Sollte in Vorkriegs-Oldtimer investiert werden?

Kürzlich wurde ein 1957er Ferrari bei einer Auktion um 32 Millionen Euro versteigert. Verrückt! Wie sieht es aber mit Fahrzeugen aus der Vorkriegszeit aus? Lohnt eine Investition?

radical mag
Zuletzt aktualisiert am 14.02.2016

Die Preise für alte Porsche und Ferrari gehen derzeit durch die Decke. Und sie ziehen praktische alle Sportwagen der 50er, 60er und 70er Jahre auf ein Preisniveau, das man sich vor zwei, drei Jahren noch gar nicht vorstellen konnte. Ein Ende dieses Anstiegs ist nicht abzusehen – die Frage muss aber sein, ob es überhaupt genug gutes Material für diesen boomenden Markt gibt.

Oldtimer aus der Vorkriegszeit

Auf der anderen Seite der Zeitachse ist die Nachfrage nach Fahrzeugen aus der Vorkriegszeit mit wenigen Ausnahmen komplett zusammengebrochen. Das hat unter anderem auch damit zu tun, dass die Kundschaft gerade auf den Auktionen in den vergangenen zehn Jahren deutlich jünger geworden ist. Früher, da war ein Rolls-Royce Phantom II, ein Delahaye mit einer Sonder-Karosserie, vielleicht sogar ein Bugatti-Rennwagen der Höhepunkt im Leben eines jeden Sammlers.

1927-Avions-Voisin-C14-Lumineuse-(14)
© Bild: RM Sotheby’s

Der Trend zum Sportwagen

Doch diese Fahrzeuge aus den 20er und 30er Jahren sprechen heute in erster Linie eine ältere Kundschaft an, während ein Ferrari 275 GTB/4, ein Lamborghini Miura oder auch ein Porsche 911 RS zum Teil sehr junge Käufer begeistern können. «Diese Sportwagen aus den 60er und 70er Jahren, und natürlich auch die Youngtimer, sind bedeutend einfacher zu fahren und zu unterhalten als etwa Vorkriegsmodelle. Und es kommt natürlich dazu, dass gerade diese jüngeren Sportwagen die Traumautos der Kindheit waren bei der jüngeren Klientel», erklärt der italienische Klassiker-Spezialist Adolfo Orsi diesen Trend.

1927-Avions-Voisin-C14-Lumineuse-(15)
© Bild: RM Sotheby’s

Oldtimer im Vergleich

Das hat zur Folge, dass die Preise für wirklich altes Blech in den vergangenen fünf Jahren kaum mehr gestiegen sind – und wenn doch, dann niemals in die schwindelerregenden Höhen, die Ferrari & Co. erreichen. Das wiederum bedeutet aber auch, dass die Spekulanten fast ganz aus diesem Markt verschwunden sind – und dass ausgesprochen gutes Material vorhanden ist. Und dies zu Preisen, die im Vergleich zu den Nachkriegssportwagen geradezu lächerlich sind. Denn man darf dabei etwas nicht vergessen: diese Vorkriegs-Fahrzeuge sind teilweise viel seltener – und außergewöhnlicher – als alles, was Porsche je gebaut hat. Und heute erhält für das gleiche Geld, das ein Porsche 911 aus den 60er Jahren kostet, ein Einzelstück eines Rolls-Royce aus den 30er Jahren. Und was heute so ein relativ profaner Ferrari 365 GTB/4 Daytona kostet, von dem 1.284 Exemplare gebaut wurden, bezahlt man auch für einen Voisin aus den 30er Jahren, der technisch bedeutend außergewöhnlicher ist – und kulturgeschichtlich viel wertvoller.

1932-Rolls-Royce-Phantom-II-Continental-Sports-Saloon-by-Hooper-(2)
© Bild: RM Sotheby’s

1927 Avions Voisin C14 „Lumineuse“

Mitte März kommt im amerikanischen Amelia Island ein ganz außergewöhnlicher Voisin unter den Hammer, ein C14 von 1927, der bekannt ist als «la lumineuse». Einverstanden, die Voisin sind immer außergewöhnlich, Gabriel Voisin hatte Architektur und Maschinenbau studiert, baute zuerst Flugzeuge (die Aéroplanes Voisin war im 1. Weltkrieg eines der erfolgreichsten Unternehmen in diesem Bereich) und ab 1919, zuerst in Zusammenarbeit mit André Citroën, dann auch Automobile. Diese gehörten zu den fortschrittlichsten ihrer Zeit, manche hatten ein Vorwählgetriebe – und die meisten eine sehr außergewöhnliche Karosserie. Das gilt unbedingt auch für «la lumineuse», pures Art-Deco außen und auch innen. Selbstverständlich ist dieses Einzelstück nicht ganz günstig, es wird ein deutlich siebenstelliger Betrag erwartet auf der Auktion von RM Sotheby’s, doch dieses Fahrzeug ist so einmalig wie wunderschön. Monsieur Voisin verstarb, übrigens, 1973 im Alter von 93 Jahren in den Armen seiner mehr als 60 Jahre jüngeren Frau – allein solche Anekdoten machen seine Fahrzeuge noch wertvoller.

1932-Rolls-Royce-Phantom-II-Continental-Sports-Saloon-by-Hooper-(14)
© Bild: RM Sotheby’s

Kostenexplosion bei Ersatzteilen und Reparaturen

Das Argument, dass Vorkriegs-Autos im Unterhalt teurer seien als die Sportwagen aus den 60er und 70er Jahren, stimmt in dieser Form auch nicht (mehr): Weil so viele Ferrari, Porsche, Lamborghini auf dem Markt sind und sich nur erstklassig restaurierte Ware auch wirklich gut verkauft, sind die originalen Ersatzteile sehr selten und folglich sehr teuer geworden. Und selbstverständlich wissen gerade die wenigen Spezialisten, die sich mit italienischen Vollblütern beschäftigen und auch ein bisschen mehr als nur eine leise Ahnung davon haben, was sie wert sind – da sind die Stundenansätze teilweise in absurde Höhen gestiegen. Natürlich kostet auch ein neuer Zylinderblock für einen Voisin ein kleines Vermögen, doch diese alten Helden wurden einst für die Ewigkeit gebaut, da geht auch nicht dauernd etwas kaputt – was für hochgezüchtete Sportwagen sicher nicht gelten kann.

1937-Cord-812-Supercharged-Phaeton-(20)
© Bild: RM Sotheby’s

1932 Rolls Royce Phantom II Continental Sports Saloon by Hooper

Zudem: solche Vorkriegs-Klassiker werden ja ganz gediegen bewegt, der Weg ist das Ziel. Und in einem Rolls-Royce Phantom II aus dem Jahre 1932, mit einer Karosserie von Hooper, geschieht solches auch noch in aller Ruhe, äußerst gepflegt. Man sitzt nicht: man thront. Und auch den Passagieren geht es bestens. Das, in der Diashow oben, gezeigte Fahrzeug, bestens restauriert und für das nächste Jahrzehnt wahrscheinlich problemfrei, kostet rund 200.000 Dollar. Also etwa gleich viel, wie unterdessen für einen Peugeot 205 Turbo 16 aus den 80er Jahren verlangt werden. Es sei die Frage erlaubt, wer den besseren Auftritt hat.

1937-Cord-812-Supercharged-Phaeton-(18)
© Bild: RM Sotheby’s

1937 Cord 812 Supercharged Phaeton

Ein anderes Beispiel: der Cord 812 von 1937. Ein fantastischer Wagen, der vor dem 2. Weltkrieg zum Besten gehörte, was es für Geld zu kaufen gab. Sein V8 wurde mittels eines Kompressors auf offiziell 170 PS gebracht, das reichte für eine Höchstgeschwindigkeit von deutlich über 100 Meilen. Sprich: man sieht auch heute noch gut aus auf den Autobahnen. Die Cord waren nicht ganz so selten wie «la lumineuse» oder der Hooper-Phantom II, rund 700 Stück wurden gebaut, doch die Phaeton-Karosse ist von unvergänglicher Eleganz. Und der Sound des «supercharged»-V8 steht einem zeitgenössischen Ferrari in nichts nach. Auch solch ein Cord 812 ist für etwa 200.000 Dollar zu haben.

1937-Cord-812-Supercharged-Phaeton-(13)
© Bild: RM Sotheby’s

Lohnt die Investition?

Es bleibt aber die Frage, ob sich eine Investition in solche Vorkriegs-Fahrzeuge lohnt. Kurzfristig sicher nicht, wie erwähnt, der Markt verlangt derzeit nicht nach solchen Wagen. Doch es ist anzunehmen, dass er wieder anziehen wird, denn im Gegensatz zu den Fahrzeugen aus den 50er, 60er und 70er Jahren ist der Nachschub an gutem Material nicht fast unerschöpflich, zu klein war in den Jahren vor dem Krieg die Produktion, zu viele Fahrzeuge gingen im Laufe der Jahrzehnte verloren. Auch ist damit zu rechnen, dass sich die Sammler irgendwann wieder auf die wirklich wichtigen Werte besinnen werden, auf Seltenheit, auf Kulturgeschichte, auf technische Spezialitäten – ein Porsche 911, egal aus welchem Jahr, ist ein gepimptes Großserien-Fahrzeug in direkter Abstammung zum VW Käfer. Der Voisin dagegen ist ein Kunst-Objekt.

Vielen Dank an die Kollegen von radical-mag.com