Die Geschichte vom Hemi-Motor

Erst wird mal geklärt, wie eigentlich so ein Motor mit hemisphärischen Brennräumen funktioniert und dann blicken wir in der automobilen Geschichte zurück.

radical mag
Zuletzt aktualisiert am 01.12.2016

Es gibt diese Geschichte von den Motoren mit den hemisphärischen Brennräumen eigentlich in dreifacher Ausführung. Es begann 1904, als der amerikanische Kleinsthersteller Welch einen Vierzylinder baute, der als erster «Hemi» gelten darf. Es folgte eine weitere Phase in den 50er Jahren, als Chrysler den Motor mit dem hemisphärischen Brennräumen noch einmal erfand und Modelle wie etwa den legendären 300C damit ausstattete. Und schließlich gibt es die wohl berühmtesten «Hemi» überhaupt, jene «muscle car» der 60er und 70er Jahre, mit denen der Chrysler-Konzern die Konkurrenz ziemlich platt machte. In einer ersten Phase wollen wir uns hier zuerst einmal den frühen «Hemi» von Chrysler widmen.

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© Bild: Chrysler

Wie funktioniert ein Motor mit hemisphärischen Brennräumen?

Es ist relativ einfach: Eine Explosion breitet sich immer kugelförmig aus, folglich auch im Brennraum, wenn das Gemisch gezündet wird. Durch die exakt gleich langen Wege von der Zündkerze an die Wände des Brennraums trifft die Druckwelle beim Hemi nahezu gleichzeitig an die gesamte Raumwand – und kann so mehr Druck erzeugen. Weniger einfach, aber dennoch plausibel: eine Halbkugel bietet eine größere Oberfläche. Der heiße Hemi-Zylinderkopf bietet dem Kraftstoff also mehr Möglichkeit zum Verdampfen an, die diametrale Ventilanordnung sorgt zudem für einen ordentlichen Drall der angesaugten Luft, was für ein satteres Gemisch als bei den herkömmlichen Motoren sorgt. Die logische Folge erstens: mehr Leistung. Und zweitens: spontanere Gasannahme. Drittens: ein höherer Wirkungsgrad bei niedrigerer Verdichtung. Oder dann halt: ein noch höherer Wirkungsgrad bei hoher Verdichtung (was uns diese Story lehren wird). Der große Nachteil: der konstruktive Aufwand ist sehr hoch, die Ein- und Auslassventile können nicht parallel liegen und müssen deshalb von Kipphebeln oder zwei Nockenwellen angesteuert werden. Das macht die ganze Geschichte ziemlich teuer.

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© Bild: Chrysler

Chrysler war im 2. Weltkrieg wie alle anderen amerikanischen Automobilhersteller stark in die Produktion von Kriegsmaschinerie eingebunden. Vor allem Panzer waren ein Gebiet, auf dem der Konzern große Stärken hatte, und das Bemühen, die spritfressenden Monster effizienter zu machen, führte auch zu den ersten Versuchen mit den hemisphärischen Brennräumen. Doch der Krieg war gewonnen, bevor die Amerikaner diese technischen Errungenschaften einsetzen konnten. Aber die Ingenieure arbeiteten auch nach 1945 weiter an diesem Thema, zuerst an einem Einzylinder, dann an einem ersten Sechszylinder. Der Gewinn allein an Pferdestärken war großartig, doch die Produktion erwies sich als zu aufwendig. Und vor allem: zu teuer.

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© Bild: Chrysler

Ende der 40er Jahre zeichnete sich allerdings ab, dass Cadillac und Oldsmobile bald mit neuen V8-Motoren auf den Markt kommen würden, also intensivierte Chrysler seine Forschungen noch einmal. Es entstand 1948 der erste Hemi-Motor, Code A239, mit 331-cubic inch, also 5,4 Liter Hubraum, genannt «FirePower». Nach vielen Stunden auf Dynamometer und einer halben Millionen Testkilometern wurde dieser 180 PS bei 4.000/min starke Motor, der sein maximales Drehmoment von 312 Nm schon bei 2.000/min abdrückte, in den Modelljahrgang 1951 der Chrysler Saratoga, New Yorker, Imperial und Crown Imperial eingebaut. Die Maschine war nicht nur stärker als die V8 von Cadillac (160 PS) und Oldsmobile (135 PS), sondern musste auch nicht mit dem teureren Premium-Benzin betrieben werden.

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© Bild: RM Sotheby's

Weil wir nun aber etwas knapp sind an Bildern von diesen frühen «Hemi», greifen wir etwas vor und zeigen hier ausführlich ein Fahrzeug aus dem Jahre 1953, ein Special Coupé von Ghia. Wir präsentieren diesen außergewöhnlichen Wagen aus einem Grund: auch er hatte «FirePower».

1953 Chrysler Special Coupé by Ghia
© Bild: RM Sotheby's
1953 Chrysler Special Coupé by Ghia

Auch DeSoto wollte den Hemi-Motor haben für seine 52er-Modelle. Doch es durfte nicht das gleiche Aggregat sein, der Hubraum wurde auf 276 ci, also 4,5 Liter verringert, die Leistung betrug noch 160 PS, die Bezeichnung lautete nun «Fire Dome». 1953 zog Dodge mit dem so genannten «Red Hemi» nach, es waren noch 246 ci (4 Liter) und 140 PS. Zwar waren die kleineren Motoren rund 50 Pfund leichter als der «FirePower» (der satte 322 Kilo auf die Waage brachte…), doch andererseits ergaben die Kosten für die Neuentwicklungen wenig Sinn. Aber damals dachte man halt noch in anderen Dimensionen. (Und weil es DeSoto ja leider nicht mehr gibt, zeigen wir in der Folge mal ein paar Bilder aus jenen Jahren, hier zuerst den 56er Fireflite Indy Pacesetter)

1956 DeSoto Fireflite Indy Pacesetter Convertible
© Bild: RM Sotheby's
1956 DeSoto Fireflite Indy Pacesetter Convertible

Ab 1954 bot Chrysler den 331er-Hemi mit einem 4fach-Vergaser an; die Leistung stieg auf happige 235 PS. Und dann begann das PS-Rennen, denn auch Ford und Chevrolet hatten unterdessen neue V8 auf dem Markt. Für 1955 wurde der 331er intensiv überarbeitet, im Imperial/Crown Imperial kam er auf 250 PS bei 4.600/min – im wunderbaren 300C mit zwei 4fach-Vergasern sogar auf 300 PS. Zum Vergleich: die Corvette musste 1955 noch mit ziemlich müden 195 PS auskommen. Das schafften sogar DeSoto (unterdessen 291 ci, 200 PS) und Dodge (270 ci, 193 PS).

Und weiter ging es: 1956 vergrößerte Chrysler den Hubraum auf 354 ci (5,8 Liter), die Leistung stieg auf maximal 355 PS (und damit wurde erstmals die als «holy grail» bezeichnete Marke von 1 PS/cubic inch übertroffen). DeSoto brachte zwei 330-ci- und einen 340-ci-Motor mit maximal 320 PS. Und Dodge verbesserte seinen hauseigenen Hemi auf 315 ci und 295 PS Mehr? Aber selbstverständlich, schon 1957 hatte der Chrysler 392 ci (6,4 Liter) und kam auf 375 PS, DeSoto hatte einen 341er und einen 345er, Dodge kam auf 325 cubic inch und mit dem erstmals angebotenen Power Pack auf 310 PS. Für den Export und vor allem für Rennen verwendete Dodge auch den 354er-Chrysler mit 355 PS, doch nach 1957 war dann vorerst einmal Schluss mit dem Hemi bei Dodge. Und auch Chrysler und DeSoto gaben nach einem letzten Strohfeuer 1958 die Produktion auf. Höhepunkt bei Chrysler: 392 ci, 380 PS. Und mit einer Bendix-Einspritzung gab es gar 390 PS. (Und gleich nochmals ein DeSoto, diesmal eine 56er Design Study für ein zukünftiges Fireflite Adventurer Convertible Coupé)

1956 DeSoto Fireflite Adventurer Convertible Coupé Design Study
© Bild: RM Sotheby's
1956 DeSoto Fireflite Adventurer Convertible Coupé Design Study

Es dürfte klar sein, dass die Marken des Chrysler-Konzern mit dieser Motoren-Politik kein Geld verdienen konnten. Zudem hielten sich die Verkaufszahlen der mit einem Hemi-Motor ausgerüsteten Fahrzeuge in sehr engen Grenzen. Und schließlich hatten die amerikanischen Auto-Hersteller 1957 auf Wunsch der Regierung auch noch ein Agreement getroffen, dass der Rennsport nicht mehr von den Werken unterstützt werden sollte (siehe auch die Geschichte des Ford GT40).

1956 DeSoto Fireflite Adventurer Convertible Coupé Design Study
© Bild: RM Sotheby's
1956 DeSoto Fireflite Adventurer Convertible Coupé Design Study

Aber wir müssen uns einem anderen Thema widmen, denn als Chrysler 1951 den ersten Hemi-Motor einführte, stand zwischen der fortschrittlichen Technik und dem altertümlichen Vorkriegsdesign der Fahrzeuge eine Wand. Aber zum Glück hatte schon 1950 Lester «Tex» Colbert die Macht übernommen im Chrysler-Konzern – und er gab Virgil Exner, der 1949 ins Unternehmen gekommen war, in Sachen Design so ziemlich freie Hand. Aber das Problem bestand ja nicht nur bei Chrysler, auch DeSoto und Dodge rannten optisch mindestens 10 Jahre hinter der Konkurrenz her. (Interessant, übrigens: Plymouth, noch eine Konzern-Marke, erhielt den Hemi-Motor nicht.)

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© Bild: RM Sotheby's

Es sollte aber bis 1955 dauern, bis die ersten Exner-Autos auf dem Markt waren. Es heißt, der Konzern habe die damals unfassbare Summe von 100 Millionen Dollar investiert, um den so genannten «forward look» einführen zu können. Allerdings: Chrysler, DeSoto und die neu als eigenständige Marke geführten Imperial sahen alle so ziemlich genau gleich aus. Aber immerhin gab es neu den Chrysler C-300 (gern fälschlicherweise als 300 C bezeichnet), der als erster amerikanischer «muscle car» gelten darf, denn unter seiner Haube arbeitete ein 300 PS starker Hemi-V8. 1.725 Stück wurden gebaut.

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© Bild: Chrysler

Dieser 55er C-300 gilt zu Recht als eines der wahren Design-Meisterwerke. Entgegen der damaligen Auto-Mode, die in den USA sehr schwülstig war, blieb der Entwurf von Exner ausgesprochen schlicht. Es gab kaum Chrom, die Linien waren harmonisch, der Wagen wirkte ausgesprochen langgestreckt, weil deutlich weniger hoch baute als seine Konkurrenten. Zwar kostete so ein C-300 im Jahre 1955 mindestens 4.110 Dollar, doch er half Chrysler, sich innerhalb nur eines Jahres vom 13. auf den 9. Rang der Verkaufsrangliste zu verbessern. Und eigentlich ist die Bezeichnung ja auch falsch: Eigentlich handelt es sich bei diesem Jahrgang um den 300 A, doch intern wurde die Bezeichnung C-300 verwendet (C für Coupé) – und irgendwie taufte das Publikum den Wagen über die Jahre um in 300 C (was erst für den Modell-Jahrgang 1957 zutraf).

1955 Chrysler C 300 Coupé
© Bild: RM Sotheby's
1955 Chrysler C 300 Coupé

Ab 1956 ließen sich Chrysler, DeSoto und Dodge auf das PS-Wettrüsten der anderen Marken ein. Und damit einher gingen auch die jährlichen Neuerungen beim Design. Ab 1956 hatten zuerst die Dodge noch Andeutungen von Flossen, ab 1957 wuchsen sie dann an allen Modellen des Konzerns. Doch für Dodge war 1956 aus einem anderen Grund ein wichtiges Jahr, denn es wurde die Option «D-500» eingeführt. Einverstanden, mit 260 PS war der «Red Raum»-Hemi nicht die potenteste Maschine im Konzern, doch «D-500» kostete gerade einmal 200 Dollar Aufpreis und ermöglichte den kleineren und leichteren Dodge vorzügliche Fahrleistungen. Wir zeigen hier ein 57er Dodge Custom Royal Lancer «Super D-500» Coupé.

1957 Dodge Custom Royal Lancer Super D 500 Coupé
© Bild: RM Sotheby's
1957 Dodge Custom Royal Lancer Super D 500 Coupé

Und der 57er Chrysler 300 C (der nun wirklich so hieß, in der logischen Folge der «letter series») war auch eines dieser amerikanischen Automobile, die unbedingt mehr Beachtung verdienen. Zwar hatte er auch diese Heckflossen, ohne die es damals anscheinend nicht ging, doch ansonsten war das Design sehr sauber (sowie fast chromfrei).. Und unter Haube arbeitete der 375 PS starke Hemi-Motor, in jenem Jahr das stärkste Serien-Aggregat der amerikanischen Auto-Industrie (und folglich: der ganzen Welt). Für den es eine erstaunliche Auswahl an Getriebe gab. Standard war eine 3-Gang-Automatik namens TorqueFlite (die Verbindung zu den Automaten war eine Schwäche der früheren Hemi gewesen), doch es gab auch eine Fülle von manuellen 4-Gängern mit Untersetzungen von 2,92:1 bis 6,17:1.

1957 Chrysler 300 C
© Bild: Chrysler
1957 Chrysler 300 C

1958 gab es dann nur noch minimale Veränderungen (einmal abgesehen von den bis zu 390 PS in den Chrysler und Imperial), denn eigentlich war da die «erste» Version der Hemi-Motoren im Chrysler-Konzern schon fast ein bisschen gestorben, zu teuer, zu kompliziert in der Herstellung, zu wenig erfolgreich an der Verkaufsfront – und die so genannten «wedges» standen schon bereit. Doch es folgt ja dann noch ein zweites Kapitel zu den «Hemi» – bald auf diesem Kanal. Es ist dies unten ein Chrysler 300 D Convertible mit dem 390-PS-Hemi (dank Bendix-Einspritzung), sehrsehr selten.

Chrysler 300 D Convertible
© Bild: RM Sotheby's
Chrysler 300 D Convertible

Vielen Dank für diesen Beitrag an die Kollegen von radical-mag.com