Der De Tomaso Mangusta sah aus wie ein Supersportwagen, war aber ein kompromissloses Renneisen. Das merken heute alle, die das Einsteigen schaffen und rechtzeitig vor dem Regen auch wieder aussteigen.
Dieses Auto ist so gnadenlos, dass vermutlich vergessen wurde, die beiden Sitzplätze einzukonstruieren. Man spürt das sofort, wenn man drinsitzt, aber so weit muss man erst einmal kommen: Wer, sagen wir, die 1,70 Meter und 65 kg überschreitet, ist im Nachteil, und wer deutlich drüber liegt, ist chancenlos. Man merkt das, wenn man die Fahrertür öffnet, verdammt tief unten einen Sitz sieht, ein Lenkrad und kaum Platz dazwischen, und von Ratlosigkeit befallen wird, mit welchem Körperteil das Einsteigen beginnen möge.


Es ist nicht weit zur Riemenscheibe. Man erkennt, dass der Abstand vom Motor zu den Passagieren irrwitzig gering ist, überhaupt sitzt der mächtige V8 am besten Platz. Dass dennoch 56 Prozent des Gewichtes hinten lasten, liegt am federleichten Rest des Autos.
© Andreas RiedmannErwartet hier keine Auflösung, vermutlich gibt’s keine beste Möglichkeit, aber ein paar halbwegs brauchbare, um sich reinzuwurschteln. Man möge nur nie den Ehrgeiz entwickeln, dabei ein Bild reiner Grandezza abzugeben.
Auch drinnen ist davon keine Rede: Die Sonnenblende und die Scheibenoberkante liegen praktisch an der Stirn an, der Innenspiegel ist so nah wie sonst nur eine Brille, Lenkrad und Pedale stehen deutlich weiter rechts als der Sitz, und man ahnt: Wenn ein Auto so ungestreift ist von den Erkenntnissen der Ergonomie und Anatomie, dann kann das Fahren nur ein höllisches Vergnügen sein.
„Man darf sich gegen den Mangusta nicht wehren“, rät der Besitzer, der hier anonym bleiben will, also rückt man sich mit schlampiger Präzision zurecht, schmeißt alle Gedanken an Bequemlichkeit beim Fenster raus und denkt schon ein bissel drüber nach, ob die Osteopathen-Innung damals beim Konstruieren ihre Finger im Spiel hatte.
Natürlich ist das Fahren ein Wahnsinn vor dem Herrn, ein mächtiges, brachiales, räudiges Vergnügen in Bodennähe. Der bei De Tomaso verfeinerte 4,7-l-V8 von Ford brüllt hinter deinem Nacken, notdürftig durch eine Scheibe und das Blech der Trennwand abgeschirmt, und was sich zwischen den Vordersitzen als Rückenpolster ausgibt, ist eine lederbeschlagene Ausbuchtung in den Innenraum. Sie ist nötig, um dem Motor den nötigen Platz in seinem Departement freizuräumen – nicht er ist der Eindringling, die Passagiere sind solche, da ist also Unterwürfigkeit nötig. Als Tauschware gibt es rar gewordenes, ungefiltertes Fahrvergnügen, das Sicherheitsnetz besteht aus einem Dreipunkt-Statikgurt, mit dem man sich fixiert wie die Patienten in den alten Psychiatrie-Filmen, das hat schon seine Richtigkeit so.


Weit geöffnet. Klappscheinwerfer, die man auch im aus- und eingeklappten Zustand sieht, sind ein guter Auftakt für jenen Irrsinn, der dahinter lauert.
© Andreas Riedmann„Dear Sir“, schrieb Alejandro de Tomaso im Vorwort der Gebrauchsanleitung, Frauen als Kunden waren damals undenkbar. Es scheitern aber auch viele Herren mannigfaltig, zum Beispiel an der Unerbittlichkeit der Kupplung. Wer öfters im Stadtverkehr fahren will, sollte im Fitnessstudio der innigen Vorbereitung huldigen, aber das wäre natürlich ein Frevel.
Denn der Mangusta war eine Restlverwertung auf allerhöchstem Niveau, ein reines, voreilig weggelegtes Renngerät untenherum mit einem Designobjekt als Karosserie obenauf. Immerhin war Alejandro de Tomaso, in Italien lebender argentinischer Rennfahrer, zeitlebens ein Grenzgänger im Versuch, sein eigenes Sportwagenimperium zu errichten. Ein ungefährer Höhepunkt datierte Anfang bis Mitte der 70er-Jahre, als de Tomaso hintereinander auch Eigner von Ghia, Vignale, Benelli, Moto Guzzi, Maserati und Innocenti war, alle Firmen aber wegen Geldmangels bald wieder verkaufen musste.


Irrsinn. Ein aus dem Teppich ragender Luftfilterdeckel zum Beispiel.
© Andreas RiedmannAuch im persönlichen Umgang soll er schon ein wenig jenseits der Grenzen gepflegten Umgangs gewesen sein: Wer mit ihm zu tun hatte, beschrieb ihn als schwierig und von kurzer Aufmerksamkeitsspanne, bevor ihn wieder ein neuer Gedanke abholte.
Da passt die Entwicklungsgeschichte des Mangusta perfekt dazu: Mitte der 60er-Jahre schickte Carroll Shelby den Auftrag zu de Tomaso, einen Mittelmotor-Rennsportwagen mit Ford-Motor zu entwickeln, zu testen und dann auch zu produzieren. De Tomaso nahm den Auftrag gerne an, aber schon 1966 beendete Shelby die Zusammenarbeit: Er war bereits zu tief in die Entwicklung des Ford GT verstrickt, der De-Tomaso-Auftrag zur unerwünschten Zweigleisigkeit verkümmert.
Gleichzeitig zeichnete Giorgetto Giugiaro, damals Chefdesigner bei Ghia, einen hinreißenden Mittelmotor-Sportwagen für Piero Rivolta. Dessen Firma Iso Rivolta fertigte so Unterschiedliches wie den Kabinenroller Iso Isetta und den Hochleistungssportler Iso Rivolta, Ghias Mittelmotor-Sportwagen wollte plötzlich doch nicht so gut ins Programm passen.


Innen gibt’s eine der schönsten Schaltkulissen ever.
© Andreas RiedmannAlso kombinierte de Tomaso die beiden verworfenen Projekte, Tom Tjaarda komplettierte den Entwurf mit einem Cockpit, 1966 stand ein erster Prototyp mit Kunststoffkarosserie am Turiner Autosalon. Der Name Mangusta sollte Carroll Shelby ärgern, sind Mangusten doch kleine, wendige Tiere, die aufgrund ihrer Schnelligkeit auch Cobras töten können.
Ein Jahr später war die Serienversion des Mangusta fertig, mit Stahlkarosserie am Gitterrohrrahmen, lediglich Kofferraum- und Motorhauben waren aus Alu.
Der Irrsinn der zweiflügeligen, längs geteilten Motorhaube wurde durch Scheiben und Luftauslässe aufgelockert, darunter trug die Motorabdeckung einen flauschigen Teppich, wie er einst auch als Bettvorleger Verwendung fand, vor dem linken Hinterrad gab’s ein Fach, das wir nur mit Vorbehalt als Kofferraum titulieren wollen. Reisetaschen passten da nur hochkant rein, aber immerhin. Die Magnesiumfelgen stammten von Campagnolo, bis heute für feinste Rennradkomponenten bekannt.
Seine Kompromisslosigkeit aber war fühlbar. Tester monierten die etwas zu weiche Karosserie, und das Fahrverhalten verlangte nach kundiger Hand: Ob 68 Prozent des Gewichtes auf der Hinterachse lasteten oder doch nur 56, wie in einem frühen Prospekt angegeben, wird zur theoretischen Ziffer in den technischen Daten, wenn der Hafer zusticht. Man sollte halt ein wenig drauf achten, dass die Fahrbahn möglichst auf Kurven verzichtet, und wenn es regnet, stellt man den Mangusta lieber wieder in die Garage.


Motor unter Flügeln. Und vor dem Hinterrad gibt es einen Zweitkofferraum, auch die Mitnahme hitzefester Haustiere ist dort vorstellbar. Wir erkennen hier weiters, dass wir Farben wie diese im Straßenverkehr vermissen wie nicht gescheit. Also manche von uns zumindest.
© Andreas RiedmannDas mit der Garage ist besonders bei unserem Fotoauto schade – wegen der Farbe. Das Verde Gemma kommt zwar von Maserati, trägt aber wunderbar den Zeitgeist der späten 60er und frühen 70er ins heute graue Straßenbild. Kein Auto für Chromophobiker, fürwahr.
„Der Mangusta hat gemeinsam mit dem Lamborghini Miura das geilste Design jener Epoche“, sagt der Besitzer, und weil er schon länger nach diesem Auto gesucht hatte, ging vor wenigen Jahren alles recht schnell – und unter Missachtung selbst aufgestellter Prinzipien: „Vorher hielt ich es für blöd, bei eBay ungesehen für ein Auto zu bieten.“
Nachher zwar noch immer, aber man kann sich beim Abgeben seines Geboten noch ein wenig der Vorahnung hingeben, bald überboten zu werden.
Diesmal aber kam kein höheres Gebot, was den Käufer eindeutig mehr erfreute als den Verkäufer, einen 80-jährigen Sportwagensammler aus Kalifornien. Die Klärung der Frage, ob man sehr schnell eine Anzahlung aus Österreich zu schicken habe, gestaltete sich etwas sperrig, bald aber gewannen gegenseitiges Vertrauen und die Kaufabwicklung an Drehmoment. Ein paar Wochen später war der noch rote Mangusta zwar in Österreich, aber noch nicht im gewünschten Zustand.


„Dear Sir“, schrieb Alejandro de Tomaso im Vorwort der Gebrauchsanleitung. Frauen als Kunden waren damals undenkbar. Es scheitern aber auch viele Herren mannigfaltig.
© Andreas RiedmannAlso reiste das Auto vorerst zur Oldtimerwerkstatt Gugrel, eine auf italienische und britische Feinkost spezialisierte Werkstatt in Traismauer. Dort sah man sich mit wenigen strukturellen Problemen konfrontiert, allerdings war die Neigung vieler US-Restauratoren unübersehbar, großzügig Thermoplastlacke dort draufzusprühen, wo original kein Lack war. Diese Lacke sind aufmüpfig beim Entfernen, und dann wollte dem Besitzer noch der Plan ausgeredet werden, den Mangusta in Silber zu lackieren. Leichter ging das Abschrauben der Rennvergaser, die kaum eine Pedalstellung unter Vollgas ruckfrei durchgehen ließen. Seit das hydraulische Übersetzungsverhältnis der Kupplung wadelfreundlicher gestaltet ist, gilt der Mangusta als durchaus fahrbar, er wird nächste Saison öfters im Großraum Wien zu sehen sein und nur dann negativ auffallen, wenn gehupt werden will. Die Hupe stammt nämlich vom VW Käfer. Und so klingt sie auch.
Daten De Tomaso Mangusta
Bauzeit 1967 bis 1971Preis DM 57.000,– (1967), also etwas mehr als die Hälfte eines Lamborghini Miura.Motor V8-Zylinder von Ford, 4728 ccm, 224 kW (305 PS)/ 6200/min, 56,8 mkg/3500/min, Fünfgang-Getriebe von ZF, Heckantrieb.Fahrwerk Vorne doppelte Dreiecksquerlenker. Mehrlenker-Hinterachse. Scheibenbremsen. Reifen 215/70 R15 v, 255/70 R15 h.Dimensionen 2 Sitze, L/B/H 4275/1830/1100 mm, 985 kg.Fahrleistungen Spitze ca. 240 km/h, 0–100 ca. 6,0 sec.
Daten De Tomaso Mangusta
Bauzeit | 1967 bis 1971 |
Preis | DM 57.000,– (1967), also etwas mehr als die Hälfte eines Lamborghini Miura. |
Motor | V8-Zylinder von Ford, 4728 ccm, 224 kW (305 PS)/ 6200/min, 56,8 mkg/3500/min, Fünfgang-Getriebe von ZF, Heckantrieb. |
Fahrwerk | Vorne doppelte Dreiecksquerlenker. Mehrlenker-Hinterachse. Scheibenbremsen. Reifen 215/70 R15 v, 255/70 R15 h. |
Dimensionen | 2 Sitze, L/B/H 4275/1830/1100 mm, 985 kg. |
Fahrleistungen | Spitze ca. 240 km/h, 0–100 ca. 6,0 sec. |
Ein Beitrag aus der Autorevue Dezember 2018