Tamara Schögl
Wildunfall: So reagiert man richtig

Wildunfall: So reagiert man richtig

Welche Folgen ein Wildunfall haben kann, wie man im Ernstfall richtig reagiert und welche Assistenzsysteme das Unfallrisiko senken können.

Zuletzt aktualisiert am 13.04.2024

2022 wurden in Österreich bei Wildunfällen 334 Personen verletzt (davon 58 schwer), eine Person kam ums Leben (Quelle: Statistik Austria / Kuratorium für Verkehrssicherheit). 41.508 Rehe (davon 11.885 Jungtiere), 17.469 Hasen, 5.115 Fasane, 2.851 Füchse, 1.316 Dachse, 1.643 Marder, 321 Iltisse und 199 Wiesel wurden alleine im Vorjahr bei Verkehrsunfällen getötet.

Wie man nach einem Wildunfall richtig reagiert bzw. einem solchen generell vorbeugen kann, erfahrt ihr hier.

Höchstes Risiko eines Wildunfalls

Besonders häufig kommt es in der Dämmerung sowie nachts zu Kollisionen mit Rehen, Wildschweinen und Co. „46 Prozent aller Wildunfälle mit Personenschäden ereignen sich bei Dunkelheit und 11 Prozent bei Dämmerung“, erklärt Mag. Christian Schimanofsky, Direktor des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KfV).

Kfz-Lenker:innen sollten sich zudem bewusst sein, dass das Risiko eines Wildunfalls entgegen einer weit verbreiteten Annahme nicht nur im Herbst gegeben ist: Bereits im Frühling kommt es alljährlich zu einem sprunghaften Anstieg derartiger Zwischenfälle.

Große Gefahr für Motorradfahrer

Wildunfälle sind nicht nicht nur für Autofahrende und die Tiere, sondern auch für Motorradfahrer:innen eine nicht zu unterschätzende Gefahr. Bei jedem fünften Wildunfall in der Saison 2018/2019 war ein Motorrad beteiligt. Das Verletzungsrisiko ist dabei besonders hoch: Kollisionen zwischen Motorrädern und Wildtieren enden laut Angaben des Kuratoriums für Verkehrssicherheit fast immer mit Verletzungen der Biker.

Häufigste Ursachen für Wildunfälle

Wie in der allgemeinen Unfallstatistik auch, ist bei Wildunfällen mit Personenschaden ebenfalls „Unachtsamkeit und Ablenkung“ die häufigste Ursache (53 Prozent). Darauf folgt „nichtangepasste Geschwindigkeit“ mit 38 Prozent (Quelle: Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs VVO).

Vorbeugende Maßnahmen

Als effektive Maßnahmen, um Wildunfällen vorzubeugen, sind daher insbesondere erhöhte Achtsamkeit sowie eine angepasste Geschwindigkeit – insbesondere in Gefahrenzonen – hervorzuheben. Aber auch Assistenzsysteme können zur Vermeidung von Wildunfällen hilfreich sein.

ÖAMTC Wildunfall-Crashtest

Um zu veranschaulichen, welche schwerwiegenden Folgen eine Kollision mit einem Wildtier haben kann, hat der ÖAMTC im Jahr 2020 gemeinsam mit seinen Partnerclubs einen Crashtest mit einem realistisch nachgebildeten, 180 kg schweren Wildschweinkeiler durchgeführt.

Das eindrucksvolle Ergebnis: Beim Zusammenprall wirkt kurzzeitig eine Kraft auf die Insassen, die dem zehnfachen Körpergewicht entspricht.

Richtige Reaktion ist entscheidend

„Am Auto entstand erheblicher Schaden, die Insassen blieben jedoch unverletzt. Dieser Umstand verdeutlicht, dass Verletzungen von Fahrzeuginsassen bei Wildunfällen meist nicht durch den direkten Aufprall des Tieres sondern durch falsche bzw. panische Reaktionen entstehen“, erklärte ÖAMTC-Verkehrstechniker Felix Etl. Misslungene Ausweichmanöver, durch die die Autos auf die Gegenfahrbahn gelangen oder gegen ein Hindernis am Straßenrand prallen, sind dabei am gefährlichsten. „Das bedeutet im Umkehrschluss, dass das Verletzungsrisiko für Pkw-Insassen bei Wildunfällen deutlich geringer ist, wenn der Fahrer richtig reagiert – das heißt bremsen, Lenkrad gut festhalten und unbedingt in der Spur bleiben. Um Auffahrunfälle zu vermeiden, sollte der Abstand zum Vorderfahrzeug vergrößert werden, wenn mit Wildwechsel zu rechnen ist“, so der Experte.

Achtung: Ob eine Vollbremsung, die für den Nachfolgeverkehr gefährlich werden könnte, gerechtfertigt ist, hängt auch von der Größe des Tieres ab. Kommt es in Folge einer Notbremsung zu einem Auffahrunfall, muss man bei kleinen Tieren unter Umständen einen Teil des Schadens selbst übernehmen – auch, wenn der nachfolgende Fahrer zu wenig Abstand gehalten hat.

Ein Wildunfall wird bei einem Crashtest simuliert.
© Bild: Uwe Rattay

Beide Straßenseiten im Blick behalten

Das Kuratorium für Verkehrssicherheit weist darauf hin, dass Studien zufolge 80 Prozent der Autofahrer unbewusst damit rechnen, dass Wildtiere von rechts – also vom Straßenrand – auf die Fahrbahn kommen. Tatsächlich queren Tiere die Fahrbahn jedoch von beiden Seiten gleichermaßen, weshalb Auto- und Motorradfahrer beide Straßenseiten im Blick behalten sollten.

Assistenzsysteme senken das Risiko eines Wildunfalls

Bei der richtigen Reaktion auf plötzlich auftauchende Hindernisse wird der Fahrer in modernen Autos von diversen Assistenzsystemen unterstützt. Der ÖAMTC und seine Partner haben auch die Effektivität dieser Helfer in Hinblick auf die unfreiwillige Begegnung mit einem Wildtier getestet – mit folgenden Ergebnissen:

  • Notbremsassistenten reagierten im Test des ÖAMTC nur eingeschränkt auf den Wildschwein-Dummy. Teilweise wurde eine Warnung abgegeben, Notbremsung wurde aber keine eingeleitet. Im ÖAMTC-Test wurden die serienmäßig verbauten Notbremssysteme der Modelle Mitsubishi Eclipse Cross und VW T-Cross getestet, die bei der Vermeidung von Auffahrunfällen sowie Unfällen mit Fußgängern und Radfahrern gute Ergebnisse liefern. Der ÖAMTC plädiert daher für eine Weiterentwicklung dieser Systeme, sodass künftig auch bei auf die Fahrbahn laufenden Tieren eine Notbremsung eingeleitet werden kann.
  • Radarsensoren und Infrarotkameras waren im Test besonders genau bei der Erkennung von Tieren, ihre Reichweiten und Genauigkeit auch bei Dunkelheit oder Nebel hoch. „Durch den Einsatz von Radarsensoren könnte bei Wildwechsel nicht nur das Risiko für die Fahrzeuginsassen reduziert, sondern auch zahlreiche tote Wildtiere vermieden werden“, sagt Etl.
  • Nachtsichtassistenten schnitten im Test von ÖAMTC und Partnern gut ab: Die Systeme arbeiten mit Infrarotkamera, werden bei Dunkelheit aktiv und geben ein audiovisuelles Warnsignal ab, wenn Fußgänger oder Tiere erkannt werden. Das exemplarisch getestete Nachtsichtssystem „Night Vision“ von Peugeot wurde von den Experten als hilfreich und leicht verständlich bewertet, ein Nachteil ist allerdings, das solche Assistenten nur in der Oberklasse oder gegen Aufpreis verfügbar sind.

Externe Wildwarner-Systeme

Weritere wirkungsvolle Mittel gegen Wildunfälle sind etwa optische Wildwarner, die das Licht der Autoscheinwerfer in die umliegende Landschaft lenken und so die Wildtiere verschrecken bzw. davon abhalten sollen, die Fahrbahn zu kreuzen.

Aber auch akustische Wildwarner werden eingesetzt, die einen abschreckenden Warnton von sich geben, sobald sich ein Auto nähert. Der Vorteil gegenüber Wildzäunen liegt darin, dass die Tiere nicht grundsätzlich am Überqueren einer Straße gehindert werden, sondern nur dann, wenn Gefahr (für Mensch und Tier) im Verzug ist.

Anhalteweg mit dem Auto

Grafik zum Thema Anhalteweg beim Wildunfall.
© Bild: ADAC

Wo werden Wild-Warnschilder aufgestellt?

Warnschilder für Streckenabschnitte mit vermehrtem Wildwechsel werden dort aufgestellt, wo statistisch betrachtet auch tatsächlich eine große Anzahl von Wildtieren die Straßen kreuzt. Das ist zum Beispiel bei Übergangsbereichen zwischen Wald und Feld der Fall. Eine Analyse des Kuratoriums für Verkehrssicherheit hat allerdings ergeben, dass Wildwechselschilder häufig nicht ernst genommen und ignoriert werden, sprich: Die Geschwindigkeit wird nicht gedrosselt.

Aufprallgewicht von Tieren beim Wildunfall

Grafik zum Thema Aufprallgewicht der Tiere beim Wildunfall.
© Bild: ADAC

Wildunfall: Was tun?

Nach einem Unfall muss, wie üblich, die Gefahrenstelle abgesichert werden. Außerdem besteht bei einem Wildschaden eine unverzügliche Verständigungspflicht (§4 Abs. 5 der Straßenverkehrsordnung) – selbst dann, wenn ein Wildtier nur angefahren/verletzt wurde und anschließend weitergelaufen ist. Ist das Tier verendet, ist es außerdem verboten, dieses mitzunehmen – auch nicht zum Tierarzt oder Jäger. Auch in diesem Fall gilt: Umgehend die Exekutive verständigen.