VW Tiguan: Wo ist die Konkurrenz?

Im Test des neuen VW Tiguan stellt sich die Frage, ob das SUV denn nun alles besser als sein Vorgänger und die Konkurrenz kann. Gibt es überhaupt Konkurrenz?

radical mag
Veröffentlicht am 13.10.2016

Im Test zeigt der neue VW Tiguan eindrucksvoll, dass der Konzern – neben dem Getös rund um den Abgasskandal – immer noch hervorragende Fahrzeuge baut. Auch die komplette Erneuerung des Tiguan wurde da fast ein wenig zur Randnotiz. Dabei handelt es sich um den Bestseller unter den kompakteren SUV, den Marktleader in vielen Ländern, also: einen wahren Publikumsliebling. Und ein Fahrzeug, das in vielen Bereichen die Latte ist, nach der sich die Konkurrenten zu strecken haben. Dass der Wolfsburger jetzt auf dem Modularen Querbaukasten (MQB) aufbaut, ist sicher auch kein Nachteil. Und deshalb: Test VW Tiguan. In einer mittleren Ausführung, 190-PS-Diesel, DSG, Allrad.

Nähern wir uns dem neuen VW Tiguan von außen

Mit dem Tiguan ist Volkswagen spät auf das Züglein der SUV aufgesprungen, erst 2007. Und fast zehn Jahre dauerte es, bis VW jenem Pferdchen im Stall, das zu den margenträchtigsten gehört, eine neue Form verpasste. Das ist eine kleine Ewigkeit, doch es zeigt halt auch auf, dass die Kunden solche Fahrzeuge quasi «blind» kaufen. In Sachen Optik machen die Wolfsburger beim neuen Modell sicher wieder nichts falsch, der Tiguan sieht aus wie ein kleiner Touareg – und gerade bei den SUV streckt sich die Klientel gerne nach oben, ein «sport utility vehicle» scheint ja sowieso mehr (Abenteuer, Raum, Image, etc.) als es tatsächlich ist beziehungsweise hat. Wir empfinden jetzt allerdings diese Plastikbeplankungen sowie die ausgestellten Radläufe nicht unbedingt als gelungen, da besteht das gleiche Problem wie beim Audi Q7; es wirkt alles etwas aufgesetzt, nachträglich angepappt. Wie auch immer, von vorne ist der Tiguan klar als VW erkennbar, wie alle Wolfsburger Modelle vom up! bis zum Touareg.

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© Bild: Peter Ruch

Innen dagegen gibt es rein gar nichts zu mäkeln

Das ist schon sehr sauber, wie die Wolfsburger das Interieur vom Golf her hochdeklinieren, ausgezeichnete Ergonomie, blind verständliche Bedienungsführung, es ist alles da, wo es sein muss. Allerdings: wenn man die Innenleben der neuen Volvo, Renault und auch Citroën anschaut, dann wirkt das im VW schon fast ein wenig veraltet, der Touchscreen zu klein, noch zu viele Knöpfchen und Schalterchen. In den vier Jahren, seit der MQB nun auf dem Markt ist, hat sich gerade beim Interieur-Design viel getan – und «state of the art» ist der gebeutelte Konzern in diesem Bereich nicht mehr. Was hingegen die Verarbeitung betrifft sowie die verbauten Materialien, da ist VW weiterhin ganz weit oben; man weiß fast nicht mehr, was den massiven Aufpreis eines Audi noch rechtfertigen könnte. Sitze gut, vorne, nicht gerade übermäßiges Raumangebot in der zweiten Reihe, trotz fast 8 Zentimeter mehr Radstand im Vergleich zum Vorgänger. Aber dafür ein mit 615 Liter Fassungsvermögen sehr gut nutzbarer Kofferraum. Der sich bei abgeklappten Rücksitzen auf 1.655 Liter erweitern lässt.

Richtig gutes Fahrverhalten

Was richtig gut ist beim Tiguan: das Fahrverhalten. Man muss schon einen sehr feinfühligen Hintern haben oder einen extrem schweren Gasfuß, um große Unterschiede zum Golf auszumachen. Selbstverständlich baut dieser weniger hoch und hat auch weniger Bodenfreiheit, doch dort draußen im Alltag spürt man das kaum. Der Tiguan ist sogar etwas komfortabler, das Plus an Distanz zum Boden verhilft ihm zu einem Plus an Komfort. Ganz subjektiv wahrgenommen ist die Abstimmung des Fahrwerks aber immer noch auf der eher sportlichen Seite, sprich: etwas zu hart. Denn so richtig hart rannehmen wird einen Tiguan niemand wollen, weder auf Asphalt noch abseits der Straßen. Er könnte immerhin ganz nett off-road, 4Motion, klar, elektronische Differentialsperren, unterschiedliche Fahrmodi – das macht der VW wohl so gut wie keiner seiner direkten Konkurrenten. Andererseits: so viel Kompetenz kostet ja dann immer auch viel Geld.

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© Bild: Peter Ruch

Sehr guter Wert beim Verbrauch

Der aufgeladene 2-Liter-Diesel-Motor mit 190 PS kommt mit dem Tiguan bestens zurecht. In Verbindung mit dem quasi ruckfrei arbeitenden 7-Gang-DSG bewegt sich der doch über 1,7 Tonnen schwere Wagen sehr souverän, wirkt auch am Berg nicht angestrengt, gefällt, wenn er sich einmal warmgelaufen hat, auch mit einer angenehmen Ruhe. Die 400 Nm maximales Drehmoment, die schon ab 1.900/min zur Verfügung stehen, sind wie eine Wand; das kann schon sehr überzeugen. Es kommt dann noch dazu, dass der Tiguan die Werksvorgabe von 5,7 Litern Verbrauch auch im Alltag fast erreichen kann; mit 6,5 Liter im Schnitt gab er sich im Test zufrieden. Und das ist ein sehr guter Wert, wenn man Gewicht, Aerodynamik und überhaupt Bauart des Fahrzeugs berücksichtigt. Bei aller Häme, die da auf den Volkswagen-Konzern prasselt: die Diesel sind und bleiben «benchmark» in Sachen Verbrauch und auch Fahrfreude.

Die Sache mit dem Preis

Doch es muss ein anderes Thema auch noch angesprochen sein beim Tiguan: der Preis. Unser Testwagen, Ausstattungslinie Highline und besagter 190-PS-Diesel, ist mit einem Basispreis von 47.600 Euro angeschrieben. Das ist schon mal reichlich. Inklusive der Sonderausstattungen steigt der Preis dann auf über 55.000 Euro. Und das ist dann – was wollen wir dazu noch schreiben? Wobei, es geht ja selbstverständlich noch mehr, denn da gibt es ja auch noch den 240-PS-Diesel, da legt man schon beim Basispreis noch einmal gut fünf Tausender obendrauf. Sicher ist aber auch: der Wiederverkaufswert bleibt gut.

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© Bild: Peter Ruch

Für die Konkurrenz wird es noch schwerer

Der neue Tiguan macht nicht nur mehr her als sein Vorgänger – er kann auch fast alles jenes Quentchen besser, das man von einem Nachfolger erwarten kann. Das bedeutet nun aber auch: für die Konkurrenz wird es noch schwerer. Die ganz großen Emotionen weckt auch dieser Volkswagen nicht, aber die Summe seiner Qualitäten ist ziemlich beeindruckend. Wir würden auch keine Sekunde am andauernden Erfolg des Tiguan zweifeln – wenn da nicht der Skoda Kodiaq wäre.

Vielen Dank für diesen Beitrag an die Kollegen von radical-mag.com

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