Carroll Shelby: Der Mann, dem Sebring gehört

AC Cobra, Ford Mustang GT350, Ford GT40, Le Mans und Sebring. Carroll Shelby ist in den USA eine Legende des Motorsports.

Zuletzt aktualisiert am 17.04.2024

Manche Menschen sind für immer mit einem Ort verbunden. Neil Armstrong und der Mond, Hans Krankl und Cordoba. Vor allem aber Carroll Shelby und Sebring. Dabei ist es egal, ob Ford unter seiner Regie vier Mal in Folge Le Mans gewann, oder ob er dem Mustang zu neuen Höhen verhalf. In den USA wird Shelby immer der Held von Sebring sein.

Der Beginn von Carroll Shelbys Geschichte

Die Geschichte begann so amerikanisch wie Burger und Cola. Carroll Shelby ging während des zweiten Weltkriegs zum Militär und wurde Pilot. Wegen anhaltender Disziplinprobleme durfte bzw. musste er nicht am eigentlichen Krieg teilnehmen. Wieder zu Hause wurde er Hühnerzüchter. Eines Tages lieh er sich den MG-TC eines Freundes, fuhr auf eigener Achse zum Rennen, gewann, demütigte die technisch überlegenen Jaguar XK 120s und fuhr wieder heim. Das alles in einem vor Hühnerscheiße stehenden Blaumann.

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Das Anfangsjahr

Das war 1952. Als ein Jahr später alle seine Hühner krepierten, seine Farm hielt sich keine zwei Jahre, wurde er professioneller Rennfahrer. Mit einem fatalen Höhepunkt: auf der Carrera Pan Americana Mexico knallte er mit seinem Austin Healey in einen Lkw, überschlug sich vier Mal und zerschmetterte sich seinen Arm so nachhaltig, dass er noch Jahre später Operationen über sich ergehen lassen musste.

Caroll Shely 1960 in seinem Maserati beim Examiner Grand Prix in Kalifornien.
© Bild: Flickr: The Henry Ford, photo by Dave Friedman

Hier begann sich die Legende zu entfalten. Denn Native Americans fanden und pflegten ihn, bis die Rettungskräfte eintrafen. Wenige Monate später stand wieder das Zwölfstundenrennen in Sebring an. Die Fans fragten gar nicht erst nach Shelby. Seine Teilnahme schien unmöglich. Der Arm war dick eingegipst. Doch er kam. Die Locke saß wie in Superman-Comics, das Millionen-Dollar-Lächeln strahlte. Er riss sich den Gips runter, improvisierte eine Plastikschlinge und fixierte die Hand mit Tape am Lenkrad.

Als zwölf Stunden später die Zielflagge fiel, wurden er und sein Partner Phil Hill zu Siegern erklärt. In Wahrheit hatten sie in ihrem Ferrari zwar eine Runde Rückstand auf den Jaguar von Mike Hawthorne und Phil Walters, doch diesen Irrtum korrigierte die Rennleitung erst eine Woche später nach Protesten der eigentlichen Sieger. Die Fans hatten etwas zu bejubeln – ihren Sieger, ihren amerikanischen Helden. Und Sebring war von diesem Moment an die Spielwiese von Carroll Shelby. Dass alle weiteren Auftritte des Helden weit weniger spektakulär und erfolgreich waren, spielt dabei keine Rolle.

Der Rest des Jahrzehnts gehörte ihm. Er wurde von Sports Illustrated zum Sportler des Jahres ernannt, fuhr acht Rennen in der Formel 1 und gewann 1959 noch die 24 Stunden von Le Mans in einem Aston Martin DBR1. Es war das Rennen, in dem er entschied, seine Rennfahrerkarriere baldmöglichst an den Nagel zu Hängen.

Denn Carroll Shelby hatte einen angeborenen Herzfehler und verbrachte den Großteil seiner Kindheit zu Hause im Bett und in Krankenhäusern. Bei Langstreckenrennen machten nur Nitroglyzerin-Tabletten das Stechen in der Brust erträglich. Tuning für den körpereigenen Motor. Doch Shelby war damit nicht nur eine Gefahr für sich, sondern für das gesamte Starterfeld.

Caroll Shelby.
© Bild: Ford

Das Ende der Rennfahrerkarriere

Er versuchte sich, wenig befriedigend, als Lehrer für Nachwuchstalente. Er warf aus Langeweile hin und begann ein eigenes Auto zu konzipieren. Seine Einkaufsliste für das perfekte Auto war erstaunlich kurz. Ein erprobtes Chassis sollte mit einem potenten Motor gekreuzt werden. Doch General Motors verweigerte ihm seinen Wunschmotor – die Marke wollte keine Konkurrenz zur Corvette züchten. Aus ähnlichen Gründen gab Austin-Healey keine Karosserien her.

Jetzt nutzte Shelby zum ersten Mal sein Auftreten, seine Erscheinung und seine Aura. Kurzum: er log. Erst ging er zu Ford und sagte, er habe ein tolles Chassis, er brauche nur noch einen guten V8. Anschließend ging er zu AC Cars in England und erzählte, er habe einen phantastischen Motor, bräuchte aber noch ein Chassis.

Shelby: Cobra, Mustang, GT 40
  • Comer, Colin (Autor)

Es war eine Geschäftstaktik, die nicht von ungefähr kam. Shelby galt bis zu seinem Tod als Schlitzohr. Seine Geschäftspartner wussten nie, ob sie übers Ohr gehauen wurden oder nicht. Ein Ford-Manager erzählte über Shelbys Pensionierung: „Wir öffneten alle Champagnerflaschen, die wir in die Finger bekommen konnten. Für uns war das wie Weihnachten und Thanksgiving an einem Tag.“

Allen Unkenrufen zum Trotz sollte sich zeigen: Wer mit Shelby zu tun hatte, der war erfolgreich. Ford spendierte die Motoren, AC ihren Ace als Basis. Zeitgleich ging in den USA Scarab pleite. Lance Reventlo hatte mit der Automarke aus einem riesigen Vermögen (sein Woolworth-Erbe), ein kleines gemacht und schloss die Tore. Shelby kaufte in Bausch und Bogen; eine Werkstatt, ein volles Teilelager und mit Phil Remington einen Mechaniker von Weltruhm.

Die AC Cobra und der Mustang GT350 entstehen

Shelbys Auto sollte Cobra heißen. Ein Name, der schlichtweg geklaut war. Zuerst verwendet hatte ihn Powel Crosley, ein kleiner Autobauer. Als der sich beklagte, kaufte ihm Shelby die Namensrechte für einen Dollar ab. Das Schlitzohr hatte wieder zugeschlagen. Es folgten sportliche Triumphe mit der Cobra. Watscheneinfache Technik, potenter Motor, robuste Hülle. Bumm. Bumm. Bumm. Etwa zehn Prozent der Produktion werden auf der Rennstrecke eingesetzt.

Die erste je gebaute Cobra – die CSX2000.
© Bild: Jaydec wiki commons

An Ford gingen die Erfolge nicht unbemerkt vorbei. Als die Marke 1964 im Wettrüsten der Pony-Cars den Anschluss zu verlieren drohte heuerte sie Shelby an. Es ging um Leistung und Motorsporterfolge – „win on sunday, sell on monday“ war das Motto und Shelby der einzige, der Ford im Kampf gegen Plymouth Barracuda und Pontiac GTO wieder auf die Siegerstraße bringen konnte. Doch der sagte nur widerwillig zu. In seinen Augen war der Mustang ein zierliches Autos für Sekretärinnen, das im Rennsport nichts verloren hatte.

Doch im Juli 1964 fing er an. Auflage für SCAA Rennserien war, dass entweder das Fahrwerk oder der Motor im Serienzustand belassen werden musste. Das jeweils andere Setup durfte verändert werden. Weil die Cobra bewiesen hatte, dass der Ford-V8 ein Siegermotor war, passte Shelby das Fahrwerk an. Als zwischen dem Marketing des Weltkonzerns und dem hemdsärmeligen Shelby ein Streit um die Namensgebung in der Sackgasse endete, fragte Shelby seinen Mechaniker, wie weit die Werkstätten für Rennwagen von denen für Serienfahrzeuge entfernt seien. „Rund dreihundertfünfzig Fuß“, antwortete Remington. „Da haben wir unseren Namen. Wir nennen das Auto GT350.“

Ford, Shelby, der GT40 und LeMans

Quasi zeitgleich mit dem Mustang-Projekt hatte Henry Ford II. dem italienischen Commendatore Enzo Ferrari den Motorsportkrieg erklärt. Dabei begann alles ganz friedlich. 1963 stellte Ford den „Total Performance“ Plan vor. Es ging darum, dass die Marke in allen Rennklassen erfolgreich sein wollte. Auch und vor allem in Europa. Denn Aston Martin, Ferrari und Jaguar waren die großen Namen, die man schlagen musste. Ferrari – mal wieder von der Pleite bedroht – suchte zu dieser Zeit einen finanziell potenten Partner. Ford investierte Millionen in die Bilanzanalyse der Marke und in Übernahmegespräche. Doch als der Vertrag schon fertig war, verweigerte Enzo Ferrari die Unterschrift. Geld? Ja. Befehle von einem Yankee? Niemals.

Ford flog wutentbrannt nach Hause zurück und verkündete, „dem italienischen Arschloch in den Hintern zu treten“, hätte oberste Priorität. In Le Mans. Doch das Auto dazu entpuppte sich, vorsichtig formuliert, als Flop. Der GT40 war vieles, aber ganz sicher nicht bereit dazu, 24 Stunden am Stück zu fahren, und das auch noch auf Ferrari-Niveau. Der Motor war eine Diva, bei hohen Geschwindigkeiten hob der Wagen ab.

Ford GT40 unter der Teamleitung von Carroll Shelby in Le Mans.
Ford GT40 unter der Teamleitung von Carroll Shelby in Le Mans. © Bild: Ford

Also musste Carroll Shelby ran. Der sorgte für Abtrieb und verbaute den bewährten V8, der schon der Cobra Beine gemacht hatte (289 cubic inch). Weil dessen Drehzahlen aber zu gering waren, Le Mans aber eine schnelle Strecke ist, ging das Rennen für Ford 1965 noch in die Hosen. Für 1966 scheute das Unternehmen aber keine Kosten. Ein 427 cubic inch V8 löst das Drehzahl-Problem. Der Wagen hieß jetzt GT40 MK II. Gleich acht Stück davon gingen an den Start.

Das Siegerfoto – eine Dreier-Formation von GT40 – gilt bis heute als teuerstes Bild der Motorsportgeschichte. Rund 60 Millionen Dollar soll Henry Ford dafür investiert haben. Egal. Der technische und finanzielle Vorsprung war auf Jahre zementiert. Dank reichlich Weiterentwicklungen holte Ford unter Shelbys Leitung vier Le Mans Siege in Folge.

Caroll Shelby – eine amerikanische Legende

1970 wurde die Zusammenarbeit beendet. Shelby entwickelte dann einige Modelle für Chrysler, verkaufte Felgen an Saab und verklagt 1984 sogar Ford, weil die einen „Anniversary Mustang GT350“ auf den Markt gebracht hatten. 1994 erlitt Shelby einen schweren Herzanfall. Er bekommt ein neues von einem 38-Jährigen Zocker aus Las Vegas. „Passend“, erklärten Geschäftspartner in Interviews.

Carroll Shelby wurde 89. Er starb am 12. Mai 2012 in Dallas an den Folgen seiner Herzbeschwerden. In weniger als zwei Jahrzehnten – von 1952 bis 1970 – hatte er sich einen Namen erschaffen, der in den USA zur Legende werden sollte.


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