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Googles selbstfahrendes Auto 2016.

Kommentar zur autonomen Paketzustellung: Goldrausch im Elfenbeinturm

Die so genannte „last-mile delivery“, also die Paketzustellung zum Endkunden, ist ein Milliardenmarkt. Entsprechend ehrgeizig wird um einen Krümel vom Kuchen gestritten. Ein Kommentar.

Veröffentlicht am 03.07.2018

Es ist mal wieder soweit. Ein neues Start-up poppte aus dem gut gedüngten Boden des autonomen Verkehrs. „Nuro“ heißt das ambitionierte Projekt und ist deswegen noch nicht wieder weg vom Fenster, weil zwei ehemalige Google-Mitarbeiter dahinter stehen: Dave Ferguson und Jiajun Zhu. Die beiden genießen in Kalifornien einen guten Ruf, weswegen sie einerseits 92 Millionen Dollar Investorengelder einsammeln und andererseits eine Kooperation mit der Kroger Company an Land ziehen konnten (immerhin die größte Lebensmittel-Supermarktkette der USA).

Selbstfahrende Paketzusteller

Warum trotz tragischer Unfälle und Image-Debakel bei ähnliche Projekten in den USA immer noch so ein Hype ausbricht lässt sich schnell und mit nur einer Zahl erklären: 70 Milliarden Euro. So groß ist der weltweite Markt der „last-mile delivery“, also der Paketzustellung zum Endkunden. Etwa 40 Prozent der Summe werden in China, Deutschland und den USA erwirtschaftet.

Dazu kommt, dass diese Zahl aus dem Jahr 2015 stammt. Seitdem ist der Markt in China, Deutschland und den USA zwischen 7 und 10 Prozent pro Jahr gewachsen, in Indien gar um geschätzte 300 Prozent (ebenfalls pro Jahr). Bis 2025 soll sich das Marktvolumen verdoppelt haben. Einen großen Anteil daran hat Online-Shopping, das mittlerweile in vielen Ländern für über 50 Prozent dieses Marktes verantwortlich ist.

Googles selbstfahrendes Auto 2016.
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Googles selbstfahrendes Auto anno 2016.

Und das ist ein Problem. Denn die Paketzustellung funktioniert nur deswegen vergleichsweise reibungslos, weil dahinter ein Ausbeutungssystem steckt. Und selbst die derzeit beschäftigten Zusteller werden von den Firmen noch als Wettbewerbsnachteil gesehen, wie eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey es ausdrückt, aus der diese Zahlen stammen.

Last-Mile Delivery als Wachstumsmarkt

Und genau aus diesen Gründen – ein Markt von 140 Milliarden Euro bis 2025 und teure Paketzusteller – tobt immer noch ein Goldrausch in dieser Branche. Nuro will daran mit einer Art fahrender Kühlbox partizipieren. In den Klappen werden die Einkäufe verstaut und das elektrisch betriebene Roboterauto macht sich dann auf den Weg zum Endkunden. Ganz ohne teure Sub-Sub-Unternehmer.

In der Studie geht McKinsey davon aus, dass bis zu 80 Prozent aller Lieferungen an Endkunden in Zukunft größtenteils autonom geschehen werden, ohne eine Jahreszahl für diese Vision zu nennen. Sie stützen sich dabei auf Studien, die sie in Deutschland, den USA und China mit insgesamt 4.700 Teilnehmern durchgeführt haben. Drei Punkte sind hervor zu heben:

  • In China steht der Kunde dieser Technik deutlich aufgeschlossener gegenüber als in den anderen Ländern.
  • Die Entwicklung hängt stark von der öffentlichen Wahrnehmung ab. Und dort hat das autonome Fahren in den letzten Monaten stark gelitten.
  • Je höher die Personalkosten, desto höher die Wahrscheinlichkeit autonomer Zustelldienste.
Kommentar zur autonomen Paketzustellung: Goldrausch im Elfenbeinturm
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Treiben die Entwicklung der autonomen Autos voran: China und die USA.
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Denn, und das ist für Unternehmen die wichtigste Erkenntnis, 70 Prozent der Kunden wählen die günstigste Zustellvariante. Nur 30 Prozent sind bereits für eine schnellere Zustellung mehr zu bezahlen. Ein Umfrageergebnis, bei dem aktuelle Paketzusteller eher die Hoffnung fahren lassen dürften.

Auto versus Mensch

Und das ist das Traurige. Denn geht es nach der McKinsey-Studie hat der Endkunde die Wahl zwischen der fortgeführten und verschärften Ausbeutung der Paketzusteller – dann kommt die autonome Zustellung erst in 20 statt in 10 Jahren, wenn die Preisschraube endgültig festsitzt – oder aber aufgeschlossener gegenüber Drohnen und fahrenden Kühlboxen zu sein. Fair bezahlte Zusteller in elektrischen Fahrzeugen kommen in der Studie nicht vor. Schöne neue Welt.

So oder so: Nuro startet Ende 2018 mit den Testfahrten auf öffentlichen Straßen in Kalifornien. Viel Erfolg.