Archiv/Carmen Spatafora
Der Ferrari 250 GTE im Polizei-Ornat.

Ferrari 250 GTE: Der schwarze Panther

Im Rom der frühen Sechziger sorgt ein Ferrari 250 GTE im Polizeidienst für Aufruhr in der Unterwelt und reift zur Stadtlegende.

Veröffentlicht am 07.11.2022

Bitte seit nicht zu streng mit der folgenden Geschichte über den Ferrari 250 GTE, sie ist immerhin vor mehr als fünfzig Jahren passiert. Zudem schmücken Tageszeitungen derartige Heldenepen allzu gern aus oder helfen dem Drama mit einer Prise Pathos auf die Sprünge (die italienischen sind da sicher keine Ausnahme). Ewige Weitererzählerei hat noch dafür gesorgt, dass heute eine ganze Anzahl von Versionen kursiert. Egal, wir wenden uns jetzt einfach der glorreichsten von allen zu und verschieben das langweilige Relativieren auf später.

Rom!

Protagonist ist Armando Spatafora, ein Brigadiere (fragt nicht, welchem österreichischen Rang das entspricht), der ab Mitte der Fünfziger im Dienst der römischen Squadra Mobile – ungefähr die Streifenpolizei – steht.

Ferrari 250 GTE: Der schwarze Panther
Brigadiere Armando Spatafora © Bild: Archiv/Carmen Spatafora

Brigadiere Spatafora ist dem Vernehmen nach ein echter Vollblutpolizist, talentiert und tugendhaft, jemand, dem die ganz großen Aufgaben anvertraut werden. An solchen mangelt es zu Beginn der Sechzigerjahre nicht, denn in der römischen Unterwelt vollzieht sich gerade ein Wandel weg vom klassischen Ganoventum mit entsprechender Ehre hin zur organisierten und skrupellosen Mafia. Die Clans operieren im Verborgenen und innerhalb geschlossener Gruppen, weshalb mit der klassischen Streife, die sich zu Fuß oder im Alfa 1900 auf den Gemüsemärkten Informationen zu erplaudern versucht, kein Staat mehr zu machen ist. Modernes Equipment ist gefragt, um das Überhandnehmen der Malavita zu verhindern.

Die Lage ist eine ernste

Bei einer Visite von hohen Würdenträgern der römischen Exekutive soll sich nun Folgendes abspielen (frei aus dem Italienischen):

„…nachdem ihm die Situation dargelegt worden ist, richtet der Polizeipräfekt den Blick in und eine Frage an die Runde der anwesenden Streifenpolizisten: ‚Was genau benötigen Sie, mein Herren?‘. Daraufhin löscht der bis dahin schweigende Brigadiere Spatafora seine Zigarette, steht auf und sagt mit fester Stimme: ,Was wir brauchen, Exzellenz, ist ein Ferrari!‘…“

Ferrari 250 GTE: Der schwarze Panther
© Bild: Archiv/Carmen Spatafora

Nicht schlecht, oder?

Auftrag für den Ferrari 250 GTE La Pantera Nera

Der Präfekt zeigt sich jedenfalls einsichtig und schickt 1962 eine Bestellung gen Maranello. Dort macht der Commentatore zwei Ferrari 250 GTE zurecht, im klassischen Streifenwagen-Schwarz, mit Blaulicht am Dach und dem Schriftzug Squadra Mobile über den Notrufnummern an Fahrer- und Beifahrertür. Beide Kotflügel ziert außerdem das Abzeichen der Streifenpolizei, ein schwarzer Panther auf einem Pfeil, La Pantera Nera.

Der Ferrari 250 GTE im Polizei-Ornat.
Der Ferrari 250 GTE im Polizei-Ornat. © Bild: Archiv/Carmen Spatafora

Innerhalb von Enzo Ferraris Portfolio ist der 250 GTE sicherlich das polizeitauglichste Fahrzeug, zumal das Modell zart in Richtung Platz und Komfort getrimmt worden ist. Als erster richtiger Serien-Ferrari soll der 2+2 bei Pininfarina fast tausend Mal gefertigt werden, was der wirtschaftlichen Bilanz in Maranello guttut. Den Kunden tut im Gegenzug der Dreiliter-V12 mit 240 PS gut.

Einer kommt durch

Die Römer quittieren den Empfang von zwei Stück Ferrari 250 GTE (ob gratis oder nicht ist schwer zu sagen), allerdings ist einer der beiden schon zu Beginn in einen tödlichen Unfall verwickelt. Der abergläubische Enzo holt das zweifellos vom Beelzebub selbst besessene Wrack umgehend nach Hause und lässt es dort erst entzweien und dann verschrotten.

Ferrari 250 GTE: Der schwarze Panther
Spatafora (3. von links) & Co beim Fahrtraining. © Bild: Archiv/Carmen Spatafora

Der andere Ferrari 250 GTE hat hingegen mehr Glück. Zusammen mit Armando Spatafora, der bei den Fahrübungen auf der Ferrari-Teststrecke echtes Renntalent durchscheinen lässt, scheucht fortan eine kleine Gruppe Auserwählter den Ferrari durch die Stadt, um Recht und Ordnung unter die Arme zu greifen. Selten enden die Schichten ohne Verhaftung eines Delinquenten und schon bald beschwören sich die Unterweltelemente gegenseitig, bei der nächtlichen Ausführung finsterer Pläne besonders gründliche Ausschau nach dem gefürchteten Spatafora zu halten. Der versteckt sich in keinster Weise, sondern kündigt sein Kommen ganz im Gegenteil stets per Sirene an. Nur in den Straßen unter des Pontifex Fenster gilt striktes Lärmverbot, denn schließlich rechtfertigt keine noch so edle Pflicht die Störung der päpstlichen Nachtruhe.

Ferrari 250 GTE: Der schwarze Panther
Nachtschicht. © Bild: Archiv/Carmen Spatafora

Und obwohl sich der fähige Armando nie wie Frank Bullitt gebart, sondern ein stets korrekter und korrekt uniformierter Familienvater ist, macht er sich endgültig zur Legende als er einem besonders verwegen Flüchtenden die Spanische Treppe hinunter folgt. Auf seinen treuen Dienstferrari nimmt er dabei keine Rücksicht, doch jener übersteht die Tortur wohl recht unverletzt und der vom forschen Einsatz seines Verfolgers perplexe Bösewicht kann – selbstverständlich – gestellt werden.

In der Art geht es weiter bis man den Ferrari zirka 1968 außer Dienst stellt und Spatafora in den Rang eines Marasciallo (Marschall?) und folglich in ein Büro befördert wird.

Genügend Legende, für ein Drehbuch

Das fertige Machwerk mit Namen Il poliziotto sprint nimmt in Qualität und Plot sehr weitgehend den ersten Teil von The Fast and the Furious vorweg, basiert also mehr als lose auf der Geschichte des korrekten Armando. Beide Filme sind keine Meilensteine der Filmkunst, aber man muss zugeben, dass der italienische den legendären Vorfall auf den Stufen des römischen Wahrzeichens wirklich spektakulär nachstellt. Eine Flavia verfolgend tscheppert ein (im Filmjahr 1977) schon etwas ergrauter 250 GTE die echte(!) Spanische Treppe hinunter, dass es einem das Herz erweicht. Der Lancia rollt und überschlägt sich übrigens bis ganz unten (bitte verzeiht das Vorwegnehmen).

Für maximalen Effekt lässt der Regisseur gleich drei nationale Wahrzeichen aufeinander los: Ferrari, Lancia & die Spanische Treppe, zu sehen ab Minute 48.

Von Helden und Spielverderbern

Soviel nun zum Heldenepos. Aber wie einleitend angedeutet, gibt es auch in diesem Fall chronische Spielverderber, die gerne Haare in Suppen und Unstimmigkeiten in fantastischen Geschichten finden. Manch einer meint zum Beispiel, dass der Ferrari hauptsächlich zu Repräsentationszwecken angeschafft wurde und die schnellen Einsätze in der Innenstadt und auf den neuen Autostrade eher Aufgabe der gleichzeitig bestellten Alfa 2600 waren. Der 250 durfte derweil Kennedy durch die ewige Stadt eskortieren. Sogar vor dem Kronjuwel der schönen Story machen die bösen Besserwisser nicht halt: Dass Spatafora einst einen Spitzbuben bis zur berühmten Treppe verfolgt hat, bestreitet zwar keiner, aber nachdem die fliehende Aurelia schon an den obersten Stufen steckengeblieben war (das einzige dazu erhaltene Foto zeigt eben das), seien Jäger und Gejagter den Rest eher zu Fuß hinab geeilt. Zudem ist das Ganze wohl schon 1960 passiert, zwei Jahre vor des Ferraris offizieller Indienststellung Ende 1962.

Ferrari 250 GTE: Der schwarze Panther
Lancia Aurelia auf berühmten Stufen. © Bild: Archiv/Carmen Spatafora

Gewisse Erzähler haben auch so offensichtlich Elemente aus dem Film mit der Wirklichkeit verwoben, dass man laut auflachen möchte.

Ferrari 250 GTE: Der schwarze Panther
Inzwischen ist der pensionierte Beamte zum Sammlerstück gereift. © Bild: Archiv/Carmen Spatafora

Keine Zweifel über Armandos Fähigkeiten

Alle sind sich aber einig, dass der gute Spatafora ein Ausnahmekiberer war und es auch unabhängig vom Ferrarispektakel in die Annalen der römischen Polizei geschafft hätte. Er verstarb 1987, seine Tochter Carmen hat seine Erzählungen zusammengefasst und 2009 in Buchform (Il poliziotto con la Ferrari) veröffentlicht.

Der berühmte Ferrari wurde irgendwann in private Hände abgegeben und gehört heute einem Sammler in Italien. Sein ausgezeichneter – und vorgeblich unrestaurierter – Zustand lässt nicht wirklich auf mehrjährigen Dienst als innerstädtischer Abfangjäger schließen.