Der Untergang der britischen Autoindustrie: Die Politik

Wir analysieren den Untergang der britischen Autoindustrie. Diesmal widmen wir uns den politischen Hintergründen.

Veröffentlicht am 27.04.2015

Wir wollen in einer Mini-Serie den Untergang der britischen Automobilwirtschaft beleuchten und erklären. Neben dieser Geschichte führen noch zwei weitere in den Abgrund:

Der Untergang der britischen Autoindustrie

Stell dir vor, du hast einen Industriezweig, um die dich die halbe Welt beneidet und deine Politiker erklären ausgerechnet den zu einem Versuchslabor für politische Maßnahmen, die nirgendwo sonst funktioniert haben.

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Der Grundstein dafür wurde noch im zweiten Weltkrieg gelegt, in dessen Verlauf die meisten großen Industrien in England verstaatlicht wurden. Nur die Autobranche nicht. Eine Inkonsequenz, die sich als der große Geburtsfehler herausstellen sollte. Denn obwohl dieser Zweig offiziell selbstständig war, wurde er dennoch in das britische Regierungsprogramm zur Aufrechterhaltung der Vollbeschäftigung gezwängt. Verstaatlichung wie Privatisierung haben Vor- und Nachteile, über die gestritten werden kann. Aber eine Mischform ergibt aus keinem Blickwinkel Sinn.

Als die volkswirtschaftlichen Probleme Ende der 1950er Jahre eine politische Reaktion erforderten, legte der Staat ein Subventionsprogramm auf. Um das vereinbarte Ziel der Vollbeschäftigung zu erreichen, mussten die Autohersteller neue Fabriken bauen. Vornehmlich in Regionen, in denen die Arbeitslosigkeit besonders hoch war.

Kampf gegen die Arbeitslosigkeit

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In der Folge gab es in England Ende der 1960er stolze 42 Autofabriken und eine Überproduktion, die es den Markenleitern unmöglich machte, kostendeckend zu kalkulieren. Dazu kam ein Problem mit den Arbeitern. Vor kurzem noch arbeitslose Fabrikarbeiter vom Land werkelten neben lang gedienten Angestellten. Jaguar-Mitarbeiter arbeiteten neben Triumph-Mitarbeitern. Kurzum: die Gehaltsunterschiede waren enorm und die Unzufriedenheit unter den Arbeitern genauso.

Eine Unzufriedenheit, die sie selbst zu beenden gedachten. Zwischen 1960 und 1979 war jeder zweite Brite der Arbeiterklasse in der Gewerkschaft. Dadurch hatten sie die Macht, politische Ziele festzulegen oder sie zu torpedieren. Das oberste Ziel, die Vollbeschäftigung, war das größte Druckmittel. Fielen einem Unternehmen durch Streiks Einnahmen weg, hätte es im Extremfall Arbeiter entlassen müssen. Unter den Augen der Politik und der Öffentlichkeit ginge das natürlich nicht.

Die Macht der Gewerkschaft

Quasi als Bonus konnten die Gewerkschaften auch gesellschaftliche Ziele in die Agenden der Politiker diktieren. Das wichtigste davon, das der Autoindustrie die finanzielle Luft zum Atmen nahm: regelmäßige Lohnsteigerungen (für eine künstlich viel zu groß gehaltene Arbeitnehmerschar).

Novelty mugs are displayed for sale on a stand at the Trades Union Congress in Liverpool, northern England
© Bild: REUTERS/Phil Noble

Höhepunkt des totalen Stillstands war das Jahr 1979. Die Dauerkrise der Volkswirtschaft, ein Perma-Konflikt zwischen Gewerkschaft und Industrie und das erfolglose Krisenmanagement hatten sich verschränkt. Margaret Thatcher löste das Problem wie Alexander der Große den gordischen Knoten.