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Autofahren im Alter: Diskussionen um verpflichtende Überprüfung der Fahrtauglichkeit

Autofahren im Alter: Diskussionen um verpflichtende Überprüfung der Fahrtauglichkeit

Wäre die Überprüfung der Fahrtauglichkeit ab einem gewissen Alter sinnvoll? Aus aktuellem Anlass flammt die Debatte derzeit wieder auf.

Online Redaktion
Veröffentlicht am 01.08.2022

Vergangene Woche hat das Auto einer 86-Jährigen in Tirol einen Kinderwagen mit einem Kleinkind erfasst, der Einjährige erlag wenig später im Krankenhaus seinen Verletzungen. Die Ermittlungen zu dem Fall laufen noch, vermutet wird jedoch, dass die Seniorin beim Einparken vor einem Supermarkt das Brems- mit dem Gaspedal verwechselt haben dürfte, wodurch es zu dem folgenschweren Unfall gekommen ist.

Wie der ORF berichtet, liegt es – unabhängig von den Ermittlungen wegen Verdachts auf fahrlässige Tötung – nun an der zuständigen Bezirkshauptmannschaft, zu entscheiden, ob eine Überprüfung der Fahrtüchtigkeit für die 86-Jährige angeordnet wird.

Damit ist auch einmal mehr das Thema „Autofahren im Alter“ in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Denn immer wieder, wenn ein schwerer Verkehrsunfall von älteren Fahrer:innen verursacht wird, flammt die Diskussion erneut auf: Sollte die Überprüfung der Fahrtauglichkeit ab einem gewissen Alter verpflichtend durchgeführt werden? An diesem möglichen Ansatz zur Verringerung des Unfallrisikos scheiden sich nach wie vor die Geister.

Was soll eine verpflichtende Überprüfung der Fahrtauglichkeit bringen?

Ältere Pkw-Lenkende verursachen überproportional oft Pkw-Unfälle. Die meisten der tödlichen Unfälle (92 Prozent, 2015 – 2019), an denen über 84-jährige Pkw-Lenkende beteiligt waren, wurden auch von ihnen verursacht“, heißt es in der Verkehrssicherheitsstrategie 2021-2030 des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie. Nach einem Unfall in Oberösterreich im vergangenen Jahr, bei dem ein 86-Jähriger mit seinem Auto in einen Marktstand gefahren ist und dabei 13 Personen verletzt hat, ist das Thema wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt.

Klar ist: Mit fortschreitendem Alter gehen oft auch gesundheitliche Probleme einher. Häufig lassen die Sehkraft und/oder das Hörvermögen nach, aber auch eine verminderte Reaktions- und Konzentrationsfähigkeit sowie Einschränkungen der Beweglichkeit können die Fahrtauglichkeit negativ beeinflussen. Dazu kommt das erhöhte Risiko für verschiedene Erkrankungen, die die Sicherheit am Steuer beeinträchtigen können.

Eigenverantwortung laut StVO

In der StVO (§ 58, Abs. 1) ist festgehalten, dass ein Fahrzeug nur lenken darf, „wer sich in einer solchen körperlichen und geistigen Verfassung befindet, in der er ein Fahrzeug zu beherrschen und die beim Lenken eines Fahrzeuges zu beachtenden Rechtsvorschriften zu befolgen vermag“. Die Verantwortung dafür trägt der Lenker selbst. In der Praxis setzen sich trotzdem auch Menschen ans Steuer, die diese Voraussetzungen nicht (mehr) erfüllen. Dahinter steht nicht unbedingt ein Vorsatz: Es ist anzunehmen, dass vielen ihre Fahruntauglichkeit gar nicht bewusst ist oder sie sich diese zumindest nicht eingestehen möchten.

Abweichende Regelungen in europäischen Ländern

Ein ärztliches Gutachten, das die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen nachweist, brauchen in Österreich alle Führerscheinwerber. Danach wird die Fahrtauglichkeit in den Klassen AM, A1, A2, A, B und BE im Normalfall nicht mehr überprüft. Nur in Verdachtsfällen – beispielsweise, wie im eingangs genannten Fall, nach einem Unfall – wird eventuell eine Überprüfung angeordnet.

Anders ist das bei den Klassen C, CE, C1, C1E, D, DE, D1, D1E oder anderen befristeten Lenkberechtigungen: Hier ist bei jeder Verlängerung ein ärztliches Gutachten vorzulegen. Diese Regelungen entsprechen der EU-Führerschein-Richtlinie RL 2006/126/EG.

In einigen europäischen Ländern sind darüber hinaus auch für Pkw- und Motorrad-Lenker verpflichtende ärztliche Untersuchungen ab einem gewissen Alter und in bestimmten Intervallen vorgeschrieben.

Auch in Österreich wurde die Einführung von Fahrtauglichkeits-Überprüfungen oder „Altersgrenzen“ beim Führerschein immer wieder diskutiert. Die Debatte kommt zwar immer wieder auf – dass die regelmäßige Überprüfung der Fahreignung für Führerscheinbesitzer ab einem gewissen Alter in naher Zukunft eingeführt wird, ist aber unwahrscheinlich.

Geplante Maßnahmen

In der oben erwähnten „Verkehrssicherheitsstrategie 2021-2030“ des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie werden die in vielen EU-Ländern verpflichtenden Fahrtauglichkeits-Überprüfungen als „ineffizient und fehleranfällig“ bezeichnet.

Stattdessen finden sich in dem Papier mehrere andere Maßnahmen, die das Unfallrisiko für ältere Verkehrsteilnehmer verringern sollen. Dazu zählen etwa die „Entwicklung und Testung noch treffsicherer Maßnahmen für die Erkennung von Demenz und anderen kognitiven Einschränkungen am Steuer“, Online-Angebote zum Selbstcheck, Unterstützungsmöglichkeiten für Angehörige, die an der Fahrtüchtigkeit eines Familienmitglieds zweifeln oder auf freiwilliger Basis durchgeführte Test zur Überprüfung der eigenen „Fitness to drive”. Auch müsse insbesondere am Land sichergestellt werden, dass die Mobilität älterer Menschen durch alternative Angebote auch nach der Führerscheinabgabe sichergestellt ist.

KfV gegen verpflichtende Checks

Auch das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV) spricht sich gegen verpflichtende Gesundheits-Checks für ältere Autofahrer aus: „Das Unfallrisiko zwischen 27 und 81 Jahren ist annähernd gleich“, sagte Klaus Robatsch, Leiter des Bereichs Verkehrssicherheit im KfV im Jahr 2021, als das Thema im Zuge eines von einem 86-Jährigen verursachten schweren Unfalls mit 13 Verletzen wieder hitzig diskutiert wurde.

Ab 82 Jahren würde das Risiko allerdings ansteigen, wie Robatsch damals auch einräumte. Dieses Manko würden ältere Autofahrerinnen und Autofahrer aber oft durch sicheres Fahrverhalten ausgleichen. „Sie fahren etwa kaum schnell“, sagte Robatsch. Unter 27 Jahren sei das Unfallrisiko zudem ebenfalls höher. Zudem sei die Effektivität von medizinischen Überprüfungen nicht erwiesen: In Ländern, in denen diese vorgeschrieben sind, sei die Unfallstatistik bei Senioren trotzdem ähnlich, so das KfV. Stattdessen wird an die Eigenverantwortung appelliert.

Für ältere Verkehrsteilnehmer:innen gibt es die Möglichkeit, an speziellen Fahrsicherheitstrainings oder Kursen zur Stärkung der Verkehrskompetenz teilzunehmen. Auch beim Arzt kann man überprüfen lassen, ob die Fahrtauglichkeit noch gegeben ist.