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Die Zukunftsvision von Lamborghini (Anno 1967)

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Die Revolution von Lamborghini. Wo anfangen? Beim Marzal? Vielleicht bei seinem Ursprung, seinem Äußeren, seiner Technik oder…? Alles der Reihe nach.

Der Lamborghini Marzal, womöglich eines der wichtigsten Concept-Cars überhaupt und entscheidend für den Lamborghini Espada. Die Bertone-Studie aus dem Jahre 1967 wurde im Mai 2011 von RM Auctions im italienischen Villa d’Este versteigert. Der Zuschlag erfolgte bei 1,512 Millionen Euro – der höchste Preis, der bis dahin, je für einen klassischen Lamborghini bezahlt wurde. Gute Gründe, uns den Marzal, der nach einem spanischen Kampfstier benannt ist, zu widmen.

Der Ursprung des Lamborghini Marzal

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Der Ursprung des Lamborghini Marzal

Vielleicht war der Vorschlag auch von Gian Paolo Dallara, dem Chefkonstrukteur von Lamborghini, sowie seinem Partner Paolo Stanzani, dem Produktionsleiter von Lamborghini, gekommen. Die kannten den Wunsch ihres Patrons – und hatten ein schlechtes Gewissen, weil sie ab 1965 nicht ihre ganze Kraft in die Konstruktion eines Vierplätzers, in die Weiterentwicklung des 350/400 GT gesteckt hatten.

Die Revolution im Geheimen

Sie hatten heimlich, hinter dem Rücken von Ferruccio und mit Hilfe von Bob Wallace am Miura gebastelt, der zwar den Ruf der Marke wohl auf ewig zementierte und nichts weniger als die ganz große Revolution im Sportwagenbau war, doch halt so gar nicht das, was sich der Chef vorstellte.

Das Auto der Zukunft

Aber vielleicht hatte man auch bei Bertone die Idee zum Marzal. Weil man ja spätestens seit der erfolgreichen Zusammenarbeit mit Lamborghini beim Miura wusste, wonach dem Kunden der Sinn stand. Marcello Gandini, der dank dem Miura 1966 mit 27 Jahren quasi über Nacht zum großen Star der italienischen Designszene geworden war (obwohl die Grundzüge des Miura von Giorgetto Giugiaro entwickelt worden waren und Nuccio Bertone persönlich bei der Vollendung entscheidend mitgeholfen hatte), hatte anscheinend klare Vorstellungen, wie so ein echter Vierplätzer aussehen sollte. Er träumte von einer Welt, wie sie von dem damaligen Science-Fiction-Romanen versprochen worden war, und sein Entwurf sollte der Menschheit zeigen, wie die Autos der Zukunft aussehen sollten.

Video: Lamborghini Marzal

Das Meisterstück feiert seine Premiere

Wir werden es wohl nie erfahren, wer den Anstoß zum Marzal gegeben hatte, doch was ab Ende 1966 auf dem Chassis eines Miura entstand und im März 1967 auf dem Genfer Auto-Salon als so genannter «idea car» mit dem Namen P200 Marzal vorgestellt wurde, das hatte die Welt bis dahin wirklich noch nie gesehen. Gandini lieferte sein Meisterstück ab, seine vielleicht großartigste und vor allem nachhaltigste Leistung. Denn der Marzal beeinflusste nicht nur den ein Jahr später vorgestellten Espada entscheidend, sondern die ganze Geschichte von Lamborghini. Die beim Marzal so intensiv verwendeten Sechsecke sind noch heute in der Designsprache der italienischen Marke zu finden. Außerdem war der Espada eines der wenigen Lambo-Modelle, die auch wirklich Geld in die Kasse spülten. Und Gandini prägte die Sichtweise einer ganzen Generation von (zukünftigen) Auto-Liebhabern, denn der Marzal wurde zu einem der beliebtesten Modelle jener Jahre bei Matchbox, Dinky Toys, Politoys und so weiter; auch der Autor dieser Zeilen mag sich an solch ein Modell erinnern, golden, nicht die Erinnerung, aber das Modellauto.

Die Reaktionen der Autowelt

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Die Reaktionen der Autowelt

Nur die Motorhaube besteht aus Alu, der Rest aus teilweise poliertem Stahl – und aus 4,5 Quadratmetern Glas (zugeliefert von einem belgischen Spezialisten, Glaverbel). Vorne gibt es sechs Scheinwerfer mit Quarz-Iod-Lampen, wohl deshalb, weil sie die kleinsten waren, die damals lieferbar waren; dicke, schwarze Gummilippen anstelle der üblichen Stoßstangen sorgten für Schutz vorne und hinten. Wunderbar auch die Magnesium-Felgen von Campagnolo, die zwar ähnlich waren wie beim Miura, doch viel eleganter. Und dann diese Sechsecke, der Wabengrill hinten – wieder etwas, was es schon beim Miura gab, doch beim Marzal perfektionierte Gandini diese Ansicht.

Spezielle Klimaanlage für ein spezielles Fahrzeug

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Spezielle Klimaanlage für ein spezielles Fahrzeug
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Der erste Lamborghini mit einem echten Heckmotor

Wie schon erwähnt stand der Marzal auf dem Chassis eines Miura; der Radstand wurde um 120 Millimeter auf 2,62 Meter gestreckt, damit auch wirklich vier Personen Platz finden, in ziemlich engen Sitznischen. Doch die Technik des Miura konnte nicht verwendet werden – es wäre zu wenig Platz geblieben. Also operierte man den 4-Liter-V12 die vordere Bank weg, drehte die ganze Geschichte um 180 Grad – und setzte den Reihensechszylinder (2 Liter Hubraum, etwa 175 PS, drei Weber-Horizontalvergaser; geschaltet wurde über ein manuelles 5-Gang-Getriebe) leicht nach vorne geneigt hinter die Hinterachse. Nicht besonders gelungen erscheint uns die Lösung hinten mit dem Kühler und dem Auspuff. Aber das ließ noch etwas Raum für Gepäck – vorne. Der Marzal war (und ist) der einzige Lamborghini bisher mit einem echten Heckmotor; weil er nur 1.310 Kilo wog, sollen die Fahrleistungen ganz ordentlich gewesen sein.

Aber wurde der Marzal überhaupt gefahren?

Und ja, das weiß man, denn der Marzal wurde tatsächlich ausführlich gefahren, etwa vom italienischen Fachmagazin «Quattroruote», das dem Motor einen «lebhaften Charakter» attestierte, und von «Automobile Year», wo man den Marzal zum «Auto des Jahres» erklären wollte. Dies, nachdem anscheinend vier Herren einen ganzen Tag durch die Gegend gebraust waren. Doch noch berühmter ist die Ausfahrt, die Fürst Rainier von Monaco und seine Fürstin Gracia Patricia am 7. Mai 1967 im Rahmen des GP Monaco unternahmen. Und alle, alle konnten die (schönen) Beine jener (schönen) Dame sehen.

Vielen Dank an Peter Ruch von radical-classics.com

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