Abfragen bei der Autopreisspiegel Fahrzeugbewertung.

  • Im Endeffekt sollte der Wiederbeschaffungswert sehr nahe an den Betrag herankommen, der aufgewendet werden müsste, um ein Auto in gleichem Zustand wie vor dem Unfall anzuschaffen.
  • Zugleich wird auch der Restwert des Autos (nach dem Unfall) ermittelt.
  • Sodann werden die Reparaturkosten für den entstandenen Schaden am Fahrzeug ermittelt – also die Kosten für eine gewerblich (in einer KFZ-Werkstätte) durchgeführte „Wiederinstandsetzung“ durch Fachpersonal und unter Verwendung von Neuteilen.
  • Liegen die Reparaturkosten über der Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert minus Restwert., liegt ein sogenannter „wirtschaftlicher Totalschaden“ vor.

Beispielrechnung für einen wirtschaftlichen Totalschaden

  • Die Anschaffung eines gleichwertigen Fahrzeuges beträgt 8000 Euro (Wiederbeschaffungswert),
  • der Restwert liegt lt. Gutachten bei 4000 Euro und
  • die kalkulierten Reparaturkosten bei 5000 Euro.

Die Kosten der Wiederinstandsetzung würden mit 5000 Euro somit über der Differenz aus Wiederbeschaffungswert minus Restwert liegen (also in diesem Fall 4000 Euro).

Wie viel zahlt die Versicherung bei einem wirtschaftlichen Totalschaden?

In Falle eines wirtschaftlichen Totalschadens zahlt die Versicherung nicht die Reparatur des Fahrzeuges, sondern eine Entschädigung in Höhe des Wiederbeschaffungswertes abzüglich des ermittelten Restwertes. Es gibt aber Ausnahmen, denn: Zusätzlich muss bei der Feststellung eines wirtschaftlichen Totalschadens bzw. im Falle einer beabsichtigten Reparatur des Unfallwagens in Deutschland auch die 130%-Regel berücksichtigt werden bzw. in Österreich die (ca.) 110%-Regel.

Die 110/130%-Regel beim wirtschaftlichen Totalschaden

Bei der Feststellung eines wirtschaftlichen Totalschadens gibt es eine Sonderregelung, die in Deutschland als 130%-Regel bekannt ist (nicht gültig bei Kasko-Versicherungen). Obwohl in Österreich eine vergleichbare Rechtslage vorliegt, gibt es hier aber eine andere Rechtsauslegung. Für Deutschland gilt: Liegen die Reparaturkosten bis zu maximal 30% über dem Wiederbeschaffungswert, muss die Versicherung dennoch die Reparaturkosten übernehmen, sofern eine solche vom Geschädigten gewünscht und auch durchgeführt wird. Die 130-Prozent-Regel erhöht somit den Betrag, bis zu dem eine Reparatur von der Kfz-Versicherung bezahlt werden kann.
In Österreich gibt es keine starren Prozent-Grenzen, vom OGH wurden aber bisher Überschreitungen von etwa gut 10% toleriert. (Quelle: ÖAMTC)

Berechnungsbeispiel bei einem wirtschaftlichen Totalschaden

  • Der Wiederbeschaffungswert (WBW) wird vom Sachverständigen auf 9000 Euro festgesetzt
  • Die Reparaturkosten (RK) schätzt der Gutachter auf 10.500 Euro
  • Das Verhältnis der beiden berechnet sich so: RK / WBW in unserem Fall also: 10.500 / 9000 = ca. 116%

In diesem Fall liegt der Prozentsatz also bei 116% – die Sonderregelung würde somit in Deutschland greifen, in Österreich (wahrscheinlich) nicht.

Das bedeutet für Deutschland, dass die gegnerische Versicherung die Reparaturkosten übernimmt, obwohl rein rechnerisch ein wirtschaftlicher Totalschaden vorliegt – in Österreich hingegen ist das unwahrscheinlich.

Bedingungen für die 130%-Regel in Deutschland

  • Das reparierte Auto muss mindestens sechs weitere Monate genutzt und versichert werden.
  • Die Reparatur muss die Vorgaben aus dem Sachverständigengutachten erfüllen
  • Die Versicherung kann eine Werkstattrechnung verlangen, aus der hervorgeht dass die Reparaturvorgaben eingehalten wurden
  • Es aber auch eine eigenständige Reparatur zulässig – in diesem Fall muss aber nach der Reparatur ein Sachverständiger bestätigen, dass die Vorgaben aus dem Gutachten eingehalten wurden

Dieser Beitrag stellt keine Rechtsberatung dar und es können daraus keine Rechtsansprüche abgeleitet werden. Im Zweifelsfall sollte dringend eine juristische Expertise herangezogen werden