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Rainald Grebe

Tank und Rast hat dank Sanifair Notdurft in den Büchern

Seit 2004 ist es auf deutschen Autobahnen üblich, dass für den Toilettengang bezahlt wird. Vielleicht ändert sich das dank Rainald Grebe bald. Reden wir über Sanifair. Ein Kommentar.

Zuletzt aktualisiert am 28.08.2023

Es gibt sympathischere Unternehmen als die Tank und Rast GmbH. Das ist die Firma, die in Deutschland die meisten Autobahnraststätten betreibt. Zu ihren Geschäftsfeldern gehört auch die Firma Sanifair – also jenes Unternehmen, das 70 Cent pro Toilettengang an der Autobahn fordert. Und genau dagegen klagt jetzt Rainald Grebe, ein deutscher Kabarettist. Damit wird er wahrscheinlich scheitern, doch gewonnen hat er jetzt schon. Denn man redet über das Unternehmen. Zu Recht und mit schlechter Laune.

Das Pinkel-Monopol

Deutschland ist vielleicht das einzige Land der Welt, dass die Notdurft seiner Autofahrer privatisiert hat. 1998 war das. Und das hat so funktioniert: Aus den beiden staatlichen Organisationen „Gesellschaft für Nebenbetriebe der Bundesautobahnen“ und der „Ostdeutschen Autobahntankstellengesellschaft“ wurde 1994 die Tank und Rast GmbH. Die Firma hatte zur Aufgabe, die Autobahn-Raststätten zu betreiben, dafür wurde erst einmal kräftig Steuergeld investiert.

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Rainald Grebe verklagt das Land Rheinland-Pfalz. Eine gute Gelegenheit über Sanifair zu sprechen.

Ein paar Jahre später wurde der Laden privatisiert und wandelte im Lauf der Zeit durch mehrere Hände. Derzeit gehört die Tank und Rast GmbH einem Konsortium, das aus den Allianz Capital Partners, der MEAG (Tochter der Münchner Rück), der Borealis Infrastructure (ein kanadischer Infrastrukturbonds) und der Abu Dhabi Investment Authority besteht. Wer auf einer deutschen Autobahnraststätte pinkelt, tut das also zu Gunsten einer Gruppe Heuschrecken.

Um wieviel Geld es dabei allerdings wirklich geht weiß kaum jemand, denn Sanifair geht mit ihren Zahlen nicht gerade hausieren. Angeblich geht es um jährlich 133 Millionen Toilettengänge zu 70 Cent. Das wär ein Gesamtumsatz von 91 Millionen Euro. 20 Cent pro Toilettengang gehen direkt an Sanifair, 50 Cent kriegt der Pinkler als Einkaufsgutschein zurück.

Die Mär vom Gutschein

Aber: Erstens verfallen etwa 20 Prozent der Bons und zweitens werden die restlichen 80 Prozent umsatzsteigernd eingelöst. Es gibt kaum Produkte für 50 Cent an einer deutschen Autobahnraststätte. Der Kunde muss also etwas drauflegen. Das wiederum ist gut für Tank und Rast. Das Unternehmen verpachtet die Raststätten nämlich nur und verlangt angeblich einen Anteil von 25 Prozent vom Umsatz. Wie einst „Team Wallraff“ herausfand. Im gleichen Einsatz deckte die Redaktion auch einige haarsträubende Hygienemängel auf.

Unsympathisch wird es bei der Betrachtung der Gesamtsituation. Denn die Finanzinvestoren haben einen Monopolisten übernommen. Es gibt kaum Konkurrenz. Wer an der deutschen Autobahn pinkeln will, der muss beinahe eine Sanifair-Anlage benutzen. Theoretisch könnten Fahrer auf einen Autohof fahren. Also auf eine Anlage, die etwas abseits der Autobahn liegt. Doch Tank und Rast übernimmt hier in regelmäßigen Abständen  verbliebene Konkurrenten.

Rainald Grebe
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70 Cent. Das waren mal fast zehn Schilling.

Auftritt Rainald Grebe. Der Kabarettist brachte 2014 sein Album mit dem Titel „Berliner Republik“ heraus. Mit dabei das Stück „Sanifair“ – eine beinahe fünfminütige Abrechnung mit dem Unternehmen. Jetzt hat er das Bundesland Rheinland-Pfalz verklagt, wie er es in dem Stück auch angekündigt hatte. Er nahm sich deswegen ausgerechnet dieses Bundesland vor, weil deren Gaststättenverordnung vorsieht, dass Gäste die WC-Anlage kostenfrei benutzen dürfen. Die Zahlschranke verstoße gegen das Prinzip der Daseinsvorsorge, das eine Grundversorgung der Bürger vorsehe.

Notdurft und Grundversorgung

Hier beginnen allerdings die Probleme. Denn eine Daseinsvorsorge muss nicht kostenlos sein – siehe Trinkwasser. Zum anderen ist der Vertragspartner der Tank und Rast nicht das Land, sondern der Bund. Zumindest das dürfte Grebe egal sein. Der hatte bereits auf seinem Album angekündigt, er würde bis zur höchsten Instanz kämpfen.

Außerdem hat Oliver Ganseforth, der Anwalt von Grebe, auch noch weitere Argumente. Schließlich würden Fahrer, die eigentlich dringend auf Toilette müssten, sich aus Prinzip weigern zu bezahlen und dann lieber etwas schneller und unkonzentrierter fahren, um bald zu Hause zu sein. Das würde das Unfallrisiko erhöhen.

Autobahn-Fahrer in Deutschland haben sich in den letzten 15 Jahren derart daran gewöhnt für den Toilettengang zu bezahlen, dass das Geschäftskonzept von Sanifair nie in Frage gestellt wurde. Nicht einmal die Tatsache, dass hier ein staatliches Monopol in eine privatwirtschaftliche Hand gegeben wurde, löst noch einen Skandal aus. Grebe hat einen toten Winkel der Aufmerksamkeit gefunden und zerrt die Thematik ans Licht der Öffentlichkeit. Gut so. Ob er gewinnt oder verliert ist beinahe schon egal. Sollte er verlieren führt vielleicht ein anderer den Kampf fort. Die breite Öffentlichkeit zum Beispiel.