„Schummeln“ bei der Führerscheinprüfung: (K)ein Kavaliersdelikt

Schummeln bei der theoretischen Führerscheinprüfung: Ein überraschendes OGH-Urteil.

Christian Gaisböck
Zuletzt aktualisiert am 24.02.2024

Eine Handykamera, die durch ein kaum erkennbares, kleines Loch im Pullover den PC-Bildschirm und somit die Prüfungsfragen abfilmt. Die Übertragung der Bilder und somit der Prüfungsfragen der theoretischen Führerscheinprüfung an Helfer außerhalb der Fahrschule, die Antworten per Funk bzw. Bluetooth an einen „Knopf“ bzw. ein Hörgerät im Ohr des Prüfungskandidaten: Dieses System wurde 2018 zuerst in Oberösterreich, in weiterer Folge im gesamten Bundesgebiet aufgedeckt.

"Schummeln" bei der Führerscheinprüfung: (K)ein Kavaliersdelikt
Auf den ersten Blick kaum zu erkennen: In einem der Buchstaben befindet sich ein Loch. © Bild: Polizei

Organisierter Betrug?

Dass diese Masche höchstwahrscheinlich keine Einzelfälle waren, sondern eine organisierte Gruppe hinter diesen Vorfällen steckt, hierfür gab es mehrere Indizien. Denn es sind laut damaligen Angaben der Polizei bereits mehrere Kandidaten beim versuchten Betrug aufgeflogen. Diese haben auch zugegeben, für die Hilfe von außen bezahlt zu haben – von Beträgen von bis zu 2000 Euro war die Rede.

Josef Hanl, Leiter der Sicherheits- und Verwaltungspolizeilichen Abteilung in OÖ, in einer Stellungnahme dazu: „Ich denke, dass die Masche in ganz Österreich angewandt worden ist„. Und weiter: „Bei den vier Kandidaten – Frauen und Männer – handelt es sich vorwiegend um Zuwanderer mit festem Wohnsitz in Oberösterreich“ (Beitrag der OÖ Nachrichten).

"Schummeln" bei der Führerscheinprüfung: (K)ein Kavaliersdelikt
Das „R“ ist nicht zufällig gewählt. Befindet es sich doch mittig im T-Shirt und bietet mit seinem kleinen inneren Kreis eine perfekte Rundung für ein Loch. © Bild: Polizei

Per PC-Fernzugriff zum Führerschein

Von einer technisch noch ausgereifteren Variante berichtete hingegen das „ZIB Magazin“ des ORF. Dem Syrer Ahmad Mansur wurden demnach 2000 Euro für einen ergaunerten Führerschein angeboten, worauf hin der 38-Jährige sich an die Redaktion der ORF 1-Information wandte. Mit versteckter Kamera ausgerüstet traf Mansur schließlich den Mittelsmann, der ihm im Detail erklärte, wie der Führerscheinbetrug ablaufen sollte: Der Prüfungscomputer würde per Fernzugriff vollständig übernommen werden, die Prüfungsfragen von außen beantwortet werden. Die Rolle des Führerscheinprüflings beschränke sich darauf, so zu tun, also würde er am Prüfungs-PC tippen.

Nach dem Gespräch mit dem Mittelsmann wurde die Polizei eingeschaltet, Ermittlungen wurden aufgenommen. Die Beweise reichten letztendlich aber nicht für eine Anklage – die Ermittlungen mussten eingestellt werden.

Strafen bei Betrug oder versuchtem Betrug bei der Führerscheinprüfung?

Derartige Machenschaften werden – so die vorherrschende Meinung vor dem OGH-Urteil 2023 – nach §228 des Strafgesetzbuches („Mittelbare unrichtige Beurkundung oder Beglaubigung“.) abgehandelt.

Der vollständige Gesetzestext im Wortlaut

„Wer bewirkt, dass gutgläubig ein Recht, ein Rechtsverhältnis oder eine Tatsache in einer inländischen öffentlichen Urkunde unrichtig beurkundet oder an einer Sache ein unrichtiges öffentliches Beglaubigungszeichen angebracht wird, ist, wenn er mit dem Vorsatz handelt, dass die Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis des Rechtes, des Rechtsverhältnisses oder der Tatsache gebraucht werde oder die Sache im Rechtsverkehr gebraucht werde, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen.“

Überraschung: Urteile wegen Schummeln beim Führerschein aufgehoben

Aber: Wer bei der theoretischen Führerscheinprüfung schummelt, muss offenbar doch keine strafrechtliche Verfolgung befürchten. So urteilte der OGH und hob im Juli 2023 ein Urteil des Bezirksgerichts Graz-Ost auf. Dort wurden zuvor drei Personen verurteilt wegen „mittelbar unrichtiger Beurkundung im Amt (§ 228 StGB)“. Das Urteil wurde aufgehoben, da laut OGH der „gegenständliche Sachverhalt“ nicht unter den § 228 StGB falle.

Folgenlos bleibt die Schummelei für die Betroffenen dennoch nicht: Die Prüflinge werden nach einem neuen Passus im Führerscheingesetz für neun Monate bis zum nächsten Prüfungsantritt gesperrt.

Der Obmann des heimischen Fachverbandes der Fahrschulen, Joachim Steininger aus Steyr, meint dazu in den Salzburger Nachrichten: „Das ist extrem unbefriedigend. Für mich sind das die Auswüchse des Rechtsstaates.“ Als Lösung schlägt er vor, Störsender während der Prüfungen zu aktivieren, aber „das gehe bisher nicht„.

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