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NEFZ: Legalisiertes Doping

Der aktuelle Normverbrauchszyklus, NEFZ, ist realitätsfern. Das größte Problem: den Betrug zu legalisieren wäre noch das kundenfreundlichste.

Veröffentlicht am 14.11.2014

Die Kluft zwischen den Realverbräuchen und den Verbrauchsdaten der Hersteller wird immer größer. Im Schnitt verbrauchen Fahrzeuge 31 Prozent mehr als der Hersteller angibt. Die größte Differenz ergibt sich bei Mercedes (40 Prozent), Ford und BMW (jeweils 33 Prozent). Autofahrer würden so im Schnitt 500 Euro mehr pro Jahr für Sprit ausgeben, als sie – auf Basis der angegebenen Werte – kalkuliert hätten. Diese Zahlen stammen von einer Studie der „Organisation Transport & Environment“ (T&E) aus Brüssel. Eine Umwelt-Lobbyorganisation. Für ihre Studie haben sie die Werksangaben der Hersteller mit den Alltagsdaten von spritmonitor.de verglichen. So weit, so legitim.

NEFZ: Tour de France mit legalisiertem Doping

Mercedes vor BMW und Ford. Glückwunsch zur goldenen Ananas.
Mercedes vor BMW und Ford. Glückwunsch zur goldenen Ananas.

Die Kritik an den Messdaten ist so alt wie das Verfahren selbst (so funkioniert der NEFZ). Nämlich rund 30 Jahre. So dehnen die Hersteller die Regeln dieses Messverfahrens so weit es nur geht. Die Autos sind mit einer abgeklemmten Lichtmaschine unterwegs, die Messtoleranz wird in voller Höhe (vier Prozent) zu Gunsten der Hersteller kalkuliert, Felgen und Türspalte sind abgeklebt, die Autoreifen sind mit erhöhtem Druck montiert, Spur und Sturz der Fahrzeuge werden verändert, die Autos sind in der leichtesten Konfiguration unterwegs… undundund.

Zu Gute halten muss man dem Test, dass niemand wirklich daran glaubt, dass er tatsächlich Alltagsverbräuche abbilden würde. Was als größtes Pro-Argument schon traurig genug ist. Der Verbrauchstest soll eine Messmethode sein, mit gleichen Bedingungen für alle Hersteller, die damit vergleichbare Werte produzieren. Weil sie, zugespitzt formuliert, alle auf gleichen Niveau bescheißen. Genau genommen ist es wie eine Tour de France mit legalisiertem Doping.

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Glaubt denn wirklich jemand, dass der NEFZ die Realverbräuche abbilden würde?

Realistischer Standard nicht absehbar

Doch es gibt tatsächlich Bemühungen, einen realitätsnäheren Messzyklus zu entwickeln. Die, wir verraten das Ergebnis und zerstören die Spannung, scheitern werden. Autohersteller rund um den Globus wollen die „Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure“ (WLTP) einführen. Angeblich. Doch hier prallen die Egos aufeinander. Denn der NEFZ wurde von Europäern, Japanern und Indern entwickelt. Ein weltweiter einheitlicher Prozess müsste Chinesen und Amerikaner inkludieren. Allesamt mit anders gelagerten Interessen, unterschiedlich fokussierten Autokonzepten und bipolarem Straßenalltag.

Doch auch wir Europäer, also wir Bürger, können überhaupt kein Interesse an einer Umsetzung eines neuen Zyklus haben. Sämtliche Verbrauchs- und Abgaslimits, Steuerinstrumente und Infrastrukturpläne, die von unseren Regierungen beschlossen wurden, basieren auf den NEFZ Daten. Ein neuer, realitätsnaher Zyklus würde den bisherigen Flottenverbrauch mit einem Schlag um 25 Prozent nach oben katapultieren. Die Kosten für die Autohersteller oder für die Politik wären immens. Das Problem lösen, hieße zu überlegen, wem wir das Geld überweisen.

Vorbild USA

Auch die Autolobbyisten sind von der Idee nicht begeistern. Entsprechend soll die Einführung des WLTP, der für 2017 als europäischer Standard geplant wäre, bis mindestens 2022 herausgezögert werden. Damit gerät die Autoindustrie aber in eine Spirale des Selbstbetrugs. Denn T&E gibt an, dass die Abweichung zwischen Realität und Herstellerangaben im Jahr 2001 bei lediglich acht Prozent lag. Oder anders: die Hersteller konnten die Testmanipulation stärker verbessern, als sie den tatsächlichen Verbrauch senken konnten.

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Der angestrebte, neue Zyklus kommt zu spät.

In den USA sind Vorgaben zu Verbrauchsangaben sehr viel strenger. So musste der Hyundai-Kia-Konzern 600 Millionen Euro Strafe an die US-Umweltbehörde zahlen, weil die Werksangaben zu niedrig waren. Sogar Ford musste zahlen. T&E nahm diese drakonischen Strafen zum Anlass, die US-Vorgehensweise als Vorbild zu empfehlen.