Tamara Schögl
250 Watt Nennleistung: Das Aus für viele E-Scooter in Österreich?

250 Watt Nennleistung: Das Aus für viele E-Scooter in Österreich?

Die aktuelle Fassung des KFG 1967 vom 21. April sorgt für Brisanz: Die konkrete Festlegung der Nenndauerleistung auf 250 Watt könnte Auswirkungen auf tausende E-Scooter-Fahrer, Leih-Scooter-Anbieter und Händler haben.

Christian Gaisböck
Zuletzt aktualisiert am 07.08.2023

Jetzt ist schon wieder was passiert: E-Scooter sorgen in Österreich regelmäßig für Aufregung und auch Ärger. Bisher allerdings meist nicht bei den Scooter-Fahrern selbst, sondern bei Autofahrern und Fußgängern, die durch ordnungswidrig abgestellte E-Scooter behindert werden. Die jüngste Novelle des KFG 1967 vom 21. April könnte nun aber für größeren Ärger bei E-Scooter-Fahrern, Händlern und auch Leih-Scooter-Anbietern sorgen.

250 statt 600 Watt Nominalleistung

Um bisherige Unklarheiten zu beseitigen und eine bessere Übereinstimmung mit der EU-Verordnung Nr. 168/2013 zu erreichen, wurde der Gesetzestext von „höchste zulässige Leistung von nicht mehr als 600 Watt“ (siehe KFG-Fassung vor 21. April) auf „Nenndauerleistung von nicht mehr als 250 Watt“ (siehe KFG in der aktuellen Fassung) abgeändert. Das bedeutet: Fahrzeuge, die diese Grenze überschreiten, werden nicht mehr als Fahrräder bzw. E-Bikes definiert, sondern als Kraftfahrzeuge (die angemeldet u. versichert werden müssen).

Die bisherige Interpretation, wonach diese 600 Watt als Nominalleistung anzusehen sind, wurde damit über den Haufen geworfen – denn gemeint war damit vom Gesetzgeber offenbar die Peakleistung, also die Maximalleistung, die ein Gefährt kurzfristig erreichen kann.

Und: In den Erläuterungen des Entwurfes zur aktuellen 41. KFG-Novelle vom April 2023 wurde offenbar die Annahme getroffen, dass ein E-Scooter mit 600 Watt Maximalleistung nicht mehr als 250 Watt Nenndauerleistung bringen kann: „Für Fahrzeuge, die die bisherigen Kriterien erfüllt haben (höchste zulässige Leistung nicht mehr als 600 Watt und Bauartgeschwindigkeit nicht mehr als 25 km/h) sollte diese Änderung keine Auswirkungen haben, da schon im Jahr 2009 erlassmäßig klargestellt worden ist, dass davon ausgegangen werden kann, dass bei Fahrzeugen mit einer Nenndauerleistung von nicht mehr als 250 Watt die am Hinterrad (Antriebsrad) abgegebene Leistung nicht mehr als 600 Watt beträgt.“ Eine Annahme, die realistisch betrachtet zweifelhaft ist …

Was sind die möglichen Folgen?

Diese Neufassung hat das Potential, weitreichende Auswirkungen auf die E-Scooter-Landschaft in Österreich zu haben. Denn E-Scooter, die eine Nenndauerleistung von mehr als 250 Watt aufweisen, dürften nun nicht mehr wie bisher im Straßenverkehr verwendet werden – sofern diese Interpretation korrekt ist. Bzw. müssten diese wie ein Moped angemeldet und versichert werden: das ist ohne Eintrag in die Genehmigungsdatenbank bzw. CoC-Papiere aber nicht möglich. Betroffen sind neben privaten Nutzern sehr wahrscheinlich auch Anbieter von Leih-E-Scootern. Und: Auch viele Händler von E-Scootern sind derzeit stark verunsichert. 

Das unerlaubte Fahren mit solchen Modellen könnte somit ggf. auch schwerwiegende rechtliche und finanzielle Folgen haben, insbesondere im Falle eines Unfalls mit Personenschaden.

Experteneinschätzungen

ÖAMTC

Auf die Frage, wie er die rechtliche Situation bezüglich E-Scooter mit über 250 Watt Nenndauerleistung einschätzt, meint Mag. Matthias Wolf, ÖAMTC Rechtsdienste – Konsumentenschutz & Mitgliederinteressen: 

„Die Grenzen für die sogenannte „Nichtanwendbarkeit“ des Kraftfahrgesetzes (KFG) wurden insofern neu definiert, als dass E-Scooter und E-Bikes nunmehr über eine maximale Nenndauerleistung von 250 W und max. 25 km/h Bauartgeschwindigkeit verfügen dürfen. Also dass für diese Fahrzeuge keine Zulassung, Haftplichtversicherung etc. vorgeschrieben ist.

Laut BMK sollte es durch diese „neue“ Grenze zu keiner Änderung für bestehende Fahrzeuge kommen, da schon im Jahr 2009 erlassmäßig klargestellt worden ist, dass bei Fahrzeugen mit einer Nenndauerleistung von nicht mehr als 250 Watt die am Hinterrad (Antriebsrad) abgegebene Leistung nicht mehr als 600 W beträgt. Fakt ist, dass es weder für E-Bikes noch für E-Scooter eine Art „Typenschein“ gibt und so die Feststellung der tatsächlichen Leistung oft nur durch spezielle Messgeräte möglich ist.

So stimmt es zwar, dass E-Scooter über 250 W Nenndauerleistung nicht mehr auf öffentlichen Straßen fahren dürfen, aber es dürfte nahezu unmöglich sein herauszufinden, wie lange der E-Scooter schon im Verkehr ist. Es gibt schließlich keine Pflicht, bspw den Beleg aufzubewahren. Und da es im Normalfall auch keine offiziellen „Papiere“ gibt, kann auch nicht eruiert werden, wieviel Leistung der E-Scooter tatsächlich erbringt. Es gibt auch keine „Pflichtangabe“ über die Leistung in der Betriebsanleitung oder am E-Scooter selbst. Besondere Vorsicht ist auch im Hinblick auf Unfälle geboten: Wird mit einem nicht zum Verkehr zugelassenen E-Scooter (also über 250 W Nenndauerleistung und erst seit Inkrafttreten des Gesetzes im Verkehr) ein Unfall verursacht, könnte man Gefahr laufen aufgrund der erhöhten Leistung „Mitschuld“ an der Unfallverursachung zu sein.Als ÖAMTC haben wir im Gesetzgebungsprozess auf diese praktischen Probleme hingewiesen. Leider wurden diese Punkte allerdings nicht ausreichend mitbedacht. Um Rechtssicherheit zu bekommen, wird es wohl erst behördliche oder gar gerichtliche Entscheidungen brauchen.“

Bundesministerium für Inneres

Auch ein Statement zur Nenndauerleistung der E-Scooter, die für die Polizei angeschafft werden, gibt es von Rat Harald Sörös, B.A., M.A., Ressortsprecher des Bundesministeriums für Inneres:

„Die Erfahrungsberichte der Landespolizeidirektionen aus dem Testbetrieb wurden gesammelt und ausgewertet. Aufgrund der daraus gewonnenen Erkenntnisse ist ein Erlass in Ausarbeitung, der die Verwendung für E-Scootern im Polizeidienst regeln wird. Der Bedarf (im Sinne der genauen Anzahl) wird im Bereich der Landespolizeidirektionen erhoben. Die Verwendung wird im zivilen Bereich erfolgen – man darf sich also keine polizei-gebrandeten Scooter mit uniformierten Kolleg/innen im Straßenbild vorstellen. Selbstverständlich werden die Fahrzeuge den geltenden verkehrsrechtlichen Normen entsprechend angeschafft und verwendet. Um welche Modelle es sich im Detail handelt, wird sich im Zuge des Beschaffungsprozesses ergeben.“

Statements von E-Scooter-Händlern

Auch E-Scooter-Händler sind von der 250 Watt-Regelung betroffen. Hier zwei Rückmeldungen von den E-Scooter-Händlern Mikrofahrzeuge und Halbknapp, die wir ausfindig gemacht haben:

René Ruzafa-Schweinberger von Mikrofahrzeuge

„Fakt ist aus meiner Sicht, dass die Mikromobilität in Österreich mit dieser Regelung zerstört wird. Durch die geringe Nenndauerleistung von 250 Watt ist ein sinnvoller Betrieb eines E-Scooters kaum möglich. Denn technisch ist ein E-Scooter nicht mit einem E-Bike vergleichbar: Statt eines Getriebe-Mittelmotor erfolgt der Antrieb beim E-Scooter meist über einen direkten bürstenlosen Radnabenmotor und wird voll elektronisch (ohne Tretunterstützung) angetrieben. Beim Pedelec ist zudem eine Gangschaltung verbaut, wodurch das Übersetzungsverhältnis das Drehmoment bestimmt. Nur mit einer Nenndauerleistung um die 600 Watt kann Mikro-E-Mobilität funktionieren, damit auch Steigungen erklommen werden können.“

Bianca Halbknapp vom E-Scooter-Shop Halbknapp Wien

„Diese Neuerung ist für mich als Nutzer aber auch als Händler schockierend. Der tägliche Kontakt mit empörten sowie verunsicherten Kunden erfordert viel Zeit und gute Nerven. Vor allem sind die Stornierungen seit der Video-Veröffentlichung stark gestiegen und ich verzeichne bereits einen Umsatzrückgang von bis zu 50%. Spezialisiert habe ich mich auf hochwertige E-Scooter aber derzeit bietet der Markt keine qualitativ hochwertigen E-Scooter mit 250W Nenndauerleistung. Der Markt für E-Scooter ist rasch gewachsen und nun ist es an der Zeit für praxisnahe und klare Gesetze, welche von allen Beteiligten verstanden werden und tatsächlich sinnvoll umsetzbar sind.“

Wie geht es weiter?

Diese Neufassung hat das Potential, weitreichende Auswirkungen auf die E-Scooter-Landschaft in Österreich zu haben. Denn E-Scooter, die eine Nenndauerleistung von mehr als 250 Watt aufweisen, dürften nun nicht mehr im Straßenverkehr verwendet werden – sofern diese Interpretation korrekt ist. Dies würde sowohl private Nutzer und sehr wahrscheinlich auch Anbieter von Leih-E-Scootern betreffen. Und Fakt ist: Auch viele Händler von E-Scootern sind derzeit stark verunsichert. 

Das unerlaubte Fahren mit solchen Modellen könnte somit ggf. auch schwerwiegende rechtliche und finanzielle Folgen haben, insbesondere im Falle eines Unfalls mit Personenschaden.

Die mediale Aufregung über den Sachverhalt hält sich im Moment noch in Grenzen. Wir sind gespannt, ob eine erneute Abänderung des Gesetzestextes angestrebt wird – oder womöglich mittelfristig auch eine Lösung wie in Deutschland in Betracht gezogen wird: Eigene Fahrzeugklasse für Elektrokleinstfahrzeuge mit eigener Verordnung.

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