Im Gespräch mit Alpine-Chef Bernard Ollivier

Peter Ruch von radical-mag spricht mit Alpine-Chef Bernard Ollivier über das Comeback der französischen Marke. Titel des Interviews: „Wir haben genau eine Chance“

radical mag
Zuletzt aktualisiert am 26.03.2021

Da lässt Renault also die neue Alpine ganz offiziell von der Leine. Zeigt eine neue Vision ein «Show Car», sagt, dass sie zu 80 Prozent der Serienversion entspricht, die noch in diesem Jahr vorgestellt werden und dann 2017 zu den Händlern kommen wird. Man weiß jetzt auch, dass das Gerät in 4,5 Sekunden von 0 auf 100 sprinten soll – also genau so schnell wie ein Alfa 4C. Der ja dann wohl auch sein schärfster Konkurrent sein wird.

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Und weil wir jetzt hier zwar jede Menge neuer Bilder haben, aber irgendwie nicht viel mehr News, nehmen wir das zum Anlass und bringen noch einmal das Interview mit dem Alpine-Chef Bernard Ollivier, das wir vergangenen Sommer in Goodwood geführt haben. Denn da steht alles drin, was Alpine anlässlich der Präsentation des neuen Fahrzeugs erzählt hat – und noch so ein bisschen mehr. Der Titel war damals: «Wir haben genau eine Chance». Und das stimmt ja weiterhin.

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© Bild: Werk

„Wir haben genau eine Chance“

Bernard Ollivier ist nervös. Und er schwitzt. Nicht allein deswegen, weil es am Festival of Speed in Goodwood außergewöhnlich warm ist für englische Verhältnisse. Sondern auch, weil er die Verantwortung trägt für gut ein Dutzend wertvolle Oldtimer und Rennwagen aus dem Renault-Museum; gespannt schaut er zu, wie Jean Ragnotti, dieser Derwisch, etwas gar flott rückwärts einparkt. Außerdem ist Ollivier sehr besorgt um ein Einzelstück, das vielleicht in Euro nicht ganz so teuer ist wie die Klassiker, aber so etwas wie die Zukunft darstellt. Auch seine ganz persönliche. Schließlich ist Ollivier der frisch ernannte CEO der neuen Marke Alpine – und die blaue Flunder mit der Nummer 60 ist bisher das einzige Exemplar der Wiedergeburt dieser französischen Legende.

Die Sache mit Caterham

Ollivier, der einst schon Rennsport-Chef war und auch «Directeur de la Transformation de Renault», spricht gern und er spricht auch viel. Er erklärt, dass alles 2012 angefangen hatte, als der englische Kleinsthersteller Caterham dem französischen Riesen Renault angeboten hatte, ein neues Produkt zu entwickeln, das man vielleicht gemeinsam unter der Bezeichnung Alpine vertreiben hätte könne. Die Caterham/Renault-Kooperation hielt nicht lange, das hatte auch (finanz-)politische Hintergründe (die bekannt sind, von denen Ollivier aber nichts erzählen will), doch man hatte da also ein Konzept, eine Idee, ein fast schon fertig entwickeltes Fahrzeug – und die Rechte an einer Marke, die in diesem Jahr ihren 60. Geburtstag feiert.

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© Bild: Werk / Alpine Vision

Wie alles begann

Jean Rédélé hatte mit 24 Jahren die Renault-Werkstatt seiner Eltern in Dieppe übernommen. Er fuhr gerne Rennen, konstruierte ein eigenes Fünfgang-Getriebe, baute dieses in einen Renault 4CV – und holte an der Mille Miglia 1952 auf Anhieb den Klassensieg. 1953 konstruierte er mit Hilfe des italienischen Karossiers Giovanni Michelotti ein Rallye-Fahrzeug auf Basis des 4CV, gewann wieder einige Rennen, und entwickelte daraus auch sein erstes Serien-Fahrzeug, die A106, mit einer Karosserie aus glasfaserverstärktem Kunststoff. Übermäßigen Erfolg hatte Rédélé damit nicht, bis 1960 wurden 251 Exemplare in Handarbeit hergestellt. Es folgten die A108 und schließlich, ab 1961, die A110, die zu einem der erfolgreichsten Rallye-Fahrzeuge aller Zeiten werden sollte. Rédélé konstruierte in der Folge noch die A310, die sich zum meistverkauften Alpine-Modell entwickelte, doch 1973 übernahm Renault die Ägide über Alpine, Rédélé zog sich langsam aus seiner eigenen Firma zurück und schied 1978 ganz aus. Der große Meister des Leichtbaus verstarb 2007 in Paris, 85-jährig.

„Es muss gleich sofort klappen“

Ollivier sagt: «Wir haben nur einen Versuch, wir haben nur genau eine Chance. Es muss gleich sofort klappen. Und deshalb können wir jetzt auch noch nicht sagen, wann wir mit der neuen Alpine auf den Markt kommen werden – wir werden erst bereit sein, wenn alles stimmt.» Man darf trotzdem davon ausgehen, dass die Lancierung der neuen Marke wohl 2016 stattfinden wird – Mitte September 2015, wenn in Dieppe die große Geburtstagfeier der Marke mit wohl gegen 1.000 klassischen Alpine sowie allen Fahrern, die mit den Alpine groß geworden sind, über die Bühne geht, wird Ollivier wohl etwas mehr erzählen müssen. Denn die Fans und Liebhaber der Marke sind bereits jetzt ungeduldig.

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© Bild: Werk

„80 Prozent des Erfolges macht das Design aus“

Monsieur Ollivier sagt: «80 Prozent des Erfolges macht das Design aus. Die Alpine waren immer ganz bewusst ganz einfach gehalten in ihrer Linienführung – das haben wir auch so fortgeführt bei unserer Studie. Der französische Stil ist nicht so barock und schwülstig wie etwa der italienische, das sieht man unserem Fahrzeug auch an. Es soll aber nicht retro sein, sondern eine zeitgemäße Interpretation der Alpine-Vergangenheit.» Als Betrachter, in dessen Augen die Schönheit ja bekanntlich liegt, darf man dies durchaus unterschreiben: die Kopflastigkeit, die Fahrzeuge mit Mittelmotor normalerweise nicht gerade elegant aussehen lässt, geht der neuen Alpine erfreulicherweise ab. Sie wirkt aus einem Guss, die Linien sind fließend, sehr harmonisch. Das typische Alpine-Blau hilft natürlich auch, es ist edel, verspricht Zurückhaltung und doch Eleganz.

„Dazu möchte ich jetzt nichts sagen“

Und weiter: «Wir übernehmen natürlich auch das wichtigste Merkmal aus der Alpine-Geschichte: den Leichtbau». Das bedeutet, wagt man zu fragen, dass die neue Alpine also unter 1.000 Kilo wiegen wird? Ollivier, etwas nachdenklich: «Dazu möchte ich jetzt nichts sagen. Man darf nicht vergessen, dass die Bedürfnisse der Kunden heute anders sind als früher, sie erwarten schon einen gewissen Komfort – zumal unser Fahrzeug ja nicht für die Rennstrecke gebaut wird, mehr so für die Landstraße oder Passfahrten. Und außerdem sind heute ja die Sicherheitsbestimmungen anders als damals, als Jean Rédélé noch Autos bauen konnte, die nur gerade 500 Kilo wogen».

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© Bild: Werk

„Das Wichtigste ist doch: das Leistungsgewicht eines Fahrzeugs“

Dann sprechen wir also noch etwas von der Technik, Monsieur Ollivier, was haben Sie dazu zu sagen? Wieder wiegt der Alpine-Chef vorsichtig den Kopf: «Wir haben unsere klaren Vorstellungen. Es wird ein moderner Antrieb sein, sowohl kraftvoll wie auch sparsam. Das Wichtigste ist doch: das Leistungsgewicht eines Fahrzeugs. Wenn wir ein leichtes Auto bauen, dann brauchen wir auch nicht derart viele PS, um ein gutes Leistungsgewicht zu erreichen. Das wiederum für großartige Fahrfreude sorgen wird». Es ist also klar: die neue Alpine wird keinen Sechszylinder-Motor haben, sondern einen Vierzylinder. Mit größter Sicherheit: mit Turbo. Es ist aber auch ein Hybrid vorstellbar – den es allerdings im Renault-Konzern bisher noch nicht gibt. Und richtig viel Geld kann Ollivier nicht ausgeben, das macht er im Gespräch immer wieder klar: «Wir müssen unsere Ressourcen innerhalb des Konzerns mit Renault, Nissan und Infiniti bündeln. Denn es ist eine klare Vorgabe von Konzern-Chef Carlos Ghosn, der voll hinter unserem Projekt steht: die Rentabilität muss gewährleistet sein. Wenn sich Alpine nicht rechnet, dann hat Alpine keine Chance».

„Wir treten nicht gegen Porsche oder gar Ferrari an, das ist nicht unser Ziel“

Stolz lehnt sich Ollivier an das Konzept-Fahrzeug. Er ist unterdessen etwas entspannter, alle klassischen Alpine-Fahrzeuge sind wohlbehalten zurück im Paddock am Festival of Speed in Goodwood. Auch Jean Ragnotti, der leicht irre Rallye-Fahrer, der seinen Renault-Alpine 5 Maxi Turbo, mit dem er 1985 die Rallye Korsika gewonnen hatte, sehr, sehr quer über die Strecke getrieben hatte und jetzt mit einem breiten Grinsen neben seinem Chef steht. Ollivier: «Wir treten nicht gegen Porsche oder gar Ferrari an, das ist nicht unser Ziel. Wir haben auch ein ganz anderes Preissegment im Visier. Aber da rechnen wir uns schon gute Chancen aus». Er tätschelt seinem Prototypen noch einmal das Dach, lächelt stolz und zufrieden, und verschwindet mit Ragnotti hinter den Kulissen. Dort wird ja schließlich über die Zukunft der neuen Marke entschieden.

Vielen Dank für diesen Beitrag an die Kollegen von radical-mag.com