Autorevue Magazin-Archiv: Ausgabe 01/1985

Ausgabe der Autorevue vom Jänner 1985 mit Cover, Editorial & Impressum

Zuletzt aktualisiert am 08.09.2020

Lieber Leser,

wir sind also zwanzig und ein bisserl ergriffen.

Der Mittelpunkt der Feier sind Sie. Ihre Liebe zu all dem, was unser Wesen ausmacht, hat das Zeitungsmachen zum Fest werden lassen. Das Paradeisgartl am Rand des großen Imperiums blüht und flirrt und schillert, und immer mehr von denen, die bisher nur Tomatenmark kannten, wollen unser Gemüse. Das macht uns zwar glücklich und mutig, aber wir stellen trotzdem nicht auf rationelleren Ackerbau um. Wir wollen noch schönere Paradeiser ziehen, das ist alles. So verstehen wir die liebe Zustimmung, die Sie uns geben.

Als kleinen Dank legen wir Ihnen ein Heft vor, das einer wirtschaftlichen vernünftigen Ausgaben-Einnahmen-Rechnung weder standhält noch standhalten will. Wir haben die Freude gehabt, es zu erdenken und herzustellen, und Sie sollen die Freude haben, es zu lesen. Ich bitte Sie, tun Sie’s sorgsam, denn auch in den hintersten Winkeln ist noch Glitzerndes versteckt.

Lassen Sie mich anstelle großen programmatischen Getöses zwei Artikel dieser Nummer hervorheben. Was mir anläßlich eines 20-Jahr-Jubiläums sehr gefällt, ist die Tatsache, daß die beiden Autoren Twens sind. Das dauernde Nachrücken der Jungen, ihr Können, ihre Kompetenz sind für mich der größte persönliche Erfolg, den ich aus der Autorevue sehe: Wir haben das miteinander erlebt, Schritt für Schritt.

Über David Staretz brauche ich Ihnen nicht viel zu erzählen. Vom Ziel, eine Fachzeitschrift zu einer neuen, eigenen, unbenannten Form journalistischer Leistung zu bringen, wären wir ohne ihn noch sehr viel weiter entfernt. Im Artikel der Prater-Autos (Seite 128) stammt alles von ihm, und das ist typisch: Idee, Erlebnis, Text, Bild, Darstellung und das lockere Überhüpfen von Grenzlinien, die eben nicht mehr die unseren sein sollen.
Dies war durchaus ein Bekenntnis: Wenn schon im Namen der Zeitschrift ein Generalthema vorgegeben ist, eben das Auto, dann wollen wir möglichst oft das Schöne in diesem Thema suchen – egal ob das Schöne auch nützlich ist oder nicht. Aber die Autos im Prater sind eh unheimlich nützlich, wer könnte daran zweifeln. Gern dienen wir auch der Sache. Sache, heißt in diesen Tagen: Gift und Umwelt, Katalysator und Bleifrei. Rudolf Skarics hat für Sie eine Übersicht zusammengestellt, wie sie in dieser ganzheitlichen Art der Darstellung, in Prägnanz und Kompetenz noch nirgendwo erschienen ist. Skarics bezieht natürlich auch Stellung, und einen Auszug davon möchte ich hier zusammenfassen. Er ist gleichzeitig der Tenor der Meinungen aller Autorevue-Redakteure:

Eine Lobby, die bloß jault und immer nur auf „die anderen“ zeigt, wird den Interessen der Autofahrer nicht dienen. Mit dem Beweis, zu ganzheitlichem Denken fähig zu sein, müssen wir vorangehen – und nicht auf die Dümmsten warten.

In einer unendlich komplexen Materie, die erst an ihren Rändern schlaglichtartig erhellt wird, muß der normale Menschenverstand den Mut haben, aus divergierenden Expertenmeinungen Schlüsse zu ziehen, eine eigene Standlinie zu zeichnen: In aller Bestimmtheit gegenüber den selbsternannten Propheten, in aller Demut gegenüber dem riesigen Unerforschten, Ungeklärten.

Wir tun das. Wir glauben, daß unserer Welt, unserer Luft, unseren Wäldern geholfen werden kann, wenn die Autos weniger Mist machen. Wir lehnen den radikalen Autofahrer-Standpunkt ab, daß wir auf die anderen warten müßten, auf die Industrie, die Kraftwerke und das Ausland.

Wir halten den Katalysator für ein geeignetes Mittel. Wir kennen seine Schwächen, kennen aber auch die gigantischen Reserven, deren eine unglaublich intelligente und leistungsfähige Industrie fähig ist. Im Endeffekt wird es so sein, daß uns der Katalysator weder Fahrspaß noch Fahrleistung kosten wird. Geld wird er kosten, das schon.

Wir sind für eine rasche Einführung bleifreien Benzins und von Katalysatoren. Niemand kann beurteilen, wieviel Schaden jedes Jahr Wartezeit verursacht, aber wer will die Verantwortung übernehmen? Außerdem dienen klare Vorgaben auch den ganz banalen wirtschaftlichen Interessen der Branche und allen, die davon leben: Verunsicherung ist geschäftsstörend.

Wir sind für bessere Politiker. Wir fühlen uns schlecht aufgehoben bei den Schwätzern und Taktikern, bei den Opportunisten und Ahnungslosen. Im Moment fehlt es an allem: An Umwelt-Moral, an Fachwissen, an Mut und Klarheit. Das gilt für Koalition wie für Opposition, die Blinden haben den Lahmen nichts vorzuwerfen.

Diese besseren Politiker, die uns so schmerzlich fehlen, wären gewiß in der Lage, das gesamtheitliche Denken, wie wir es ihnen andienen, auf alle anderen Bereiche anzuwenden. Natürlich auf Kraftwerke. Natürlich auf die Industrie. Natürlich mit all den Opfern, die damit verbunden sind.

Eine weitere Herabsetzung des Tempolimits erscheint uns angesichts der ringsum ungenützten gigantischen Möglichkeiten absurd zu sein. Der Gewinn ist minimal und steht in keiner Relation zur Behinderung und Kriminalisierung des Verkehrs. Er wäre bloß eine Alibiaktion überforderter Politiker, die sich am Thema vorbeischummeln wollen, weil sie’s nicht kapieren.

Klarzustellen ist noch, daß wir die österreichischen Verantwortlichen nicht unbedingt für schlechter halten als ihre ausländischen Kollegen. Die Scheiße, die ringsum produziert wird, ist auch nicht schwach. Und daß die Unsrigen zu einem guten Teil von den Drüberen abhängen, soll nicht verdängt werden. Es darf bloß keine ewige Ausrede für das Fehlen von Mut und Klarheit im eigenen Haus sein.

Lesen Sie bitte Rudolf Skarics’ Artikel. Er beginnt auf Seite 34.

Für dieses Heft haben wir all unsere Freunde eingeladen, von Bugatti bis Waldeck, von Prüller bis Zwickl, von Lauda bis Futamura, um zur festlichen Erfrischung beizutragen. Wir haben so wunderbare Gastautoren wie Richard Brautigan, Innes Ireland und Stroker Ace aufgeboten, haben Meister des Pinsels wie Juxi und Manfred Deix gerufen, kurzum: Der Bär ist los, und er ist dick und bunt und lieb und flauschig.

Ein Teil des Heftes ist nach Jahrzehnten gegliedert, von den Sechzigern bis zu den Neunzigern, und wir haben dafür etliche alte Autorevue-Seiten reproduziert, kleine Marksteine am Rand des Weges, wie der Dichter sagt. Den größten Brocken von einem Markstein will ich hier noch kurz betätscheln:

Norbert Orac war ein junger Verleger, besaß einen soliden, aber kleinen Wirtschaftsverlag. Zu sagen, Autofahren sei sein Hobby gewesen wäre lächerlich: Auch auf der Fahrt ins Kino brachte er tadellose Drifts zuwege. Es war überhaupt eine ziemlich heldenhafte Zeit, und ein heißer Ofen war ein heißer Ofen, das konnte man hören und riechen und fühlen mit jeder Bandscheibe.

Martin Pfundner war ein junger Glockengießer, Journalist und Motorsport-Funktionär, international eine ganz große Nummer, bekannt mit Gott und der Welt, von Fangio bis Löwinger. Orac und Pfundner glühten ineinander wie zwei gutartige Kometen und gründeten die Autorevue. Ihre historischen Verdienste sehe ich so:

Orac war ein irrer Autofan, aber außerhalb des Cockpits kühl und clever. Sein Weg, das Blatt mit viel Liebe, aber ohne Wahsinnsaktionen aufzubauen, war der richtige. Fehler, die anderen Blättern das Leben gekosten haben, wurden nicht gemacht. Er hat das kleine Schifferl immer wieder mit Gespür aus Turbulenzen rausgelenkt, und nach ungefähr zehn Jahren wurde aus dem Schifferl ein ordentlicher Dampfer. Der Käptn geht jetzt in Samt und Seide und hält sich eine frisierte Leichtbau-Galeere zum Wasserskifahren.

Pfundner war der Mann mit dem journalistischen Konzept. Es war fabelhaft in seiner Klarheit: Qualität. Und da Österreichs Motorjournalisten erst in der Gehschule waren, hat er die großkalibrigen Ausländer geholt: Frère und Frankenberg und Weitmann und wie sie alle hießen. Die haben einmal die Latte gelegt, und die Zwickls und Prüllers und Höfers haben sich ordentlich zu strecken begonnen. Pfundners Ideen und Politik sind heute so gültig wie vor 20 Jahren: ER hat gekämpft ums jeweils Bessere, ums bessere Bild, um den besseren Text, um die richtige Zahl. Noch was: In seinem Garten gab’s die schönsten Gewächse, bloß Sumpfdotterblumen hatten keine Chance. Es gab nicht die richtige Art Boden für sie, das war im damaligen Umfeld noch weniger selbstverständlich als heute.

Schon wenige Monate nach der Autorevue-Gründung betreten wir insofern historisch gesichertes Terrain, als der Name Axel Höfer auftaucht. Er ist von uns allen am längsten dabei, hat unseren Sportteil zu dem gemacht, was er ist. Und er selbst, der Axel, ist ein Schnucker, heute wie damals, als er einen Angelia Kombi fuhr, der mit Pickerln so voll war, daß man ein Periskop zum Fahren brauchte.

Der Rest der Geschichte ist großteils bekannt, und die Geschichte geht weiter und wird immer spannender.

Wir haben zwanzig Jahre geübt, jetzt geht’s erst richtig los (wie sagte ein alter amerikanischer Präsident, als sie ihn wiederwählten: „You ain’t seen nothin’ yet“).

Die Propheten, wenn sie zu lang geschwafelt haben, sind in die Wüste geschickt worden. So gehe ich halt auch. 1. Jänner Paris, 22. Jänner Dakar, hoffentlich. Wieder mit Reinhard Klein als Fotograf und Kumpel, wieder mit Puch G, was sonst. Dankschön und alles Liebe,

 

Ihr

Herbert Völker