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Randnotizen: Thomassima!

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Tom Meade und seine Thomassima sind «nur» Randnotizen in der Ferrari-Geschichte. Aber sehr schöne, interessante.
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Es sei auch nur ganz kurz erzählt über die Hintergründe. Allerdings sind sie auch wichtig, irgendwie. Tom Meade wurde am 19. Januar 1939 in Hollywood geboren. Nach dem 2. Weltkrieg wanderte er mit seiner Mutter nach Australien aus, kommt aber bald nach Hawaii, wo er zur Schule geht, Schuhe von Soldaten putzt, um ein wenig Geld zu verdienen, mit 12 sein erstes Surfboard kauft und in einem Baumhaus lebt. Hätte es damals schon Hippies gegeben oder Aussteiger, so hätte man Tom Meade und seine Mutter wohl als ebensolche bezeichnet. Doch auch das Glück auf Hawaii hatte ein Ende, Tom zog nach Newport, machte dort mit 17 seinen Schulabschluss, wurde von der Navy aufgenommen, zum «aviation elctronics engineer» ausgebildet und hatte mit 21 mehr von der Welt gesehen als andere Menschen in ihrem ganzen Leben.

Und dann sah er einen Ferrari.

Also eigentlich sah er nur das Heck eines Ferrari. Der Rest war unter einem Tuch verborgen. Eines Tages arbeitete aber ein Mann an diesem Fahrzeug und Tom wollte wissen, was das ist. Es sei ein Ferrari 500 TRC, sagte der Mann, zwar nur ein Zweiliter-Vierzylinder, aber leicht und schnell. Und er könne ihn kaufen für 4000 Dollar. Das war für Tom Meade viel zu viel, aber er fragte den Mann, wo er den Ferrari gekauft habe. Dieser erzählte etwas von einem alten Warenlager in Rom, wo Dutzende dieser alten Rennwagen herumstehen würden, alle ganz billig. Und in diesem Moment wusste Tom Meade, wo sein Glück lag: in Italien.

Geld hatte er keines, aber einen Traum. Und so reiste Tom Meade zuerst mit 50 Dollar in der Tasche von Newport nach New Orleans, heuerte dort auf einem Schiff an, kam so nach Norwegen, schaffte es irgendwie nach England, von dort auf einem Triumph-Motorrad nach Spanien, von dort weiter nach Palma de Mallorca. Nach sechs Monaten wilder Parties gelang Tom nach Genua, wo dem jungen Mann jemand ein kaputtes Motorrad schenkte, das er reparierte (um gleichzeitig seine ersten Worte Italienisch zu lernen) und mit dem er schließlich nach Rom fuhr. Um dort das besagte Warenlager zu suchen. Stattdessen fand er Aufnahme in der Filmcrew von Dino de Laurentiis, erhielt eine kleine Rolle in «Best of Enemies», verbrachte seine Tage mit David Niven. Das ominöse Warenlager mit den alten italienschen Rennwagen fand Tom aber nicht.

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Am nächsten Morgen erkannten Meade, Neri & Bonacini, was sich der Amerikaner das eingehandelt hatte: einen Maserati 350S. Einen von drei gebauten 350S, jenen mit der Chassisnummer 3503, der 1957 als Sechszylinder bei den 1000 Kilometern von Buenos Aires angetreten war, dann für die Mille Miglia einen 3,5-Liter-V12 erhalten hatte, noch ein paar weitere Rennen fuhr – und dann auf die Maserati-Müllhalde kam. Meade hatte nicht nur den 350S erhalten für 420 Dollar, sondern auch noch eine ganze Menge Ersatzteile – zuviel für Neri & Bonacini, die ihm deshalb eine alte Scheune organisierten, wo er nicht nur arbeiten konnte, sondern auch schlafen auf dem Heuboden.

Doch Tom hatte noch nicht genug. Er brauchte noch mehr Teile für seinen Maserati, er nervte Bertocchi so lange, bis dieser ihm die Verantwortung für alle Kisten mit den Ersatzteilen der alten Rennwagen überließ, die er fein säuberlich organisierte. Und so auch einen anderen Amerikaner helfen konnte, der gerade einen Birdcage-Maserati neu aufbaute – und Tom zum Dank für seine Dienste eine Duntov-Corvette schenkte, mit der ein Mechaniker namens Bob Wallace in einen Straßengraben gefahren war, weil er am Steuer eingeschlafen war.

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Irgendwann war der 350S dann fertig (eine Quelle sagt: mit dem Maserati-V12, eine andere meint: mit dem Duntov-Corvette-Motor*), Meade und Fantuzzi hatten ihm noch eine Art Hardtop verpasst – und Tom brachte den Wagen zurück in die USA, weil er dachte, ihn für gutes Geld verkaufen zu können. Ungeschickt war, dass er den Wagen einem alten Freund auslieh – der ihn prompt über eine Klippe fuhr und komplett zerstörte. Doch Meade kehrte sofort zurück nach Italien, kaufte einen anderen Maserati 350S (für 80 Dollar!), begann das gleiche Spiel von vorne – und konnte ihn tatsächlich verkaufen, an einen anderen Wahnsinnigen, Dick Merritt. Dick bat Tom, ihm einen Ferrari 250 SWB zu besorgen, Tom konnte liefern, und so entstand für ihn eine Möglichkeit, endlich ein vernünftiges Einkommen zu haben. In der Folge handelte Meade fleißig mit alten Renn- und Sportwagen von Ferrari und Maserati – er war quasi selbst zu jenem sagenumwobenen Warenlager geworden, das er einst in Rom gesucht hatte. Er selber fuhr in jenen Jahren einen Ferrari 250 GTO, den er für 720 Dollar gekauft hatte. In jener Zeit arbeitete er auch mit David Piper zusammen, um noch einen diesen Namen zu nennen, hinter denen sich wunderbare Geschichten verbergen. Oder wie wäre es mit Ralph Stefano, einem der Gründungsmitglieder von FART (Far Alaska Racing Team)?

Es kommt nun noch ein großer Name ins Spiel: Nembo. Noch so eine schöne Fußnote in der Ferrari-Geschichte, die wir hier aber nicht weiter ausführen wollen, das sparen wir uns für einen späteren Zeitpunkt auf. Anscheinend gab es vier Nembo-Ferrari von Neri & Bonachini, einer davon ist sehr berühmt, Chassisnummer 1777GT, doch wie groß der Einfluss von Tom Meade auf diese Fahrzeuge war, bleibt umstritten. Wir werden dann da noch ein wenig recherchieren.

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(Hat es eventuell gar einen Thomassima 1,5 gegeben? Wir haben auch noch etwas gelesen von einem weiteren Coupé mit Frontmotor, Chevy-V8, der vor Thomassima II gebaut worden sein soll.)

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2014 starb Tom Meade. Und ja, er hatte Enzo Ferrari getroffen, davon gibt es sogar ein Bild. Was der «Commendatore» vom verrückten Amerikaner hielt, ist nicht überliefert; er hat ihm aber die Hand geschüttelt. Sicher ist aber, dass Tom Meade und seine Thomassima zu den schrägsten Fußnoten in der langen Ferrari-Geschichte gehören. Ob man sie nun wirklich als Ferrari bezeichnen darf, steht auf einem anderen Blatt geschrieben.

Übrigens: Thomassima II stand kürzlich zum Verkauf. 9 Millionen Dollar wurden verlangt. Ob sie jemand bezahlt hat, wissen wir nicht. Und: ein Designer namens Josh Lange baut derzeit an einem weiteren Thomassima, bezeichnet als Thomassima IIII Lacrima Rossa. Anscheinend nach Plänen vom Tom Meade. Ob es die roten Tränen je geben wird, steht noch in den Sternen.

* als Quellen verwendeten wir verschiedene Texte etwa von Top Gear, Top Speed, eBay etc., vor allem aber einen Originaltext von «Road and Track» aus dem Jahre 1970 sowie die Tom Meade gewidmeten Website thomassima.com.

Photos: Road & Track, www.thomassima.com.

(Wir wollen an dieser Geschichte dran bleiben, wenn wir mehr wissen, werden wir das ergänzen.)

Besten Dank an die Kollegen von radical-mag.com.

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