Im Targa auf Alpenfahrt
Wo das Land am dichtesten ist, Kurven keine Namen haben und die Seen nach Süden riechen, sollte man Aussichten am besten in kleinen Portionen genießen: Protokoll einer Reise durch die Schweiz.
Du stehst auf knapp 2000 Metern Seehöhe am Straßenrand im Regen. Es ist Mitte Juli, laut Temperaturanzeige deines achatgrauen Neunelfer hat es 5,5 Grad. Vor dir Richtung Tal steht ein mannshoher Wappenrahmen, darüber – wie eine Bildüberschrift – die Worte „Davos Klosters“. Was du im roten Rahmen siehst: eine nasse, sich bergan windende Straße, einen talwärts rauschenden Fluss und grüne, baumlose Berghänge, die auf halber Höhe in grauen Wolkenmassen verschwinden. Ein Bühnenprospekt ohne Handlung. Du überlegst, ob du enttäuscht sein sollst. Es ist ja, als würden dich die gewitzten Erfinder der Grand Tour de Suisse, die du gerade entlangfährst, mit der Nase auf jene verlockenden Bilderbuchansichten stoßen, die du jetzt eben nicht zu sehen bekommst. Du beschließt, Vergebung zu üben. Hinter jedem Berg eine neue Welt. Bis zur Flüela-Passhöhe sind es noch fünf Kilometer.