autorevue Online
Zwei österreichische Scheckkarten-Führerscheine.

PS-Begrenzung für Führerschein-Neulinge: Ja oder nein?

Wir haben jeweils 5 Argumente FÜR und GEGEN eine PS-Begrenzung bei Führerschein-Neulingen gesammelt.

Veröffentlicht am 24.06.2022

Die Kombination von stark motorisierten Autos und jungen, meist männlichen Führerschein-Neulingen ist statistisch gesehen keine gute. Die Autofahrer der Altersgruppe 18-24 verursachen überproportional viele Unfälle wegen überhöhter Geschwindigkeit. Eine PS-Begrenzung für Führerschein-Neulinge wird deshalb immer wieder diskutiert – besonders dann, wenn aufsehenerregende Unfälle für einen medialen Aufschrei sorgen. Aber kann eine PS-Begrenzung das Problem wirklich lösen? Es folgt eine Gegenüberstellung der gängigsten Pro- und Contra-Argumente.

5 Argumente für eine PS-Begrenzung

1 – Der Motorradführerschein als Vorbild

Wer mit 18 Jahren den Autoführerschein absolviert, darf sich theoretisch sofort an einem Porsche oder Audi A8 versuchen. Die mehrphasige Ausbildung beim Motorradführerschein hingegen verhindert, dass unerfahrene Führerschein-Neulinge zu rasch auf ein stark motorisiertes Motorrad steigen – die Unfallstatistik zeigt, dass dieses Modell erfolgreich ist. Warum sollte das nicht auch beim Auto klappen?

2 – Fehlende Erfahrung

Jungen Autolenkern fehlt naturgemäß die Erfahrung und auch die Ruhe, um Autos mit mehreren Hundert PS sicher manövrieren zu können, so das Argument vieler Befürworter einer PS-Beschränkung. Ein Einstieg mit Fahrzeugen bis zu maximal 100 PS ist optimal, um die physikalischen Gesetze, die beim Autofahren wirken, kennen zu lernen und Erfahrungswerte zu sammeln.

3 – Risikobereitschaft

Das Suchen nach dem Nervenkitzel durch hohe Geschwindigkeiten ist bei jungen Menschen deutlich ausgeprägter. Dieser jugendlichen Risikobereitschaft kann nur physikalisch etwa durch eine PS-Beschränkung eingedämmt werden, um Menschenleben, nicht nur das des Fahrers, zu schützen.

4 – Selbstüberschätzung

Neben dem bewussten in Kauf nehmen von Risiken spielt auch die Selbstüberschätzung eine gewichtige Rolle. Viele Führerschein-Neulinge glauben, durch die bestandene Führerscheinprüfung ausreichend gerüstet zu sein für z.B. einen 400 PS-Boliden. Junge Menschen müssen manchmal auch durch Verbote vor sich selbst geschützt werden.

5 – Viele PS = Auto mit hohem Fahrkomfort = hohe Geschwindigkeit

Das oft gebrachte Argument, dass auch mit einem 50 PS-Fahrzeug hohe Geschwindigkeiten erreicht werden können und eine PS-Begrenzung somit wirkungslos ist, wird von der Praxis klar widerlegt. Der viel höhere Komfort von PS-starken Fahrzeugen, die meist mit allen technischen Sicherheits-Raffinessen ausgestattet sind, verleiht das trügerische Gefühl, dass etwa auch eine 50er Kurve locker mit 100 km/h genommen werden kann. Umgekehrt wirken 100 km/h in einem Fahrzeug der unteren Fahrzeugklassen viel schneller, die physikalischen Gesetze werden besser „spürbar“, wenn man das Fahren in einem Auto lernt, das bei 130 km/h ruckelt und die Fahrgeräusche deutlich hörbar sind.

5 Argumente gegen eine PS-Begrenzung

1 – Zu viele Verbote

Bereits jetzt sind zuviele Bereiche bezügl. Auto und Verkehr durch Verbote geregelt – eine PS-Begrenzung wäre der nächste Schritt zur  Entmündigung von Autofahreren. Es fehlt nicht viel und es wird über die Helmpflicht im Auto diskutiert! Sinnvoller: Aufklärung und Bewusstseinsbildung von Führerschein-Neulingen für Geschwindigkeit und physikalische Gegebenheiten beim Autofahren. Die jugendlichen Autofahrer dürfen nicht aus der Verantwortung für eine angepasste Geschwindigkeit entlassen werden – und genau das würde ein Verbot bzw. eine gesetzliche PS-Einschränkung bewirken.

2 – Hohe Geschwindigkeiten auch bei wenigen PS

Unfälle entstehen nicht durch zu viele PS sondern durch überhöhte Geschwindigkeit – und diese kann auch mit PS-schwachen Autos erreicht werden. Um durch eine PS-Beschränkung weniger Unfälle durch erhöhte Geschwindigkeit zu erreichen, müssten die Leistungs/PS-Grenzen unrealistisch niedrig angesetzt werden, denn jedes 90-PS-Auto erreicht heutzutage 160 km/h und mehr.

3 – Gefahr für L17

Eine PS-Begrenzung für junge Fahrer würde das sinnvolle und erfolgreiche Ausbildungsmodell des L17-Führerscheines massiv gefährden. Für den Fahrunterricht wird meist das Familienauto verwendet – man kann Familien aber unmöglich vorschreiben, ein leistungsschwaches Auto nur für die L17-Ausbildungsfahrten zu kaufen. Die PS-Beschränkung würde somit eine der Sicherheit dienlichen Ausbildungsvariante massiv einschränken.

4 – Kein Massenphänomen

Warum soll die große Masse mit Verboten belegt werden, nur weil einige wenige Unbelehrbare nicht in der Lage sind, ein PS-starkes Auto sicher zu lenken? Außerdem: 99% der Führerschein-Neulinge können sich die hohen Versicherungsbeiträge von stark motorisierten PKW ohnehin nicht leisten.

5 – PS keine Hauptunfallursache

Das häufigste Unfallursache laut Statistik ist Ablenkung und nicht erhöhte Geschwindigkeit. Das Problem: Unfälle von jungen Rasern erregen medial viel höhere Aufmerksamkeit als Unfälle, die durch SMS-tippselnde Autofahrer verursacht werden. Nur deshalb wird die Diskussion um eine PS-Beschränkung immer wieder medial aufbereitet und von der Politik genutzt, um öffentlichkeitswirksam „Gegenmaßnahmen“ zu fordern.