Autorevue Magazin-Archiv: Ausgabe 06/1981

Ausgabe der Autorevue vom Juni 1981 mit Cover, Editorial & Impressum

Zuletzt aktualisiert am 08.09.2020

Cannonball

Brock Yates ist Amerikaner und ein Mann, der ein bißl Ahnung von allem hat: Von Autos, vom Leben im allgemeinen und im speziellen, von der Realität und der Verrücktheit. Vor etlichen Jahren hatte er die Idee gehabt (und seine Zeitschrift Car & Driver machte ihm dazu die Mauer), ein illegales Rennen quer durch die USA zu veranstalten. Einerseits aus purer Hetz, aber auch als Ventil gegen Tempolimits, Spießer und Polizei. Die ersten drei Rennen müssen unglaubliche Stimmung und die drolligsten Situationen ergeben haben, der Höhepunkt war Dan Gurneys Sieg auf einem Ferrari, und um einen Schnitt von knapp 140 km/h quer durch die USA zu halten, dürfte er wohl an der einen oder anderen Stelle gegen das damalige 70-Meilen-Limit verstoßen haben, der Schlingel.

Diese Zeiten kommen nimmer zurück: Die Cannonball-Rennen der frühen siebziger Jahre bleiben einsam. Inzwischen haben ein paar Filmfirmen Brock Yates die Idee gestohlen, er selbst hat zwischendurch pausiert, und alles ist ein bisserl verflacht. Als nun ein paar Deutsche ein europäische Cannonball-Kopie machten, war es also keine Großtat und gewiß kein Höhepunkt der Brock-Yates-Idee.

Andrerseits: Wenn sich ein paar Dutzend zusammenfinden und mit etwas Brio aufs Pedal steigen, um Europa ein bisserl flotter als üblich von Nord nach Süd zu durchqueren, was soll’s? Die Summe des Intellekts auf dieser Welt wird durch derartige Aktionen nicht angehoben aber wenn wir alle immer nur ganz gescheite Dinge tun, wird uns vielleicht irgendwann der große Frust packen und wir werden alt und schiach und bucklert sein.

Genug der Ausreden: Die AUTOREVUE machte beim europäischen Cannonball mit, und kein Wort des Bedauerns. Eckhard Eybl und Davit Staretz fuhren einen Porsche 924 turbo, eilten unter Rücksichtnahme auf das Verkehrsgeschehen in 24 Stunden und 44 Minuten und 33 Sekunden vom Norden Dänemarks an die spanische Südküste und belegten den achtzehnten Platz von 85 Startern.

Angesichts einer sich besorgt zeigenden „Quick“ konnten wir den moralischen Aspekt der ganzen Aktion nicht auf die leichte Schulter nehmen. Eine seriöse Analyse des Unternehmens zeigte Möglichkeiten auf, die nächste Cannonball unter den ersten Zehn zu beenden. Hartnäckige Anrufe aus Modena werden nicht entgegengenommen: Eybl & Staretz bleiben beim 924 turbo. Bericht vom europäischen Cannonball ab Seite 54,

 

Ihr

Herber Völker