
Testbericht: Lancia Flavia 2,4 16V
Die Verschmelzung zweier Kulturen zeitigt interessante Ergebnisse, zum Beispiel: ein Cabrio, das vier bessere Menschen aus uns macht.
Man sollte Name und Auto trennen, den Namen daheim in die Vitrine legen und sich fortan unbeeinflusst von seinem schlanken, innovativen Beigeschmack* dem aktuellen Flavia nähern. Denn beim Anschauen, Drinsitzen, Fahren schwingen die US-amerikanischen Wurzeln unseres Flavia unauslöschlich mit, und die Realität bestätigt: Das Auto kommt von Chrysler, aus Italien stammen Grill, Logos und eine ordentliche Überarbeitung des Innenraumes, dazu noch die zarte Straffung des Fahrwerkes. Aber das bedeutet zum Glück nicht viel. Noch immer ist der Flavia komfortabel, gelassen und beruhigend, man kann sagen: freundlich und höflich. Das mag man ja auch bei Menschen sehr gerne, sofern man ein intaktes Sozialverhalten pflegt.
Dass bis jetzt nichts vom Motor zu lesen war, hat seinen Grund:
Er ist vorhanden und dienstbar, strebt aber keine Unsterblichkeit in der Automobilgeschichte an. Der 2,4-Liter-Vierzylinder mit 170 PS ist eine Chrysler-Entwicklung und will das auch nicht verstecken, die Sechsgang-Automatik kommt aus der gleichen Schule. Damit bleibt der Antrieb beruhigend und souverän, wenn man das Gaspedal nur zu einem Drittel nutzt. Wer Sportliches mag, muss den Lancia quälen und sich selbst dazu. Es ist, als träte man in Sakko und Krawatte zum Marathonlauf an.
Ebenso aufs Gleiten und Cruisen ausgelegt ist das Fahrwerk. Die US-Wurzeln ins Sportliche zu verfestigen hätte den Charakter des Autos zerstört, so aber: stimmiger Komfort, aber Schwammiges oder Unpräzises ist nicht fühlbar.
Dass der Flavia als viersitziges Cabrio geführt wird, stimmt prinzipiell.
Praktisch steht im Fond die Platzaufteilung zwischen Hintern und Oberschenkeln einerseits (üppige Sitzfläche) und Unterschenkeln andererseits (winziger Spalt zwischen Sitzfläche und vorderer Lehne) der menschlichen Anatomie entgegen. Für den Oberkörper aber bleibt Platz genug, auch wenn er sehr gut trainiert ist. Gelegenheit dazu gibt’s beim Öffnen des Kofferraumdeckels: Bodybuilder sind klar im Vorteil, beim Hochstemmen durch zierliche Personen herrscht ungefähr Chancengleichheit.
* Die Ur-Flavia war 1960 erstes italienisches Serienauto mit Frontantrieb und vier Scheibenbremsen, über das Design aber ließ sich lange diskutieren.