Andreas Riedmann
eCall: Meilenstein der Sicherheitstechnik oder der nächste Schritt zur totalen Überwachung?

eCall: Meilenstein der Sicherheitstechnik oder der nächste Schritt zur totalen Überwachung?

Alles zum Thema eCall: Ab wann ist es verpflichtend? Welchen Zweck hat es, wie funktioniert das System und wie sieht es eigentlich mit dem Datenschutz aus?

Zuletzt aktualisiert am 18.10.2021

Ende März 2018 ist es soweit: Alle neu genehmigten Pkw-Modelle in der EU müssen ab diesem Zeitpunkt mit dem automatischen „eCall“-System (eCall für „emergency call“) ausgestattet sein.

Erste Tests ergaben: Damit können in Zukunft noch mehr Menschenleben im Straßenverkehr gerettet werden – aber auch der Schritt zum „gläsernen Autofahrer“ scheint damit, zumindest aus technischer Sicht, nicht mehr groß.

Welchen Zweck hat eCall?

eCall, die Kurzform für „emergency call“, ist ein Projekt der eSafety-Initiative der Europäischen Kommission, das bereits seit Jahren vorangetrieben wird. Hersteller sind ab 31.März 2018 verpflichtet diese Technologie in alle neuen Pkw-Modelle und leichten Nutzfahrzeuge einzubauen. Ziel ist es, mit der automatischen Verständigung von Rettungskräften durch eCall die Zahl der Verkehrstoten nach Unfällen zu senken.

eCall: Meilenstein der Sicherheitstechnik oder der nächste Schritt zur totalen Überwachung?
© Bild: Europäische Kommission

Wie funktioniert eCall?

Bei einem Unfall wird, mittels der dafür im Fahrzeug verbauten SIM-Karte, ein automatischer Notruf („eCall“) an die Euronotrufnummer 112 bzw. ein „Minimaldatensatz“ an eine Notrufzentrale absetzt. Der Notruf soll auch manuell, z.B. durch Drücken eines verbauten Notfallknopfes, abgesetzt werden können.

Dieser Minimaldatensatz enthält Angaben zum Unfallzeitpunkt, die exakten Koordinaten des Unfallortes, zur Fahrtrichtung (u.a. wichtig bei Unfällen auf Autobahnen) aber auch die Fahrzeug-ID, Service-Provider-ID und eCall-Qualifier, also ob der Notruf automatisch oder manuell gesetzt wurde.

Zusätzlich ist es aber, je nach technischer Ausstattung, auch möglich, dass z.B. Daten von Bord-Sicherheitssystemen übermittelt werden, die Aufschluss über die Schwere des Unfalles geben können; auch die Anzahl der Fahrzeuginsassen kann so theoretisch übermittelt werden, oder auch ob die Sicherheitsgurte angelegt waren oder sich das Fahrzeug überschlagen hat.

In Summe soll mit der automatischen und somit rascheren Übermittlung dieser Daten eine noch schnellere, zielgerichtete Koordination der Hilfe von Rettungskräften erreicht werden.

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© Bild: Andreas Riedmann
Im Kreis zu sehen: Der SOS-Knopf.

Die Bedenken: Der Datenschutz

Es ist zu erwarten, dass durch eCall tatsächlich viele Menschenleben gerettet werden können. „Bezahlt“ werden muss dieser Fortschritt aber mit einer Technologie, die auch für andere Zwecke eingesetzt werden könnte – Stichwort „gläserner Autofahrer“.

Denn trotz, auf den ersten Blick, bester Absichten, bietet das eCall-System theoretisch auch die Grundlage, eine Überwachungs-Infrastruktur aufzubauen, die nicht im Sinne der Autofahrer sein kann. Dieser Meinung ist auch Bernhard Wiesinger, Chef der ÖAMTC-Interessenvertretung: „Neben dem Plus an Sicherheit für alle Verkehrsbeteiligten gibt es unsererseits allerdings auch datenschutzrechtliche Bedenken (…) Die Technologie kann auch für andere Zwecke als den automatischen Notruf genutzt werden“.

Daten sammeln für kommerzielle Zwecke?

So könnten die verbauten SIM-Karten Daten sammeln, die direkt an den Auto-Hersteller gesendet werden, wie z.B. Informationen über die Fahrtstrecke, Standort des Fahrzeuges oder auch das allgemeine Fahrverhalten des Lenkers.

Diese Daten sind etwa auch für Versicherungsunternehmen oder Vertragswerkstätten äußerst interessant, die anhand der ausgewerteten Daten „maßgeschneiderte“ Verträge („pay-as-you-drive-Versicherungsverträge) und Leistungen anbieten können – ohne Zustimmung des Fahrzeugbesitzers.

In solchen Zusatzdiensten liegt wohl auch die Gefahr hinsichtlich Datenschutz – denn die momentan ausgearbeiteten Datenschutzbestimmungen dieser Verordnung gelten ausschließlich für den eCall-Notruf, nicht aber für andere „Zusatzdienste“. Das Ausmaß der tatsächlichen Datenaufzeichnung durch eCall wird seitens der Hersteller bisher nicht publik gemacht – mit „gutem“ Grund?

Europaweiter Versichererverband hat Interesse an Daten

Fakt ist: Der europaweite Versichererverband Insurance Europe hat bereits offiziell Interesse daran gezeigt, dass Versicherungsunternehmen Zugriff auf eCall-Daten erhalten. Nicht zuletzt deshalb wird von Experten gefordert, dass die eCall-Funktion vom Fahrer manuell ausgeschaltet und so selbst über die Datenübermittlung entschieden werden kann. Damit würden aber auch die sicherheitstechnischen Vorteile mit einem Knopfdruck“ausgeschaltet“, was nicht Sinn der Verordnung sein dürfte. Vielmehr erscheint es sinnvoll, die Verordnung soweit „nachzubessern“, dass die sicherheitsrelevanten Aspekte erhalten bleiben, aber dennoch die informationelle Selbstbestimmung für jeden einzelnen Autofahrer erhalten bleibt.