
Testbericht: Nissan GT-R
Frisches Feuer für das Match Japan gegen Deutschland.
Was war das vor drei Jahren nicht für ein Riesen-Trara: ein Eindringling in deutsches Hoheitsgebiet. Umrundete die Nordschleife in 7.26 Minuten. Und das zum halben Preis des Turbo-Porsche – geradezu skandalös.
Die Erklärung, warum das so passiert ist, ist eine einfache: Zum einen war der 911er damals nicht in Höchstform (noch kein Doppelkupplungsgetriebe, beispielsweise), andererseits rächte sich Porsches Philosophie: Während man in Stuttgart ehern an Traditionen festhalten muss, haben sich die Japaner frei von Zwängen ans Reißbrett setzen dürfen, um den perfekten Sportwagen zu bauen. Das Resultat: V6-Bi-Turbomotor hinter der Vorderachse, Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe vor der Hinterachse – für die perfekte Gewichtsbalance. Dazu ein variabler Allradantrieb, der das Drehmoment bedarfsgerecht zwischen Vorder- und Hinterachse verteilt – aber auch ein Lebendgewicht von 1,8 Tonnen, die beschleunigt werden wollen.
Ab jetzt gibt es das Ganze im Detail noch einmal nachgeschärft. Geboten werden nun 530 statt 485 PS, 612 statt 588 Nm Drehmoment, eine verbesserte Aerodynamik sowie ein deutlich schickeres Interieur.
Genug der Theorie. Einsteigen, losfahren. Fluchtauto ist der GT-R kein besonders geeignetes, auch wenn man das annehmen möchte. Denn nach dem Starten braucht es ein paar Sekunden, bis die Hydraulikpumpen genügend Kraft gesammelt haben, um das Doppelkupplungsgetriebe im Heck zu bedienen. Akustisch wird das Ganze von einem kurzen, hochfrequenten Sirren untermalt – erst wenn genügend Druck aufgebaut ist, kann der Wählhebel in Stellung D geschoben werden.
Beim Ausparken lässt die hintere Differenzialsperre die 285er gerne über den Asphalt rubbeln, das Rangieren funktioniert ohnehin nur mit hochsensiblem Gasfuß ruckfrei.
Auf der Straße ist die Kraft omnipräsent. Ständig beschleicht einen das Gefühl, in einer Cruise Missile unterwegs zu sein, die jederzeit feuerbereit ist: Wie das klackt beim Schalten, wie die Hydraulikpumpen singen, welche Geräusche da aus dem Antrieb kommen – das klingt alles sehr lecker und appetitanregend. Lediglich der Motor macht einen auf Küchenmaschine, speziell, wenn er in der Stadt vom Automatikmodus im Sechsten bei knapp 1000 Touren festgenagelt wird.
Erst jenseits der Ortstafel wird es spannend: Der Motor erhebt beim Ausdrehen leicht seine Stimme – es ist nur schlicht nicht nötig, da das volle Drehmoment schon bei 3200 Touren zur Verfügung steht. Das Getriebe reicht die Gänge blitzartig durch, wer dem Irrglauben erliegt, die Gangwechsel besser vornehmen zu können, kann das über Magnesiumpaddles hinterm Lenkrad tun. Nach dem Verschärfen der Kennlinien für Getriebe, Fahrwerk und Fahrdynamikregelung über eine Schalterleiste in der Mittelkonsole weht rescher Wind durchs Cockpit. Der GT-R mutiert zum ehernen Kurvenvollstrecker, und das auf sensationell unspektakuläre Weise. Man hält den Wagen einfach auf Zug, vertraut auf die Leistung der üppigen Bremsanlage und gibt sich der technischen Inszenierung hin. Kurz vor dem Grenzbereich, wo im Porsche die harte Arbeit beginnt, lässt sich der Nissan noch mit Leichtigkeit bewegen.