Die Elektromobilität kommt, das ist beschlossene Sache. Hierzulande freilich noch nicht, aber Entscheidungen zur Zukunft des globalen Individualverkehrs werden in China gefällt. Nicht hier. Jüngster Streich ist die Elektromarke Byton (sprich: Baiteng) der chinesischen Future Mobility Corporation (FMC). Unter diesem Label bringt derzeit die ehemalige Elektro-Elite von BMW einen Tesla-Konkurrenten mit großen Ambitionen zur Marktreife.
Elektroautos von Byton
Wobei Tesla ein schlechter Vergleich ist, wie Dr. Carsten Breitfeld erklärt. Er ist CEO von Byton und war einst Chef des BMW i8-Entwicklungsteams. Denn Tesla, so seine Meinung, hätte Probleme mit der Verarbeitung. Byton wolle hochwertigere Produkte auf den Markt bringen, die noch dazu deutlich günstiger sein sollen.


Solche vagen Protzformeln ließen sich gedankenlos abtun, hätte Byton neben Breitfeld nicht ein Heer von Experten angeheuert, die wissen, wie so etwas gemacht wird:
- Benoit Jacob war einst Designverantwortlicher der BMW i-Modell
- Henrik Wenders war Marketingleiter für BMW i
- Daniel Kirchert ist heute Präsident von FMC und bei Byton für die Finanzen und den Vertrieb zuständig und war ehemals bei BMW i für den Vertrieb in China zuständig
- Mark Duchesne entwickelte bereits für Toyota und Tesla Werke mit
- Wolfram Luchner war bei Google für die Entwicklung von Benutzeroberflächen zuständig
Angeblich stapeln sich auf Breitfelds Schreibtisch Bewerbungen ehemaliger Weggefährten aus Europa. Die deutsche Presse nennt diese Menschen Abtrünnige (Sueddeutsche) und Dissidenten (Manager-Magazin). Es sagt viel über die Lage der Branche aus, wenn das Anheuern bei einer Firma, die vermeintlich an der Mobilität der Zukunft arbeitet, als Verrat eingestuft wird. Als wäre die Wirtschaft ein Krieg und kein Miteinander. Als hätte nicht jeder das Recht, sein eigenes Glück zu verfolgen. Als hätten die betroffenen Herstellern ihren Angestellten nicht die gleichen Möglichkeiten einräumen können.
Quote für Elektroautos
Möglichkeiten, gutes Stichwort. Denn Byton besteht derzeit aus gerade einmal 250 Angestellten und 240 Millionen Euro Grundkapital. Peanuts aus Sicht der anderen Hersteller, die gerade mit Milliarden um sich werfen. Nur eben vielleicht zu spät.


In China wurden jüngst Quoten für Elektroautos beschlossen. Zum einen, um Arbeitsplätze durch Innovation zu schaffen, zum anderen, um zumindest irgendetwas gegen die Luftverpestung in den Großstädten zu unternehmen. Ab 2019 müssen zehn Prozent der verkauften Autos elektrisch betrieben sein, ab 2020 dann zwölf Prozent. Kommen plötzlich Anbieter qualitativ hochwertiger Elektroautos dazu, wird es für die etablierten Marken nicht leichter, diese Zahlen zu liefern.
Und Byton wird hochwertig sein. Das Einstiegsmodell wird ein SUV sein, das Ende 2019 in China für umgerechnet 35.000 bis 40.000 Euro auf den Markt kommen soll. Mit 4,80 Meter Länge ist er nur wenig kürzer als ein BMW X5. Dazu mit 1,60 Meter Höhe aber flacher. Die Akkus werden zwischen den Achsen liegen, 57 Kilowattstunden Kapazität haben und so zwischen 300 und 400 Kilometer Reichweite garantieren. Die soll gegen Aufpreis erhöht werden können.
Drei Byton-Modelle, eine Plattform
2021 soll eine Limousine, 2022 ein Van folgen. Alle drei Fahrzeuge stehen auf der gleichen Plattform, was die Fixkosten drückt. Durch den Einkauf vor Ort werden außerdem die variablen Kosten nach unten gedreht – um 15 bis 20 Prozent im Vergleich zu europäischen Herstellern, sagt Breitfeld. Die Gewinnschwelle soll bei 200.000 Fahrzeugen pro Jahr liegen, die Fabrik, deren Grundstein vor kurzem gelegt wurde, wird eine Kapazität von 300.000 Stück haben.


Das SUV soll am 7. Jänner auf der Technologiemesse CES in Las Vegas erstmals hergezeigt werden. Ein Anzeichen dafür, wie sich die Schwerpunkte verschieben. Auf der IAA in Frankfurt war Byton nicht zu finden – für eine Pressekonferenz hatten sie lediglich einen Raum in einem nahegelegenen Hotel gebucht.
Auf der CES erreicht das Unternehmen eben auch das Publikum, von dem es sich einen Early-Adopter-Imageschub erhofft. Byton setzt voll auf Digitalisierung und Vernetzung. Erste Bilder des SUV zeigen einen 1,2-Meter langen und 25 Zentimeter hohen Monitor, der sich über die gesamte Breite der Konsole erstreckt. Unterteilt in individualisierbare Sektoren.
Das Auto als Smart Device
Der Innenraum soll so gestaltet sein, dass der Fahrer, der in China durchschnittlich 90 Minuten pro Tag im Auto verbringt, diese Zeit nicht als Verschwendung betrachtet. Die erste Resonanz sei jedenfalls phänomenal, sagt zumindest Breitfeld. Dieses Auto könnte zum ersten Mal die Brücke schlagen, an der bisher alle Autohersteller gescheitert sind. Zu den Techies, den Zockern, den Millennials. Also zu den Menschen, die sich nicht mehr für Autos, wohl aber für Unterhaltungselektronik interessieren.


So zumindest die Hoffnung bei Byton. Der Slogan der Marke ist „Bytes on Wheels“ und der soll gelebt werden. Byton will Smart Devices anbieten. Also digitale Plattformen, die auch mobil sind. Beschleunigungswerte und Supersportler, Aerodynamik und Höchstgeschwindigkeiten seien nicht die Themen, die dieses Marktsegment definieren. Ein Elektroauto kann sportlich sein, das weiß jeder, weil es andere Hersteller längst bewiesen haben. BMW mit dem i8 zum Beispiel.
Byton und Europa
Ob die Marke nach Europa kommt – und wenn ja, in welche Länder – ist derzeit noch offen. 2020 soll der Wagen zunächst in Kalifornien angeboten werden. Das ergibt Sinn, schließlich wird er dort auch zur Marktreife fertig entwickelt. Anschließend könnten weitere US-Staaten folgen und dann, sollte sich der Markt für Elektroautos hierzulande positiv entwickelt haben, auch Europa.
Das bedeutet allerdings auch: Sollten die BMW i-Modelle Erfolg haben, dann kommt Byton und fährt den Münchner in die Parade. Die Spannung steigt.