Autorevue Magazin-Archiv: Ausgabe 12/1984

Ausgabe der Autorevue vom Dezember 1984 mit Cover, Editorial & Impressum

Zuletzt aktualisiert am 08.09.2020

Lieber Leser,

ein mächtiger Schnauzer erhebt sich jenseits des Arlbergs und erfreut unser gefälliges Auge: Heinz-Dieter Finck meldet sich wieder zu Wort. Wir haben ihm einige der tollsten Rallyefotos der siebziger Jahre zu verdanken, schnurrige Geschichten und schnurrige Sprüche. Leider hat er uns dann seine Schnurrigkeit entzogen. Finck legte sich eine Identitätskrise zu – als Schweizer kann man sich das leisten – und beschloß, seine Position gegenüber dem Automobil zu überdenken. Das hat seine alten Freunde irritiert, denn Finck hatte Autos sehr geliebt. Er war einer von den treuherzig reinrassig Wahnsinnigen gewesen, einer von denen, die bei jeder kurvenreichen Überlandfahrt ihr Volant verspeisen. Er fuhr nur kleine, geile, aufgemotzte Schüsseln, und seine schöne Frau war eine Leidende.

Alles vorbei: Finck findet die Zivilisation und damit auch das Auto ziemlich öd. Nur fallweise streicht er eine Träne aus dem Schnauzer und schlenzt sie seiner alten Liebe nach. Etwa, wenn ihm einer erzählt, daß einige der sagenhaften Autos der indischen Maharadschas tatsächlich noch erhalten seien – in Indien, wo sonst. Da packt er sich in einen Flieger und sieht nach, ob das alles wahr ist. So kommen wir zu einer wunderbaren Geschichte mit einsamen Fotos: Hinten in Indien, ab Seite 34. Welcome back, Heinz!

Weil das Wort Identitätskrise gefallen ist:

Wir kriegen in letzter Zeit eine Menge Post zum Thema Lahmarschigkeit. Viele würden uns gern auf den Barrikaden sehen, sie glauben, daß eine ordentliche Autozeitschrift in ernsten Stunden dorthin gehört. „Wehrt euch!“, „Warum sagt ihr nichts?“, „Wir können uns das nicht gefallen lassen!“ undsoweiter. Vieles in dieser Richtung deckt sich mit unserer Meinung. Andererseits kennt jeder, der im Waldviertel aufgewachsen ist, die unendliche Lebensweisheit der einfachen Menschen: it ain’t easy.

Was sich derzeit rund um Waldsterben, grundsätzlichen Umweltschutz und Energiepolitik in der Öffentlichkeit, bei den Politikern und in den Medien abspielt, ist ein Spektakel. Von Halbwissen kann keine Rede sein: Jeder karrt sein Hundertstelwissen auf den Marktplatz der Emotionen. Erinnert euch, daß wir vor nicht allzu langer Zeit einen Bundeskanzler hatten, der über den Austro-Porsche Sprüche klopfte und dann sinngemäß sagte: Die haben nämlich eine tolle Konstruktion, die heißt Transaxle, nichtwahr.

Wir kennen uns auch nicht aus, wie das zusammenhängt: Wald und Autos. Wir wissen bloß, daß wir, als Einzelpersonen, gern schnell Auto fahren und in solchen Momenten lieber Autos ohne Katalysatoren als mit Katalysatoren hätten. Allerdings kapieren wir, daß wir – und damit meine ich eine unbegrenzte Anzahl von Menschen – nirgendwohin kommen, wenn wir nicht das Ganze sehen. Der Blick auf dieses Ganze ist verhängt von hundert Nebeln und verstellt von tausend miesen Kulissen. Wir bemühen uns, zuerst zu denken und dann den Mund aufzumachen. Wir glauben, daß die Autofahrer sich nicht stellvertretend für allen Scheiß, der heute passiert, als Schuldige fühlen sollen. Wir glauben aber auch, daß die Menschen, denen das Auto wichtig ist – weil sie davon leben oder damit Freude haben – keine geifernde Lobby bilden sollten. Sie brauchen keine Fanatiker, sondern Menschen, die gesamtheitlich denken und sich halbwegs auskennen. Die Autorevue arbeitet seit Monaten an der Erfassung des Themas. Das Resultat bringen wir als Artikel im nächsten Heft, samt Offenlegung unserer eigenen Meinung.

In diesem Heft gibt’s nichts Neues über den Fotowettbewerb. Der Einsendeschluß ist vorbei, die festliche Übergabe der Preise ist für 10. Dezember geplant. Alle Preisträger kriegen in diesen Tagen die Einladung. Große Story und Präsentation der Siegerbilder im nächsten Heft … das, wie Sie wissen, unser Galaheft anläßlich des Zwanzig-Jahr-Jubiläums der Autorevue sein wird. Ein Teil von dem, womit wir Sie erfrischen wollen, finden Sie diesmal als Vorankündigung auf Seite 54.

 

Ihr

Herbert Völker