Die traurige Geschichte der Carrozzeria Vignale

Es war einmal Vignale und damit meinen wir nicht die Ausstattungslinie, sondern eine „Carrozzeria“ von Weltruf. Es folgt ein trauriger Rückblick.

radical mag
Zuletzt aktualisiert am 29.03.2021

Alfredo Vignale, geboren 1913 in Turin, arbeitete vor dem 2. Weltkrieg bei Stabilimenti Farina – nicht zu verwechseln mit Pininfarina – als Karosseriebauer. Nach dem Krieg konnte er mit Hilfe von Piero Dusio, dem Gründer von Cisitalia, sein eigenes Unternehmen aufbauen, Carrozzeria Vignale & C. – und er hatte schnell Erfolg. Als erstes eigenes Modell wurde bereits 1948 ein «Topolino» von Fiat neu eingekleidet. Weiter ging es mit Cisitalia, dann ab 1950 auch mit Ferrari. Die von Vignale eingekleideten Rennwagen aus Maranello gewannen 1951 die Carrera Panamericana, von 1951 bis 1953 auch die Mille Miglia. Gezeichnet hatte diese großartigen Fahrzeuge aber nicht der Chef, sondern sein Mitarbeiter Giovanni Michelotti, der in der Folge zu einem der bekanntesten Auto-Designer überhaupt aufsteigen sollte. Bis Ende der 50er Jahre mehrte sich der Ruhm von Vignale fleißig weiter, vor allem dank mehrerer Maserati, die das Unternehmen einkleiden durfte. Für Lancia zeichnete Vignale nicht bloß die Karosserien des Appia und des Flavia Cabriolet, sondern baute gleich die ganzen Fahrzeuge in Kleinserien.

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© Bild: Ferrari Shooting Brake

Auto aus dem Versandhaus

Doch dann, Anfang der 60er Jahre, wurden die Begehrlichkeiten zu groß. Vignale wollte selber Autos bauen, konstruierte die «Eveline» und die «Samantha» auf Basis des Fiat 124 bzw. 125 – und den wunderbaren Gamine, ein Fiat 500 als Roadster, der in Deutschland über das Versandhaus Otto bestellt werden konnte. Außergewöhnlich sicher auch die Zusammenarbeit mit dem japanischen Hersteller Daihatsu, die den Compagno bei Vignale maßschneidern ließ. Und noch außergewöhnlicher sicher die Kooperation mit dem tschechischen Hersteller Tatra, für den Vignale das Modell 613 zeichnete – das ohne große Veränderungen bis 1998 gebaut wurde.

Verkauf und Abgang von Vignale

Doch das Geld zerrann Alfredo Vignale zwischen den Fingern. 1969 musste er an die Carrozzeria Ghia verkaufen, die dem argentinischen Hasardeur Alejandro de Tomaso gehörte – und wenige Tage später, am 16. November 1969, verstarb Alfredo Vignale bei einem Auto-Unfall, dessen Umstände nie restlos aufgeklärt werden konnten (oder: sollten?).

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© Bild: 1963 Ford Cougar II

Wunderbares Ford Cougar II Concept

Heute ist Vignale noch eine Ausstattungslinie – und auch das hat seine Geschichte. Denn die Carrozzeria Ghia SpA, die wie erwähnt 1969 Vignale aufgekauft hatte, wurde in den 70er Jahren von Ford übernommen. Das ist auch der Grund, weshalb bislang die am besten ausgestatteten Ford-Modelle den Zusatz «Ghia» in ihrem Namen tragen durften. Dass es in Zukunft aber «Vignale» sein wird, hat auch seine – guten – Gründe, denn Vignale hatte schon in den 60er Jahren, also zu seinen besten Zeiten, einmal für Ford gearbeitet – und 1963 den wunderbaren Cougar II geschaffen. Dieses Concept-Car war als direkter Konkurrent zur Corvette gedacht, schaffte es aber leider nie in die Produktion, aus einem zumindest für Ford sehr erfreulichen Grund: Der im Frühjahr 1964 vorgestellte Mustang war auf Anhieb derart erfolgreich, dass die Amerikaner keine Kapazitäten mehr hatten für einen weiteren Sportwagen. In den 80er Jahren trugen zudem weitere Ford-Studien die Bezeichnung Vignale, zu mehr reichte es aber nie. Erst jetzt, fast 70 Jahre nach der Gründung, wird der Name wohl wieder vermehrt auftauchen. Wie beispielsweise beim neuen Ford Mondeo Vignale.

Besten Dank für diesen Beitrag an die Kollegen von radical-classics.com