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An was liegt es jeweils, ob ein Fahrzeug zu einem begehrten Klassiker wird? Was macht es aus, ob die gebotenen Preise in den Himmel rasen? Oder dann umgekehrt: warum schaffen es gewisse Fahrzeuge nicht zum ganz grossen Ruhm? Wir wissen es auch nicht, aber wir möchten hier einen Ferrari vorstellen, der immer im Schatten stand – und das ohne erkennbaren Grund.


Ferrari 365 GTC/4, der Bucklige
Es ist die Geschichte zweier Brüder. Da ist einerseits der 365 GTB/4, besser bekannt als Daytona. Und andererseits der 365 GTC/4, den wir hier vorstellen wollen. Der Unterschied zwischen «fame» und «shame» besteht also aus einem einzigen Buchstaben. Vom GTB/4 wurden zwischen 1968 und 1974 1.280 Stück gebaut, vom GTC/4 zwischen 1971 und 1973 nur 505 Exemplare (oder waren es 500? Oder waren es 570? Die Produktionsnummern laufen von 14.179 bis 16.289). Schon in den 70er Jahren wurde der GTC als der «vergessene Ferrari» bezeichnet. Er hieß außerdem noch «il gobbone», der Bucklige, was er der Form seiner Fahrgastzelle zu verdanken hatte, oder auch: die Banane.


Kein Karosserieteil gleicht einem des GTB/4
Dabei sieht er doch gar nicht so schlecht aus, das Design stammte wie beim Daytona von Pininfarina, verantwortlicher Designer war Filippo Sapino. Einzige optische Schwäche, vielleicht: die Front mit dem breiten Kühlergrill, der von einer umlaufenden, schwarzen Gummistoßstange eingefasst wurde. Doch dies war den amerikanischen Sicherheitsbestimmungen geschuldet. Und ja, vielleicht ist der GTC/4 tatsächlich ein wenig weniger aufregend geformt als der GTB/4, weniger aggressiv. Es ist übrigens kein einziges Karosserieteil gleich bei den beiden Brüdern.


4,4-Liter-V12 mit 6 Doppel-Webervergasern
Dafür hat der GTC/4 diese wunderbare lange Fronthaube. Dafür gab es sogar einen technischen Grund: beide Fahrzeuge verfügten über den gleichen 4,4-Liter-V12, diese wunderbare Colombo-Maschine, doch beim GTC/4 wurden die 6 Weber-Doppel-Fallstromvergaser (Typ 38DCOE59/60) seitlich angebracht, damit der Vorderwagen flacher ausgelegt werden konnte. Noch ein technischer Unterschied: während der Daytona das Getriebe hinten hat (Transaxle-Bauweise), wurde der 5-Gänger beim GTC direkt an den Motor angeflanscht. Man könnte nun sagen, diese Konstruktion sei weniger aufwendig, weniger sportlich, doch der GTC/4 verfügte über eine nahezu perfekte Gewichtsverteilung von 51 (vorne) zu 49, dies auch deshalb, weil der Radstand gegenüber dem GTB/4 um 10 Zentimeter gestreckt wurde (damit die hinteren Passagiere dieses 2+2 wenigstens einen Hauch von Knieraum verspürten; richtig tauglich waren diese Notsitze aber nicht, dafür konnte man sie herunterklappen, damit wuchs der Kofferraum dann auf beachtliche Größe).
Besser zu „handeln“ als der Daytona
Kenner sagen auch, der GTC sei einfacher zu fahren, weniger hecklastig. Die Leistung war bei beiden Modellen gleich, offiziell 352 PS, inoffiziell eher 340, für den amerikanischen Markt dann 320. Warum die offiziellen Fahrleistungen – Höchstgeschwindigkeit 260 km/h, 0 auf 100 km/h in 6,7 Sekunden – deutlich weniger souverän ausfielen als beim 365 GTB/4, das kann nur Ferrari beantworten.


Einzige Karosserievariante war das Coupé
Im Gegensatz zum 365 GTB/4 gab es den 365 GTC/4 nur als Coupé; ein Spyder entstand nachträglich (Chassisnummer 14.963). Dann gab es noch einen Umbau von Felber, Chassisnummer 16.017. Dieser Wagen wurde zuerst als Beach-Car entwickelt, 1976 auf dem Genfer Salon auch so gezeigt, ohne Dach und ohne Türen. Dann wurde daraus ein Shooting Brake gebastelt, der 1977 in Genf vorgestellt wurde, anscheinend ein Entwurf von Giovanni Michelotti. Nach dem Salon wurde wieder die Beach-Car-Karosse verwendet, der Wagen ist heute im Besitz eines Schweizer Sammlers.


Das hier gezeigte Exemplar, Chassisnummer 15.859, wird am 8. März von RM Auctions auf Amelia Island versteigert, erwartet werden ab 225.000 Dollar. Das ist allerdings relativ viel für einen 365 GTC/4, denn obwohl 2013 auch schon einmal ein Exemplar für 275.000 Dollar verkauft wurde, so blieben die meisten «gobbone» in den vergangenen zwei Jahren deutlich unter 200.000 Dollar. Für die GTB/4 wurden auch schon über 750.000 Dollar bezahlt…
Vielen Dank an die Kollegen von www.radical-mag.com

