Der oberste Autoverwerter
Der Auto-Metzker ist seit 80 Jahren ein Familienbetrieb und dennoch erst in zweiter Generation. Flugzeug und Gebäude sind längst Wahrzeichen südlich Wiens, und seit mehr als 50 Jahren sitzt Lislotte Metzker an der Kassa.
„Als wir das Gelände hier in Vösendorf 1953 gekauft haben, wurden wir für verrückt gehalten, denn es lag in der russischen Zone“, sagt Lislotte Metzker. Für verrückt wurden sie und ihr Mann möglicherweise aber auch deshalb gehalten, weil das Terrain im Wesentlichen aus einer riesigen Grube bestand: „In der Kriegszeit wurde hier das Erdreich fürs Anschütten eines dann doch nie gebauten Autobahn-Teilstücks ausgehoben.“
Aufgrund des üppigen Loches im Boden war das Grundstück an der B17 sicher etwas günstiger zu haben, und weil Josef Metzker sen., Jahrgang 1902, einst Fuhrwerksunternehmer war, bat er seine Ex-Kollegen einfach, den vielen Kriegsschutt aus Wien hier abzuladen. Kurze Zeit später war das Gelände ausreichend eben, um eine riesige Autoverwertung aufzuziehen, den größten Schrottplatz Europas, wie Josef Metzker einst warb. Auf dem Grundstück in der Breitenfurter Straße in Wien, auf dem er 1936 begonnen hatte, wäre sich derlei nicht ausgegangen.
Kurz nach der Eröffnung des neuen Firmengeländes nahm Lislotte Metzker hinter der Kassa Platz, daran hat sich bis heute nichts geändert: „Ursprünglich war ich Drogistin, aber wenn man gerne in einen neuen Beruf wechselt, dann schafft man das auch.“
Der Auto-Metzker in Vösendorf war einst, als Autoverwertungen noch ein omnipräsenter Geschäftszweig waren, namensgebend für die ganze Zunft. Der Name passte onomatopoetisch halt gar so gut, und so wurden im Osten Österreichs Verwerter pauschal zu Autometzkern. Damals war die Triester Bundesstraße noch deutlich leerer an ihren Rändern, keine Shopping City, keine Bau- und sonstigen Märkte, die dort heute den Horizont ausmachen. Da kam das Auto-Metzker-Firmengebäude noch besser zur Geltung, der riesige Quader mit der Terrasse als Deck, ein gestrandeter Dampfer undefinierbaren Fernwehs, sesshaft geworden inmitten eines bizarren Meeres aus Autowracks, die damals natürlich schöner waren, zumindest aus heutiger Sicht.
Ganz so falsch ist das Bild des lange irrlichternden Dampfers nicht, denn das Gebäude wurde Anfang der 60er Jahre begonnen und erst Ende der 70er fertig. Josef Metzker jun., Firmenchef seit dem Tod seines Vaters 1986: „Das Stahlbetonskelett stand recht schnell, aber dann wurden die Zwischenräume von einem Maurer mit Ziegeln ausgefüllt.“
Zum frühest möglichen Zeitpunkt zog Familie Metzker hier ein, abermals gab’s ein wenig Erklärungsbedarf im Freundeskreis. Lislotte Metzker: „Viele meiner Freundinnen haben gefragt, wie ich das aushalte mit dem Blick auf Autowracks. Dabei war das für mich völlig normal – hätte ich in einem Bekleidungsgeschäft gearbeitet, dann hätte ich halt Gewand rund um mich gehabt. Für mich war der Blick übers Gelände schön, und an dem Flugzeug, das wir damals noch auf einer riesigen Stange drehbar neben dem Haus hatten, hab’ ich in der Früh gesehen, wie stark der Wind weht und aus welcher Richtung.“
Damals war das Gelände auch noch rund dreimal so groß wie heute, die Verkleinerung kam nach dem Tod des Chefs und mit neuen Umweltauflagen, die sowieso ein Abtragen der alten Autowracks erforderlich machten.
Autowracks stranden heute noch immer in ausreichender Menge. Josef Metzker: „Genommen wird, was sich in Teilen wieder verkaufen lässt, also bevorzugt Autos der Baujahre 2000 bis 2008: Die sind noch in ausreichender Menge im Straßenverkehr unterwegs, aber schon so alt, dass auch was kaputt wird.“
Die Anfragen nach Teilen kommen per e-Mail, manche Käufer kommen einfach vorbei, meistens aber wird vorab angerufen. Dann hebt Lislotte Metzker ab, nicht immer ist der Dialog simpel: Oft wissen die Anrufer das Baujahr ihres Autos nicht („Na ja, ein altes halt …“), und manche sagen auf die Frage, welches Auto sie denn hätten: „Ein rotes.“
Grundsätzlich aber, sagt Lislotte Metzker, genießt sie den Umgang mit den Käufern, viele davon sind zu Stammkunden geworden, und auch das Preisverhandeln macht Spaß, weil es gehört einfach dazu. Nur manchmal versucht ein Käufer unverschämt viel runterzuhandeln, das ist aber noch selten lückenlos zu seinen Gunsten ausgegangen.
Seit dem Tod ihres Mannes wohnt Lislotte Metzker in Wien, „da ist man immer unter Menschen, wenn man mag“. Auch Josef Metzker jun. wohnte eine Zeit lang anderswo, vor wenigen Jahren ist er mit seiner Familie wieder ins Vösendorfer Werksgebäude zurückgezogen. Er pflegt eine rare Liebe zu Autos, hätte am liebsten Dutzende angemeldet und veranstaltete einmal sogar ein 24-Stunden-Rennen am Werksgelände. Seiner Mutter hingegen genügt ihr Mercedes SLK, dem sie schon jahrelang treu ist: „Ein größeres Auto brauch ich nicht, warum sollte ich mich umgewöhnen?“ Davor war viele Jahre lang ein Mercedes SL im Dienst, aber bei dem musste man vor dem Winter ein Hardtop montieren, während es beim SLK quasi immer drauf ist. Zur warmen Jahreszeit fährt sie gerne offen.
Treu sind beim Auto-Metzker auch die Mitarbeiter: Milan Kovacevic war über 40 Jahre lang Chefmechaniker, zuständig fürs fachkundige Filetieren der Autos, die bei der Tür hereinkamen. Kürzlich ist er in Pension gegangen, seither kümmert er sich gelegentlich um das riesige Gebäude, ist quasi dessen Maschinist. Die Position des Chefmechanikers konnte er in gute Hände weitergeben: An seinen Sohn Vlado, der jetzt auch schon gut zehn Jahre bei Auto-Metzker beschäftigt ist.
Auch Lislotte Metzker wird weiterhin Kassa und Telefon betreuen, perfekt gekleidet und mit lackierten Fingernägeln, oft trägt sie dabei das Medaillon um den Hals, das im Inneren ein Foto ihres verstorbenen Mannes zeigt und außen den Ehering eingearbeitet hat.
Kann sie sich vorstellen, auch einmal in Pension zu gehen? Eher nein, denn „was sollte ich denn in Pension machen? Meine Freundinnen sagen, ich sollte doch mitgehen ins Kaffeehaus, aber dann reden sie alle nur von Krankheiten.“
Dezent zurückgeschraubt hat sie allerdings während der letzten Jahre, weil „ein ganzer Tag Arbeiten ist mir ein bisserl viel. Meistens fahre ich um zwei, halb drei heim, dann komme ich nicht in den Stoßverkehr. Aber wenn ich einen Tag nicht hierher komme, dann fehlt’s mir schon.“
Dementsprechend fällt Lislotte Metzkers Bilanz aus, wenn sie das Leben als Autoverwerterin zusammenfasst. Sie ist stolz, erzählt sie, wie ihr Sohn den Betrieb, den ihr Mann vor 80 Jahren aufgebaut hat, nach neuesten Erkenntnissen und mit vielen eigenen Ideen weiterführt, und natürlich ist sie froh darüber, zu all dem einen Beitrag geleistet zu haben.
„Das wäre mir noch wichtig“, sagt sie, „vielleicht können Sie das in die Geschichte noch reinschreiben?“