Elke Mayr
Die häufigsten Unfallursachen auf Österreichs Straßen

Die häufigsten Unfallursachen auf Österreichs Straßen

Alkoholisierung als Hauptursache für Auto-Unfälle? Die Statistiken zeigen: Ablenkung ist mittlerweile absoluter Spitzenreiter.

Zuletzt aktualisiert am 25.09.2023

369 Verkehrstote gab es im Jahr 2022 in Österreich zu bedauern. Das sind die drittniedrigsten Opferzahlen seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1950. Die Ursachen für tödliche Verkehrsunfälle hat sich im Laufe der Jahre verschoben: Eine Alkoholisierung wurde „nur“ mehr bei 5,2 Prozent aller Unfälle mit tödlichem Ausgang festgestellt. In Relation dazu haben die Ursachen „nicht angepasste Geschwindigkeit“ sowie besonders „Ablenkung / Unachtsamkeit“ im Laufe der Jahre deutlich zugenommen.

Die Statistik: Ablenkung als häufigste Unfallursache

Laut der Verkehrsstatistik für 2022 vom BMI sind 25,6 Prozent, also mehr als jeder 4. tödliche Verkehrsunfall, auf Unachtsamkeit/Ablenkung zurückzuführen.

Dicht dahinter: Nicht angepasste Geschwindigkeit mit 22,7 Prozent. Eine Alkoholisierung wurde bei 5,2 Prozent der tödlichen Unfälle festgestellt.

Weitere relevante Ursachen für Unfälle mit tödlichem Ausgang:

  • Vorrangverletzung (19,8 Prozent)
  • Herz-/Kreislaufversagen/akute Erkrankungen am Steuer (7,8 Prozent)
  • Fehlverhalten von Fußgänger:innen (5,1 Prozent)
  • Überholen (4,9 Prozent)
  • Missachtung von Geboten/Verboten (4,0 Prozent)
  • Mangelnder Sicherheitsabstand (2,6 Prozent)
  • Übermüdung (2,6 Prozent)

Ablenkung im Straßenverkehr: wodurch?

Neben der überhöhten Geschwindigkeit, die bereits seit jeher unter den häufigsten Unfallursachen zu finden ist, haben vor allem Unfälle aufgrund Ablenkung / Unachtsamkeit in den letzten Jahren massiv zugenommen.

Viele technische Errungenschaften wie Bremsassistent, ABS, Spurhalteassistent usw. sind zweifellos mitverantwortlich dafür, dass Autofahren heutzutage um ein vielfaches sicherer ist oder zumindest sein könnte. Die Anzahl der Bedienelemente im Fahrzeug-Cockpit ist aber in den letzten Jahren/Jahrzehnten ebenso rasant gestiegen – was zweifellos einen Teil des Sicherheitsgewinnes durch andere technische Errungenschaften wieder zunichtemacht. Hauptursache für den rasanten Anstieg von Unfällen durch unaufmerksame Autofahrer ist aber zweifellos die ebenso schnelle Verbreitung von Smartphones.

„Telefonieren ohne Freisprecheinrichtung lässt das Unfallrisiko für Lenkende etwa um das Vier- bis Fünffache, das Schreiben von Textnachrichten sogar um das 23-fache ansteigen“, sagt Klaus Robatsch, Leiter der Verkehrssicherheitsforschung im Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV).

Multitasking während der Autofahrt? Ein Mythos!

Offensichtlich sind viele Verkehrsteilnehmer (auch Fußgänger oder Radfahrer) davon überzeugt, ein Fahrzeug sicher lenken zu können, dabei auf andere Autofahrer, Fußgänger, Radfahrer achten und auf überraschende, nicht vorhersehbare Situationen reagieren zu können (querende Wildtiere oder Kinder auf der Fahrbahn). Im schlechtesten Fall wird dann auch noch am Smartphone eine „dringende“ Nachricht verfasst.

SMS/Nachrichten schreiben = Autofahren im Blindflug

In der Annahme, dass für das Lesen oder Verfassen einer Handynachricht nur 5 Sekunden benötigt werden, legt man in dieser Zeit bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h (im Stadtgebiet) 70 Meter zurück, ohne auf Gefahren angemessen schnell reagieren zu können. Auf der Autobahn, mit Tempo 130 km/h, sind es sogar bereits 180 Meter im „Blindflug“.

Freisprecheinrichtung als Lösung?

Um dem Problem der Ablenkung im Straßenverkehr Einhalt zu gebieten, wurde in Österreich bereits vor längerer Zeit die Gesetzeslage angepasst und generell das Bedienen eines Handys während der Fahrt verboten. Autofahrer sollen dadurch gedrängt werden, Telefonate nur mehr mit einer Freisprecheinrichtung zu führen. Gerade dieser Ansatz ist aber ebenso umstritten: Britische Studien und Gehirnforscher zeigten bereits auf, dass die Ablenkung bei Benützung einer Freisprecheinrichtung nicht wesentlich kleiner ist als bei normalem Gebrauch eines Handys zum Telefonieren. Die „Königsdisziplin“ des Nachrichtentippens während der Autofahrt ist aber in punkto Ablenkung allemal noch um ein vielfaches höher einzuschätzen.

Auch Fußgänger als Auslöser und Betroffene

Der Smartphone-Wahn im Straßenverkehr hat aber auch vor den Fußgänger:innen nicht Halt gemacht. Rund 1/3 aller Fußgänger:innen sind laut einer Studie beim Überqueren einer Straße abgelenkt – was bereits Wortkreationen wie „Smombie“ (aus Smartphone + Zombie) nicht ganz zu Unrecht in den Sprachgebrauch vordringen lässt.

Ablenkung am Steuer im ÖAMTC-Versuch

Im März 2023 wurden die Auswirkungen von ablenkenden Tätigkeiten beim Autofahren im Rahmen einer Studie vom ÖAMTC untersucht. 40 Proband:innen im Alter von 18 bis 50 Jahren mussten auf einem Testparcours mit Slalom, Haarnadelkurve und weiteren Hindernissen vier Aufgaben erledigen:

  • Buchstabieren
  • Kopfrechnen
  • SMS lesen/schreiben
  • aus einer Flasche trinken

„Beim SMS-Lesen und -Tippen waren die Testpersonen bis zu 123 Meter im Blindflug unterwegs. Dabei fuhren zwar alle signifikant langsamer, aber keine Person verringerte das Tempo vor dem Schutzweg so, dass sie hätte anhalten können. Die meisten wären mit etwa 30 km/h mit einem:einer Fußgänger:in kollidiert„, sagt ÖAMTC-Verkehrspsychologin Marion Seidenberger. Beim Trinken aus der Wasserflasche hatten die Testpersonen bis zu acht Sekunden die Hände nicht am Lenkrad.

„Insgesamt zeigte sich, dass die Probanden Sichthindernisse nicht ernst genug nahmen, zu wenig Abstand hielten und viele keine Notbremsung beherrschten„, erklärt die ÖAMTC-Expertin. „Bei der Abstandsübung musste ein selbst gewählter Sicherheitsabstand zu einem vorausfahrenden Auto, das spurversetzt unterwegs war, eingehalten werden. Bei einer Vollbremsung hätten 72 Prozent einen Aufprall nicht verhindert – und zwar hauptsächlich durch das totale Unterlassen oder die viel zu zögerliche Bremsung.“

Problematisch ist dabei auch eine falsche Selbsteinschätzung. „Viele glauben, dass sie ‚eh alles im Griff‘ haben – vermeintlich einfache Nebentätigkeiten, wie das kurze Checken einer Nachricht, werden unterschätzt. Dabei muss man im Straßenverkehr immer damit rechnen, dass man plötzlich in eine fordernde Situation gerät“, sagt Seidenberger. Ihre wichtigsten Tipps eine sichere Fahrt: Abstand vergrößern, jegliche Ablenkung unterlassen, eine Notbremsung beherrschen.