Lamborghini Jarama: (Noch) günstig zu haben

Es ist dies eines der (wenigen) unterschätzten Modelle aus dem Hause Lamborghini, von denen noch geträumt werden darf, die Rede ist vom Jarama.

radical mag
Zuletzt aktualisiert am 31.03.2021

Die frühe Geschichte von Lamborghini ist noch so einigermaßen übersichtlich. Der Vorgänger des Lamborghini Jarama war der Islero, der nur von 1968 bis 1970 gebaut wurde – und heute kaum mehr wahrgenommen wird. Warum die Karriere des Islero so kurz war, das ist schwierig zu eruieren, aber Ferruccio Lamborghini war bekannt dafür, dass er ein wenig ungeduldig war. Es heißt, er sei gar nicht zufrieden gewesen mit der Eleganz des Wagens, auch im Vergleich zu den 350/400 GT, den ersten Lamborghini. Dazu kam, dass der Islero die neuen amerikanischen Sicherheitsbestimmungen nicht mehr erfüllte. Und außerdem ging es schon damals darum, ganz besonders für einen so kleinen Hersteller wie Lamborghini, Synergien zu nutzen, und folglich erhielt der 1970 auf dem Genfer Salon vorgestellte Jarama den Unterbau des Espada (gebaut ab 1968), allerdings mit deutlich verkürztem Radstand. Und auch gleich noch dessen Motor, den bekannten 3,9-Liter-V12. Geschaltet wurde über ein 5-Gang-Getriebe von ZF; ein einziges Exemplar des Jarama wurde auch mit einer Automatik ausgeliefert.

Lamborghini Jarama, agil und stabil

So ausgerüstet, also: 350 PS stark, war der Jarama ein feines Automobil. Er marschierte in weniger als 7 Sekunden von 0 auf 100 km/h und war 250 km/h schnell (nicht elektronisch eingebremst). Und weil der Radstand doch recht kurz war, nur 2,38 Meter (Espada: 2,65 Meter), war der Lamborghini auch ein erfreulich handliches Teil, sehr agil in den Kurven, und doch ausreichend stabil auf der Autobahn (was zum Beispiel vom legendärsten aller Lamborghini, dem Miura, nicht behauptet werden kann). Allerdings wog er, irgendwie unerklärlicherweise, auch 1,6 Tonnen – und war damit mehr als 100 Kilo schwerer als der definitiv größere Espada. Offiziell wurde der Jarama als 2+2 bezeichnet, es gab hinten ganz anständige Notsitze (allerdings mit null Beinfreiheit), doch eigentlich war der Lambo ein klassischer Zweisitzer mit erfreulich viel Platz und einem richtig großen Kofferraum.

Video: Hier ein 1972 Lamborghini Jarama 400 GT

Abrisskante und Schlafaugen

Das Design des Jarama stammte von Lamborghini-Hausdesigner Marcello Gandini, der schon den unsterblichen Miura und auch den Espada gezeichnet hatte. Außergewöhnlich waren die hintere Abrisskante sowie die «Schlafaugen»-Scheinwerfer, deren Abdeckungen elektrisch nach unten bewegt werden konnten. Gandini war zwar ein Verfechter von Klappscheinwerfern, doch sein Chef hasste die Dinger, so waren diese «Schlafaugen» wohl ein Kompromiss. Und auch eine der Schwächen des Jarama, man sah noch so manchen mit hängendem Augenlid. Ein anderer Italiener jener Jahre, der Iso Lele, verfügte über die gleiche, doch sehr außergewöhnliche Konstruktion.

Ein seltenes Stück und der letzte Frontmotor

Bereits 1972 wurde der Jarama überarbeitet, nachdem nur gerade 177 Stück gebaut worden waren. Der Jarama S wurde dort verbessert, wo der Jarama seine Schwächen hatte: es gab größere Lufteinlässe sowie -auslässe für eine bessere Kühlung, endlich wurde eine Servo-Lenkung verbaut (vorher war der Lamborghini so streng zu lenken wie ein Traktor, aber das lässt sich ja aus der Geschichte von Lamborghini erklären). Das Armaturenbrett wurde deutlich konservativer gestaltet (zuvor gab es eine Art Klavier-Tastatur, die man nicht als intuitiv bedienbar bezeichnen kann) – und mit einer neuen Auspuffanlage gab es auch noch 15 zusätzliche PS, also: 365 insgesamt. Aber auch der Jarama S blieb ein rares Stück, genau 150 Stück wurden zwischen 1972 und 1976 hergestellt. Der Jarama sollte der letzte Lamborghini mit Frontmotor sein.

Lamborghini Jarama: (Noch) günstig zu haben
© Bild: RM Sotheby's
1970 Lamborghini Jarama 400 GT by Bertone

Mindestens 5 Gründe sprechen für den Jarama

  1. So ein Jarama trägt also einen großen Namen (Jarama ist der Name eines Flusses – und einer Region in Spanien, die berühmt ist für ihre wilden Stiere),
  2. er ist selten (327 Stück),
  3. er wurde von einem berühmten Designer gezeichnet (Gandini),
  4. er verfügt über einen feinen Zwölfzylinder-Motor und
  5. doch ist er verhältnismäßig günstig, bleibt, mit Ausnahmen, weiterhin im fünfstelligen Bereich. Wenn man bedenkt, welche Preise für Ferrari aus den gleichen Jahren bezahlt werden, dann ist so ein Jarama wirklich ein Schnäppchen. Es gibt noch weitere Gründe für den Kauf eines Jarama…

Zwei Jarama hingegen kosten richtig viel Geld

Der eine steht im Lamborghini-Museum in Sant’Agata (da kann man auch übernachten!) – und war das persönliche Exemplar von Ferruccio Lamborghini, über viele Jahre. Das andere ließ der legendäre Lamborghini-Testfahrer Bob Wallace nach seinen eigenen Vorstellungen umbauen, er ließ die «Schlafaugen» weg, die Karosserie wurde zum größten Teil aus Alu gefertigt, auf eine Innenausstattung wurde fast vollständig verzichtet. Der V12 leistete mindestens 380 PS, so war der Jarama Sport dann mindestens 270 km/h schnell und beschleunigte in weniger als 5 Sekunden von 0 auf 100. Im Rennsport wurde dieser «böse» Lamborghini aber nie eingesetzt.

Video: Im Lamborghini Museum

(ab Minute 2:40 ist der Jarama 400 GT 2+2 zu sehen)

Ja und wie fährt sich so ein Jarama aus dem Jahr 1972?

Wir durften einen braun-goldenen Jarama, einen 72er aus der ersten Serie, fahren – und haben uns so ein bisschen verliebt. Er ist so überhaupt nicht zickig – er springt problemlos an, er blubbert ein bisschen im Leerlauf, die Gänge lassen sich ganz locker einlegen, die Kupplung ist auch kein Problem. Ja, bei höheren Drehzahlen, so ab 3500/min, macht er schon richtig Lärm, aber das ist angenehm im Ohr, nicht so, wie wir das von anderen italienischen Zwölfzylindern kennen, die dann in ein eher hysterisches Kreischen verfallen (das wir allerdings über alles lieben). Der Jarama ist ein italienischer Gentleman, er hat Charme, er hat Temperament, er hat Ausstrahlung – und er geht richtig gut. Und das absolut klaglos. Kein Sportwagen, aber ein ganz klassischer Gran Turismo, von der Fahrfreude her – unserer bescheidenen Meinung nach – höher einzuordnen als zum Beispiel ein Aston Martin DB6. Ob es jetzt der schönste Lambo aller Zeiten ist, das wagen wir zu bezweifeln.

Eigentlich fehlt nur noch die Heckklappe

Die Sitze, naja, gerade viel Seitenhalt bieten sie nicht. Und die Gestaltung des Cockpits, das ist auch eher Geschmackssache; wahrscheinlich wird man sich, irgendwann, an die Klavier-Tastatur gewöhnen. Oder auch nicht. Dafür bietet der Jarama überraschend viel Platz – richtig cool wäre er, wenn er eine Heckklappe hätte. Wir sind höchst erfreut über seine Agilität, er lässt sich erfreulich präzis durch die Kurven dirigieren, wirkt schon fast ein bisschen nervös, was auf den relativ kurzen Radstand zurückzuführen sein dürfte. Ja, ein knackiges Getriebe ist anders, aber das war damals halt so (es ist beim Countach, zum Beispiel, ja auch nicht besser). Zudem hat der Lambo ja auch genug Drehmoment, man kann ihn ziemlich schaltfaul bewegen.

Die beiden hier gezeigten Modelle wurden von RM Sotheb’s 2017 versteigert

  • 1970 Lamborghini Jarama 400 GT by Bertone / Chassis no. 10018 / Engine no. 40357 / Um 128.800 Euro verkauft
  • 1971 Lamborghini Jarama 400 GT by Bertone / Chassis no. 10066 / Engine no. 40505 / Um 115.500 US-Dollar verkauft

Vielen Dank für diesen Beitrag an die Kollegen von radical-mag.com