Wolfgang Wolak
„Ich empfinde die europäische Wirtschaftspolitik gegenüber China als katastrophal“

„Ich empfinde die europäische Wirtschaftspolitik gegenüber China als katastrophal“

Pankl-Chef Wolfgang Plasser über die aktuellen Herausforderungen als Zulieferer, die neueste Racing-Erfindung seines Hightech-Unternehmens, sein Verhältnis zur Formel E und seine Zurückhaltung beim Anmelden von Patenten.

autorevue Magazin
Zuletzt aktualisiert am 08.04.2024

Ein Beitrag aus der autorevue 2/2024

autorevue: Pankl Racing steht seit 1985 beinahe synonym für konzentrierte Innovationskraft in der Formel 1. Sind Rennwochenenden für Sie als Unternehmenschef besonders aufregend?

Wolfgang Plasser: Ich bin tatsächlich bei jedem Start eines Formel-1-Rennens aufgeregt. Früher war ich auch oft am Rennwochenende an der Rennstrecke, aber man kann da relativ wenig bewegen, das meiste passiert ja idealerweise davor. Heute bin ich via Fernsehen dabei, und vor Ort haben wir bei vielen Rennen Mitarbeiter, die weitere Entwicklungen mit unseren Kunden besprechen.

Waren Sie immer schon motorsportbegeistert?

Ja, und wie! Eine meiner ältesten Erinnerungen ist aus dem September 1970, als im Radio in den 17-Uhr-Nachrichten DIE Meldung gekommen ist. Ich weiß es noch genau: Ich war in der Küche bei meiner Mutter – es war ein Schock! Ich bin in Altmünster am Traunsee aufgewachsen, dort hat die Familie Köchert ein wunderschönes Anwesen und Jochen Rindt war ein paarmal da, so auch im Sommer vor seinem Tod. Der Ort war in heller Aufregung! Diese von Rindt ausgelöste Motorsportbegeisterung ist übrigens eine Prägung, die Österreich immer noch hat.

Was können Sie über die neuesten F1-Innovationen erzählen, ohne ein Betriebsgeheimnis zu verraten?

In den letzten Jahren ist es stark um die Optimierung der Verbrennung gegangen, für das neue Reglement jetzt wieder, in Zusammenhang mit synthetischen Kraftstoffen. Das ist vor allem für die Kolben, aber auch für das Pleuel eine ganz besondere Herausforderung. Wir haben gerade ein Patent angemeldet, auf das ich sehr stolz bin. Wir haben die Verbrennung noch einmal revolutioniert: Über sehr komplexe Verbrennungsgänge im Zylinderkopf wird dabei sichergestellt, dass der GESAMTE Kraftstoff, oder besser: das gesamte Luft-Kraftstoff-Gemisch verbrannt wird – das bringt bis zu fünf Prozent Leistung, soweit die Erfahrungen am Prüfstand. Das Verfahren ist patentiert, deshalb kann ich auch darüber sprechen. Wir haben es übrigens „Amelie“ genannt (ein Akronym aus „Advanced Motorsport Eddy Large Lean Internal Combustion Engine“, übersetzt am ehesten: Wirbelkammer-Magermotor für den Hochleistungssport; Anm.). Die Technologie ist noch nicht im Renneinsatz, sondern läuft gerade auf ersten Kunden-Prüfständen.

Im Leistungsportfolio von Pankl Racing steht, man gehe „bis an die Grenzen des Möglichen“. Diese Grenzen werden offenbar immer wieder verschoben.

Technik und Technologien bleiben nie stehen. Wenn es im High-End-Rennsport um Performance-Steigerung geht, wenn es also eine Idee gibt, die eine Performance-Steigerung wahrscheinlich macht, dann ist auch immer Geld da, um Forschung und Entwicklung zu finanzieren. Perfor­mance-Steigerung ist das Einzige, was im Rennsport zählt. Als Beispiel: In der NASCAR-Serie haben wir es ungefähr mit 800 PS zu tun. Eine Regel besagt, dass 1 PS mehr Leistung ungefähr zwei Millionen US-Dollar bedeutet, die nur in die Entwicklung investiert werden.

Es gibt immer wieder Rennsport-Kunden, die sich selbst am Pleuel versucht haben. Alle sind nach einer Serie von verlorenen Rennen immer wieder zu uns gekommen.

Wolfgang Plasser, Chef von Pankl Racing

Hat die Grenzverschiebung in erster Linie mit Materialien oder Verfahren zu tun?

Es ist immer ein sehr komplexes System, das optimiert werden muss. Das beginnt beim Leichtbau, die Verbrennung ist ein wesentlicher Schlüssel, bei der Reibungsreduktion geht es um Beschichtungen, Oberflächenbehandlungen, verschiedene Designs, CFD-Berechnung. Und Kühlung ist ein ebenfalls wichtiges Thema. Unser Herzstück ist das Titan-Pleuel. Und wir machen Kolben, 3D-gedruckten Überrollschutz aus Titan, Kurbelwellen, E-Turbo, Getriebekomponenten, Antriebswellen, Radträger, Radnaben.

Wo ist überall Pankl drin?

In allen Hypercars, in allen Supersportwagen mit hoch­drehenden Motoren und hocheffizientem Fahrwerk (das sind Porsche GT, Ferrari, Lamborghini, Bugatti, McLaren, Corvette Z06 und ZR1; Anm.). In den Triebwerken von Rolls-Royce und Pratt & Whitney, in den Antriebssträngen aller westlichen Helikopterhersteller.

Kommt überhaupt irgendjemand an Ihnen vorbei?

Also in der Formel 1 heißt es ja, Pirelli und Pankl gewinnen jedes Rennen. Es gibt kein professionelles Rennauto auf der Welt, das nicht unsere Teile hat. Professionelles Rennauto heißt, dass ein Werk dahintersteht, egal ob Rallye, Super­bike, NASCAR, Dragster etc.

Und Amelie?

Ist für Rennautos. Theoretisch könnte es natürlich auch in Serienautos eingesetzt werden, denn es macht den Verbrenner generell effizienter. In jedem wird es sich nicht auszahlen, in einem 12-Zylinder-Ferrari aber schon. So ein Technologietransfer ist üblich, denn wenn in der Formel 1 etwas entwickelt wird, kostet das ja ein Vermögen. Also findet zehn Jahre später die Technologie dann – zwar in etwas modifizierter Form, aber vom Prinzip her gleich – in die sogenannten Hypercars, fünf Jahre später in die Supersportwagen, und noch einmal zehn bis 15 Jahre später kommt sie dann auch sehr oft in der Serie. Nehmen Sie die Beschichtungen, die man heute in den Verbrennungsmotoren innen im Zylinder hat – die sind alle im Rennsport entwickelt worden. Sie haben enorm viel Geld gekostet und sorgen jetzt dafür, dass die modernen Verbrenner kein Blow-by mehr haben, also engste Toleranzen zwischen Zylinderwand, Kolben und Kolbenring fahren können – das kommt alles aus dem Rennsport.

Kommt der Anstoß für solche Entwicklungen von außen oder auch aus dem eigenen Team?

Als 2014 die neuen F1-Motoren kamen, hat sich jeder gewundert, wie effizient der Mercedes war. Der hatte eine Art Vorkammerzündung und hat deswegen effizienter verbrannt. Daraufhin haben alle nach neuen Ideen gesucht. Wir natürlich auch. Und einer unserer Mitarbeiter hatte dann eine Idee, die unserer Meinung nach riesiges Potenzial hat. Wir wollten das sehr sorgfältig ausarbeiten, es patentieren, dann erst in den Rennsport und danach in den High-Performance-Markt bringen. Deshalb hat es mit Amelie etwas länger gedauert. Ich schätze, dass es 2026 erstmals im Renn­einsatz sein wird.

Und wer wird dann zum Zug kommen?

Wir haben Amelie zuerst einem Kunden aus unserem Konzern in der MotoGP angeboten (die Pankl AG gehört wie KTM, Husqvarna und GasGas zur Pierer Industrie AG; Anm.), aber dann geht das an alle. Jeder, der es haben will, kann es haben. Unsere Titan-Pleuel hat ja auch jeder.

Keine Konkurrenz?

Es kommt darauf an, bei welchem Produkt. Beim Renn­sport-Pleuel eigentlich nicht. Ich bin jetzt seit 20 Jahren bei Pankl, und es gibt immer wieder Kunden, die sich mit einem Lohnfertiger oder selbst am Pleuel versucht haben. Alle sind nach einer Serie von verlorenen Rennen immer wieder zu uns gekommen. Es geht um Know-how und um die Reaktionsgeschwindigkeit. Die Formel-1-Motoren sind ja Prototypen, die permanent weiterentwickelt werden. Und ich traue mich zu sagen: Pankl hat praktisch für jedes Problem eine Lösung, weil wir seit Jahren die ganze Rennsportwelt betreuen.

Im ersten Halbjahr 2023 hat Pankl einen beacht­lichen Aufschwung erlebt. Hat er sich fürs Gesamtjahr gehalten?

Insgesamt sind wir im letzten Jahr um zwölf Prozent gewachsen, wir haben also drei Jahre in Folge mit dem zweistelligen Wachstum abgeschlossen. Das gilt für Pankl Racing ebenso wie für die gesamte Pankl AG, und interessanterweise hat sich auch SHW fast gleich entwickelt. Wobei wir schon merken, dass das heuer nicht stattfinden wird.

Wieso?

Dafür gibt es mehrere Faktoren. Auf der einen Seite ist da ein Projekt, das gerade angelaufen ist, für einen Sport­wagenhersteller. Es geht um sehr große Mengen sehr hochwertiger Motorkomponenten. Es ist das größte Projekt, das Pankl bisher hatte. Letztes Jahr ist es gut angelaufen, und so einen Sprung macht man nicht jedes Jahr und schon gar nicht in dem wirtschaftlich schwierigen Umfeld. Auch gut: Der Rennsport boomt nach wie vor. Die Entwicklungen für 2026 haben bereits begonnen, und erfreulicherweise sind ja wieder mehr Motorhersteller dazugekommen. Audi und Honda sind schon wieder fix, Red Bull sowieso, GM arbeitet daran (der Andretti Cadillac wurde gerade abgewiesen, man rechnet sich aber für 2028 Chancen aus; Anm.). Das ist fast nicht mehr steigerbar.

In anderen Bereichen drücken die hohen Personal- und Energiekosten. In der Schmiede Krenhof hält es sich noch in Grenzen. Wir schmelzen da ja nicht, wir erhitzen nur. Aber bei SHW, also bei den Bremsscheiben, gießen wir Eisen, aktuell mit Koks, das geht preislich noch. Aber alle Kunden wollen, dass wir bis 2030 auf Elektroschmelzen umstellen. Das ist nur unter der Bedingung machbar, dass sich die Kunden vertraglich verpflichten, den Strom zu bezahlen.

Woher kam der Umsatzrückgang im Luftfahrt­bereich im ersten Halbjahr 2023?

Wir haben ein neues Luftfahrtwerk gebaut und sind übersiedelt, was de facto ein Vierteljahr Geschäft gekostet hat. Im Luftfahrtbereich ist so etwas sehr kompliziert. Wenn man eine Maschine nur drei Meter verrückt, braucht man schon neue Freigaben. Dazu kam das weltweite Materialversorgungsthema, das die ganze Luftfahrtindustrie betroffen hat. Nach Corona konnten die Stahlwerke nicht ausreichend schnell hochfahren, die Erholung kam aber viel schneller als erwartet. Und der Ukrainekrieg hat auch seinen Anteil. Die Ukraine hatte ja große Stahlwerke, die komplett zerstört wurden, und gleichzeitig haben die amerikanischen Stahlwerke Rohmaterial für Waffen produziert.

Wer liefert jetzt?

Japan, auch Indien, Amerika und Europa. Böhler etwa könnte noch viel mehr Geschäft machen. Wir standen mit unseren Kunden händeringend beim Böhler-Vorstand, und sie sagten: Wir haben jetzt keine Kapazitäten. Die Engpässe sind nicht mehr so arg, wie sie vor einem Jahr waren, aber sie sind nach wie vor da.

„Ich empfinde die europäische Wirtschaftspolitik gegenüber China als katastrophal“
Zur Person Wolfgang Plasser, geboren 1962 in Gmunden, studierte Handelswissenschaften an der WU Wien, absolvierte Stationen bei KPMG sowie der Investment Bank Austria und war Finanz­vorstand der Vossen AG, bevor er 2003 zu Pankl kam. 2015 bis 2018 war er im Vorstand der KTM Industries AG, heute ist er CEO der Pankl Racing Systems AG und der SHW AG sowie Mitglied des Vorstands der Pierer Industrie AG.

Zum Unternehmen Die Pankl AG ist eine international tätige Unternehmensgruppe, die sich auf die Herstellung von technischen Komponenten für Motorsport, Luxusautos und Luftfahrt spezialisiert hat. Sie hält 100 % der Anteile an der Pankl Racing Systems AG, zu der die Schmiede Krenhof in Köflach und CP-Carrillo in Irvine/CA gehören, und 93,63 % an der SHW AG, einem weltweit führenden Hersteller von CO2-optimierten Pumpen, Motorkomponenten für verschiedene Antriebsstrang­konzepte und Leichtbau-Verbundbremsscheiben. Pankl Racing Systems AG in Kapfenberg entwickelt, erzeugt und vertreibt mechanische Systeme im Hochtechnologiebereich für dynamische Komponenten in der weltweiten Luxusautomobil- und Luftfahrtindustrie. Die Pankl-Gruppe ist eine 100-prozentige Tochter der Pierer Industrie AG. © Bild: Wolfgang Wolak

Wenn 2035 wirklich das Verbrenner-Aus kommen sollte, welche Pläne haben Sie?

Wir sprechen hier von zwei unterschiedlichen Szenarien: Ich bin überzeugt, dass es für die Firma Pankl, die den Luxus­bereich beliefert, auch nach 2035 Kunden geben wird auf der Welt, die Zwölfzylinder-Lamborghinis und Ähnliches haben wollen. Egal, was Europa macht, diese Autos werden auch dann noch verkauft werden. Ich glaube ehrlich gesagt auch, dass es Ausnahmeregelungen für das High-End-Luxus­segment geben wird. Es gibt ja schon die Lex Ferrari, die meines Erachtens allerdings zu tief gegriffen ist. Die Grenze müsste etwas höher angesetzt werden. Jetzt sind es 1000 Autos pro Hersteller, wenn das so bleibt, wird es zig Umgehungsvarianten geben. Wenn man in der Geschichte zurückschaut, in die Zeit vor 100 Jahren: Da wurden Fahrgestelle verkauft und der Kunde hat sich von einem anderen Unternehmen maßgeschneiderte Karosserien darauf bauen lassen, und das könnte wieder so sein. Jemand baut dann auf ein Hochleistungsfahrgestell eine Karosserie und schreibt seinen Namen drauf. Der Motor wird nach wie vor aus dem gleichen Werk kommen. Im Elektrobereich wird das ja jetzt schon teilweise mit Basis-Plattformen so gemacht. Und es wird auch Ausnahmeregelungen für synthetische Kraft­stoffe geben. Europa wird wohl nicht so dogmatisch sein und die Luxushersteller vertreiben, die ja derzeit alle in Europa produzieren. Das wäre der nächste Schuss ins Knie.

Und SHW?

Das ist etwas anderes. Wir machen bei SHW hochwertige Bremsscheiben, die ideal sind für schwere Elektro­autos. 2022 waren alle Neuaufträge, die wir im Bremsscheiben­bereich hatten, für E-Fahrzeuge. Im Pumpenbereich machen wir Thermalmanagementmodule, das ist auch eine neue Geschäftschance, denn eine normale Pumpe für einen Verbrenner verkaufen wir um 20 bis 30 Euro – je nach Stückzahl und Komplexität. Unser Thermalmanagementsystem für ein Elektrofahrzeug kostet zwischen 70 und 100 Euro.

Mit China drängt eine starke Wirtschaftsmacht nach Europa. Wie bewerten Sie das wirtschaftspolitische Verhalten Europas?

Ich empfinde die europäische Wirtschaftspolitik gegenüber China als katastrophal. Ein Beispiel: Europa hat es schon zweimal geschafft, die europäische Photovoltaikindustrie beinahe umzubringen, indem nur die Endkonsumenten gefördert wurden und nicht wie in China die Hersteller. Das heißt, die Endkonsumenten in Deutschland haben vor zwölf, dreizehn Jahren, als es auf einmal billigere Paneele aus China gegeben hat, weil die schon subventioniert aus China exportiert wurden und damit billiger waren, keine deutschen Produkte mehr gekauft, dann kam eine Erholung und jetzt wiederholt sich das Ganze gerade – und mit den Elektroautos passiert genau das Gleiche. Ich halte es für Wahnsinn, chinesische Elektroautos mit europäischen Steuer­geldern zu subventionieren. Ich bin der Überzeugung, dass die Transformationspolitik, die die Europäische Kommission derzeit verfolgt – die eigentlich alle Länder verfolgen, man braucht das gar nicht auf die Kommission schieben –, dass jedenfalls diese Politik Europa wirtschaftlich massiv schadet. So wie es jetzt gemacht wird, ist es überhastet, wirtschaftlich nicht sinnvoll, und dem Klima hilft es auch nicht.

Bereitet Ihnen diese Wirtschaftspolitik schlaflose Nächte?

Pankl Racing wird wenig betroffen sein, davon bin ich überzeugt. Und was die SHW betrifft: Wir haben unsere erfolgreichsten Werke in China und müssen schauen, wie wir uns anpassen. Ich habe allerdings Sorge um die europäischen Standorte, die werden garantiert nicht wachsen. Das Wachstum wird in Zukunft woanders stattfinden – in Asien und teilweise auch in Nordamerika, denn die Amerikaner machen eine viel schlauere Wirtschaftspolitik, schon seit Jahrzehnten.

Wenn man sich ansieht, woraus sich die Pankl AG zusammensetzt: Über die Schmiede Krenhof haben wir gesprochen und über SHW, aber auch CP-Carrillo gehört zum Unternehmen. Wie kam es dazu?

Fred Carrillo war einer dieser Verrückten, die auf den Salzseen in den 1950er-Jahren mit Raketenautos gefahren sind. Carrillo war eigentlich Raketeningenieur in Kalifornien, und hobbymäßig baute er diese Autos. Er schaffte den Weltrekord, verlor dann aber bei einem schweren Unfall ein Bein. Da war es vorbei mit der Rennfahrerei. Seine Kollegen haben ihn dann gebeten, ein Pleuel zu bauen, denn das Zeug, das sie verwendeten, zerbrach dauernd. So hat er 1962 in San Clemente, nördlich von San Diego, eine Pleuel-Firma begonnen. Er war in Amerika dann Marktführer, in der NASCAR sind eine Zeit lang alle mit Carrillo-Pleuel gefahren. Nach seiner Pensionierung hat er an die Dover Group verkauft. Ich habe 2008 den Dover-Chef auf einer Messe getroffen und ihn gefragt, ob er nicht verkaufen will. Wir hatten schon eine Kolbenfirma CP, 50 km entfernt – Pleuel und Kolben, das passte sehr gut zusammen, und nach einem Jahr haben wir die Firmen zusammengelegt.

Gibt es etwas, das Sie noch gerne in Ihrem Unternehmensportfolio hätten?

Also im High End beim Verbrennungsmotor gibt es schon noch das eine oder andere, wo ich Potenzial sehe. Was ich aber ausschließe, ist, dass wir beginnen würden, ein Produkt ganz neu zu machen. Um Know-how von null weg aufzu­bauen, um wirklich im High End anzukommen, das dauert zu lange.

Geht es dabei um Patente, die Sie gerne hätten?

Es geht gar nicht so sehr um Patente. Wir patentieren wenig. Das Amelie-System haben wir wieder patentiert, allerdings möglichst weit, weil Patente relativ leicht umgangen werden können und man damit frühzeitig das Wesen einer Technologie offenlegt. Bei Amelie haben wir lange diskutiert mit unseren Technikern und mit den Patentexperten und haben dann beschlossen, dass wir das diesmal patentieren, weil das System wirklich wesentlich ist. Wobei: In Serie werden wir es lizenzieren und nicht selber machen. Die Kapazitäten, die wir aufbauen müssten, sind zu groß.

Man kann die Innovationskraft eines Unternehmens oder eines Landes also nicht einfach an der Zahl der Patente messen? 

Nur weil etwas patentiert ist, heißt das noch lange nicht, dass es sich am Markt auch durchsetzt. Nehmen wir als Beispiel unser Titan-Pleuel: Wir haben 99,9 Prozent des Weltmarktes – ohne Patent. Es hat immer wieder Wettbewerber gegeben, die es versucht haben, die aber alle gescheitert sind. Da sind Kunden zu uns gekommen, mit Fällen von brennenden Motoren, Schäden im Serienbereich, zigfach. Die haben dann statt für regulär 200 Euro ein Titan-Pleuel aus unserer Rennfertigung für 600 Euro gekauft, nur weil sie schnell etwas gebraucht haben, damit sie überhaupt verkaufen konnten. Also: Ein Patent ist ein Indiz für Innovationskraft, allerdings führt nur ein kleiner Prozentsatz der Patente zu nennenswerten Ergebnissen am Markt.

„Ich empfinde die europäische Wirtschaftspolitik gegenüber China als katastrophal“
Formel-1-Hightech im Hintergrund. Pankl-Racing-Chef Wolfgang Plasser im Gespräch mit Susanne Hofbauer in der Wiener Zentrale der Pierer Industrie AG, zu der die Pankl-Gruppe gehört. © Bild: Wolfgang Wolak

Interessiert Sie eigentlich die Formel E?

Wir liefern in die Formel E, aber ich habe wenig Bezug dazu. Ich hab mir bisher nur ein einziges Rennen angesehen. Ich war gerade auf Ski-Urlaub – 2019 war das –, da hat am Samstagabend das Telefon geläutet, Toto Wolff war am Apparat, er war zu dieser Zeit beim Grand Prix in China. Ich denke: Da muss jetzt viel kaputt geworden sein, wenn er mitten in der Nacht anruft. Ich frage: Was ist los? Er: Ich hab kein Problem, aber Susie (Susie Wolff war zu dieser Zeit Teamchefin von Venturi Racing; Anm.). Seine Frau war da zeitgleich beim Formel-E-Grand-Prix in Rom, am Samstag hatten sie bei drei Trainings sechs Antriebswellenschäden gehabt. Sie war völlig verzweifelt und ich habe für Sonntagmorgen unsere Leute in die Firma bestellt, damit sie sich überlegen, wie wir rasch helfen können. Normale Lieferzeit wären zwei Monate gewesen, aber in zwei Wochen war das nächste Rennen in Paris. Wir haben das irgendwie geschafft. Das Formel-E-­Rennen in Paris habe ich mir dann natürlich schon angeschaut, ich wollte wissen, ob unsere Antriebswelle hält. Und sie hat gehalten.

Bei welchen Motorsport-Events wird man Sie heuer sehen?

Ganz sicher bei der Formel 1 und bei der MotoGP in Spielberg. Das ist gesetzt. Le Mans ist auch immer spannend. Und im Herbst werde ich in Amerika zu einem Dragster-Rennen gehen. Die amerikanischen Kollegen haben mich, na ja, nicht gerade gezwungen, sagen wir: ernsthaft eingeladen, dass ich das einmal sehen und hören muss. Da gibt es schon einen genauen Termin, in der Nähe von Los Angeles.

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