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Der 6.3l FSI W12 im A8 L.

Das Manifest: der W12 von Piëch

„Ein Manifest, das der technologische Hammerwerfer Ferdinand Piëch mit derartiger Wucht losgeschleudert hat, dass es noch weit bis in die Zukunft hinausfliegen wird“ sei der W12-Motor.

asphaltfrage
Veröffentlicht am 29.08.2022

Dass der W12-Motor eigentlich gar kein W ist, sollte sich mittlerweile herumgesprochen haben. Schließlich macht selbst VW keinen Hehl daraus. Immerhin: Es hat mal einen gegeben. Aber der war bloß aus Holz (und eher mäßig lackiert) im Audi Avus quattro von 1991 montiert.

Der W12-Motor ist eigentlich ein „Quasi-W“

Zum „Quasi-W“ kam der Volkswagen-Konzern der Legende nach durch, eh klar, Ferdinand Piëch. Der W18-Zylinder vom Typ Isotta Fraschini Asso 750 faszinierte ihn schon immer und mit dem (damals) brandneuen VR6-Motor hatte man in Wolfsburg einen Motor, der als Basis geeignet erschien. Eine Serviette, ein paar Striche und Gesten später, schon war der Entwicklungsauftrag für die Motorenmannschaft um Dr. Karl-Heinz Neumann klar: 2 x VR6= W12-Motor.

Der 6.3l FSI W12 Motor im A8 L.
Der 6.3l FSI W12 im A8 L. © Bild: Werk

Allein der Kurbeltrieb ist ein Maschinenbau-Meisterstück

Die siebenfach gelagerte Schmiedekurbelwelle nimmt die 12 extrem schmalen Pleuel nicht wie bei einem herkömmlichen V12 auf, sondern muss Dopplung der VR6-Motoren Rechnung tragen. So beträgt der Zylinderwinkel pro Bank 15°, insgesamt stehen sich die beiden VR-Blöcke mit 72° Winkel gegenüber. Um den für einen V12-typischen Zündabstand von 60° zu wahren, sind die Hubzapfen der jeweils gegenüberliegenden Zylinder um 12° gekröpft (split in).

Der Zylinderblock des W12-Motors.
Der Zylinderblock des W12. © Bild: Werk

Ebenfalls vom VR-Motor wurde die Zylinderschränkung übernommen

Da die benachbarten Zylinder sich durch den engen Bankwinkel im Bereich des unteren Totpunktes zu nahe kommen würden, versetzten die Entwickler die Zylindermittelachsen zur Parallele der Kurbelwellendrehachse, um mehr Platz zu gewinnen. Die deshalb bedingte Schrägstellung der Pleuel verursacht nicht nur einen höheren Druck der Kolben auf die Zylinderaußenwand, sondern auch eine asymmetrische Bewegung von Kolbenhub zu Kurbelwellenumdrehung.

Der Steuertrieb.
Der Steuertrieb des W12. © Bild: Werk

Diesem Phänomen trat man mit einer besonderen Kröpfung der Hubzapfen einer Ebene entgegen. Es liegt bei 21,833°. Außerdem sind die Steuerzeiten für die geraden und ungeraden Zylinder unterschiedlich, um die Asymmetrie auszugleichen.

Ausgleichen müssen auch die Kolben

Denn der Bankwinkel von 15° innerhalb des VR-Blocks und der plane Zylinderkopf bedingen einen schrägen Kolbenboden. Um die Kolben nicht zu schwer werden zu lassen, sind die Alusil-Teile mit einem besonders schlanken Kolbenhemd ausgestattet. Um gute Reibwerte innerhalb des ebenfalls aus einer Aluminium-Silizium-Legierung gefertigten Blocks gering zu halten, sind die Kolbenhemden mit einer dünnen Ferrostan-Schicht versehen.

Nachteil von erhöhter Reibung

Denn nicht nur für Verbrauch und Haltbarkeit ist erhöhte Reibung von Nachteil, auch würde sie höhere Temperaturen im Motorblock verursachen. Und damit kämpft der kompakte Motor durch die Nähe seiner Brennräume sowieso schon. Im W-Motor haben die Ingenieure das Problem durch ein großes Kühlmittelbecken zwischen den beiden Zylinderbänken entschärft. Neben der riemengetriebenen Wasserpumpe gibt es außerdem mehrere elektrische Zirkulationspumpen und nicht nur einen, sondern insgesamt drei Wasserkühler neben einem Öl- und einem Getriebeölkühler.

Auch die Ölversorgung hat im W12 eine spannende Aufgabe

Zu Beginn seiner Bauzeit wurde sogar ein teures und aufwändiges Trockensumpfsystem verwendet, in der Ausbaustufe des 6.3 Liter großen FSI-Aggregates mit Zylinderabschaltung kümmert sich allerdings eine herkömmliche Druckumlaufschmierung um die Ölversorgung.

Das soll allerdings nicht heißen, dass im Laufe der Weiterentwicklung des Prestigemotors der Rotstift regiert hätte. Es wurde schlicht festgestellt, dass mit einer geschickten Anordnung von Schwallblechen rund um den Saugschnorchel der Ölpumpe der Öldruck auch bei – für eine Limousine diesen Formats – hohen Querbeschleunigungen jederzeit im ausreichendem Maß sichergestellt werden kann. Technische Finessen wie die Integration von FSI-Direkteinspritzung und Zylinderabschaltung zeugen davon, dass der W12 auch heute noch besonderen Status besitzt.

Zylindermittelachse des W12-Motors.
Zylindermittelachse des W12. © Bild: Werk

Platzmangel im Zylinderkopf

Bemerkenswert auch, dass man zur Gewährleistung eines stabilen Einspritzdrucks eine Ausgleichsrail unterhalb der eigentlichen Kraftstoffrail einbauen musste. Für eine größere Kraftstoffrail wäre schlicht kein Platz gewesen. Der Platzmangel im Zylinderkopf, wie auch die besondere Kinematik bei der Ventilsteuerung (trotz vier Ventilen pro Zylinder und vier Zylinderbänken besitzt der W12 nur vier Nockenwellen!) bedingten überdies eine andere Art der Zylinderabschaltung, als man sie aus den kleineren Modellen der Ingolstädter kennt.

Legen dort verschiebbare Nocken in einem Lastbereich unter 250Nm und 3000 Umdrehungen jeweils zwei, bzw. vier Zylinder komplett still, bleiben beim COD-System (cylinder on demand) des W12 die Ventile aktiv. Die Motorsteuerung blendet lediglich Einspritzung und Zündung für eine komplette Bank aus. Die geringeren Drosselverluste, durch die mit entsprechend höherer Last laufende verbleibende Bank, machen die Pumpverluste der leerlaufenden, abgeschalteten Bank mehr als wett und rechtfertigen den Einsatz der Zylinderabschaltung im Hinblick auf eine gesteigerte Effizienz. Und damit bei längeren Phasen der Abschaltung der Katalysator der inaktiven Seite nicht zu stark auskühlt, wechselt die Motorsteuerung die Zylinderbänke nach einer gewissen Zeit.

Das Manifest: der W12 von Piëch
© Bild: Werk

Audi A8 als Saugmotor-Variante

Dem Platz geschuldet ist im Übrigen auch der Einsatz im Audi A8 als Saugmotor-Variante. Die Turbolader, die man etwa im Bentley Continental am W12-Motor findet, passen schlicht nicht in den Ingolstädter. Deshalb hat man bei Audi auch den Hubraum auf 6.3 Liter erhöht, um im Konkurrenzumfeld nicht abreißen lassen zu müssen.

Alle verwendeten W12-Varianten von Volkswagen

Audi A8

  • Audi A8 6.0 W12 (D2/4D) mit 309kW/420PS und 550Nm von 2001 bis 2002.
  • Audi A8 6.0 W12 (D3/4E) mit 331kW/450PS und 580Nm von 2004 bis 2010.
  • Audi A8 6.3 W12 FSI (D4/4H) mit 368kW/500PS und 625Nm von 2011 bis 2013.
  • Audi A8 6.3 W12 FSI COD (D4/4H) mit 368kW/500PS und 625Nm von 2014 bis 2017.

Bentley Continental

  • Bentley Continental GT(C) 6.0 W12 Biturbo mit 412kW/560PS und 650Nm von 2003 bis 2011 (GTC von 2006 bis 2011).
  • Bentley Continental GT(C) 6.0 W12 Biturbo mit 423kW/575PS und 700Nm von 2011 bis 2018.
  • Bentley Continental GT(C) Speed 6.0 W12 Biturbo mit 449kW/610PS und 750Nm von 2007 bis 2011 (GTC von 2009 bis 2011).
  • Bentley Continental GT(C) Speed 6.0 W12 Biturbo mit 460kW/625PS und 800Nm von 2012 bis 2018 (GTC von 2012 bis 2018).
  • Bentley Continental GT Speed 6.0 W12 Biturbo mit 467kW/635PS und 820Nm von 2014 bis 2016.
  • Bentley Continental GT(C) Supersports 6.0 W12 Biturbo mit 463kW/630PS und 800Nm von 2009 bis 2011 (GTC nur 2011).
  • Bentley Continental GTC Supersports ISR 6.0 W12 Biturbo mit 471kW/640PS und 800Nm nur 2011.
  • Bentley Continental Flying Spur mit 411kW/560PS und 650Nm von 2005 bis 2013.
  • Bentley Continental Flying Spur Speed mit 449kW/610PS und 750Nm von 2008 bis 2013.
  • Bentley Continental Flying Spur mit 460kW/625PS und 800Nm von 2013 bis 2019.
  • Bentley Bentayga mit 447kW/608PS und 900Nm von 2016 bis 2019.
  • Bentley Bentayga Speed mit 467kW/635PS und 900Nm von 2019 bis 2020 bzw. seit 2020.

VW Touareg

  • Volkswagen Touareg W12 (7L) mit 331kW/450PS und 600Nm von 2004 bis 2009.

VW Phaeton

  • Volkswagen Phaeton W12 (D1) mit 309kW/420PS und 550Nm von 2002 bis 2005.
  • Volkswagen Phaeton W12 (D1) mit 331kW/450PS und 560Nm von 2005 bis 2011.

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