Bizzarrini GT Strada 5300 – Wahre Liebe

Gebaut wurden die Bizzarrini GT 5300 bis 1968, dann ging den Italiener das Geld aus. Heute sind diese Fahrzeuge selbstverständlich extrem gesucht – und entsprechend teuer.

Zuletzt aktualisiert am 05.02.2015

Auch bei Ferrari war nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen. Der große, große «Commendatore» war ein Patriarch, und wenn er etwas hasste, dann war es Widerspruch. 1961 gab es aber wiederholt Ärger im Betrieb. Der verdiente Verkaufsdirektor, Girolamo Gardini, legte sich immer wieder mit Enzo Ferrari an, weil er sich darüber ärgerte, dass die Frau von Enzo, Laura, zu viel Einfluss hatte im Unternehmen. Im November 1961 stellte Gardini seinem Chef ein Ultimatum: Sollte das Kompetenzgerangel nicht aufhören, würde er das Unternehmen verlassen. Enzo Ferrari soll keine Sekunde gezögert haben – und nicht nur Gardini musste gehen, sondern auch der Chef der Scuderia Ferrari, Romolo Tavoni, Chefingenieur Carlo Chiti, und auch der Chef der Sportwagen-Entwicklungsabteilung, Giotto Bizzarrini.

Der Bizzarrini GT Strada 5300

Mauro Forghieri: Glück für Ferrari

Es war kein guter Zeitpunkt für einen solchen Einschnitt. Tavoni, Chiti und Bizzarrini hatten am 250 GTO gearbeitet, und der Wagen, der zur Legende werden sollte, war noch nicht fertig. Zum Glück für Ferrari stand da ein junger, höchst talentierter Mann Gewehr bei Fuß, der nur darauf gewartet hatte, seine Chance packen zu können: Mauro Forghieri. Was aus dem 250 GTO geworden ist, ist dem Kenner und der Liebhaberin bekannt; wir werden an anderer Stelle darauf zurückkommen.

Graf Giovanni Volpi

Für die Automobilgeschichte sollte sich die «Palastrevolution» insofern als Glücksfall erweisen, weil mit Chiti und Bizzarrini zwei schillernde Persönlichkeiten ihre eigenen Wege gehen konnten. Zusammen mit anderen bekannten italienischen Persönlichkeiten gründeten sie im Februar 1962 Automobili Turismo e Sport (ATS), finanziert vom sagenumwobenen Graf Giovanni Volpi, dem auch die geheimnisvolle Scuderia Serenissima gehörte. Doch Chiti machte nicht lange mit. Er gründete 1963 Autodelta, das er in der Folge zur Rennabteilung von Alfa Romeo aufbauen konnte.

Der Bizzarrini GT Strada 5300 innen

Der Ferrari 250 GTO

Giotto Bizzarrini, geboren am 6. Juni 1924 in Livorno, blieb noch weniger lang bei ATS – er hatte neben Chiti zu wenig Platz für seine eigenen Ideen. Bizzarrini gründete noch 1962 sein eigenes Design- und Konstruktionsbüro mit dem Namen Autostar, das 1964 in Prototipi Bizzarrini und 1965 dann in Automobili Bizzarrini umbenannt wurde. Seine erste Arbeit war der famose Ferrari 250 GTO «Breadvan», den er für die Scuderia Serenissima entwickelte. Dann konstruierte er für Ferruccio Lamborghini den Zwölfzylinder-Motor, der ab 1964 den 350 GT befeuerte.

Der Iso Rivolta IR300

Die besten  Aufträge erhielt Bizzarrini aber von Renzo Rivolta, der sein Geld unter anderem mit Kühlschränken und dem Lizenzbau der BMW Isetta verdient hatte. Schon 1962 entstand in Turin der Iso Rivolta IR300, konstruiert von Bizzarrini, karossiert von Giorgetto Giugiaro, angetrieben von einem 5,4-Liter-V8 von Chevrolet. Und im gleichen Jahr begann Bizzarrini auch die Arbeit an einem Fahrzeug, dessen Bezeichnungen ziemlich verwirrend sind, der sein Leben aber als Iso A3/L (L für Lusso, Luxus) begann. Dieser Wagen basierte nicht auf einem verkürzten Chassis des Iso Rivolta 300, wie häufig zu lesen ist, sondern hatte einen Rohrrahmen mit Kastenträgern, also ein Semi-Monocoque. Er wurde wieder von Giugiaro gezeichnet (die Literatur weist gerne auf eine gewisse optische Verwandtschaft mit dem «Rondine I» hin, den Tom Tjaarda 1963 für Pininfarina gezeichnet hat, aber das geht zeitlich irgendwie nicht auf), und bei Piero Drogo in Modena gebaut.

Der Bizzarrini GT Strada 5300 innen

Erstes Fahrzeug mit Front-Mitte-Motor

Auch beim A3/L diente wieder der «small block» mit 5,4 Liter Hubraum aus der Corvette als Antrieb. Die Triebwerke wurden in den USA gekauft, komplett demontiert und Italien mit viel Liebe wieder zusammengebaut, mit geänderten Ein- und Auslassventilen sowie einer modifizierten Kurbelwelle. Sie gelten als die besten «small block» jener Jahre. Beim A3/L konnte sie Bizzarrini weit nach hinten versetzen, was er schon beim 250 GTO versucht hatte. Deshalb darf der Wagen als erstes Fahrzeug mit Front-Mitte-Motor gelten, die Gewichtsverteilung (52:48) und folglich die Straßenlage war für damalige Verhältnisse ausgezeichnet. Auch viele andere Komponenten wurden dazugekauft: die Lenkung bei Burman, die Scheibenbremsen bei Dunlop, die Getriebe bei Borg-Warner (4 Gänge oder 3-Gang-Automatik) oder ZF (5 Gänge). Die Konstruktion war nicht in allen Details durchdacht. An den Zündverteiler, zum Beispiel, kam man nur über eine Klappe im Armaturenbrett. Je ein Tank befand sich in den Seitenschwellern unter der Tür, ein dritter hinter den Sitzen. Insgesamt passten 140 Liter Treibstoff in dieses Tanks.

Der Bizzarrini GT Strada 5300 der Motor

Premiere auf dem Turiner Salon 1963

Erstmals gezeigt wurde dieser Wagen auf dem Turiner Salon von 1963, und zwar auf dem Stand von Bertone, unlackiert. Und dazu gab es gleich noch eine weitere Variante, die Bizzarrini ausstellte, genannt Iso A3/C Competizione Coupé (andere Quellen sprechen einfach von: Corsa), und die stand bei Iso Rivolta. Der A3/C basierte komplett auf dem A3/L, hatte aber eine eigenständige Karosserie. Vor allem der Vorderwagen sah ganz anders aus: keine Doppel-Scheinwerfer, kein steil stehender Grill, sondern alles fließender, sportlicher, aerodynamischer. Anscheinend hatte Bizzarrini das Design selber geschaffen, mit Hilfe seines Mitarbeiters Piero Vanni.

1964: 24 Stunden von Le Mans

1964 setzte Bizzarrini diesen A3/C bei den 24 Stunden von Le Mans ein. Das Fahrzeug mit dem Belgier Pierre Noblet sowie dem Schweizer Edgar Berney am Steuer schaffte den Sieg in der GT-Klasse sowie einen 14. Gesamtrang, obwohl er wegen Bremsproblemen fast zwei Stunden an der Box stand. 1965 schafften Fraissinet/de Mortemart gar den 9. Gesamtrang und wieder den Sieg in der GT-Klasse.

Der Bizzarrini GT Strada 5300 innen

Differenzen

Doch Renzo Rivolta hatte kein Interesse am Rennsport. Überhaupt war ihm Giotto Bizzarrini ein wenig zu selbständig, etwa deshalb, weil er einige A3/C mit seinem eigenem Markenemblem versehen und sich zudem die Bezeichnung «Grifo» unter den Nagel gerissen hatte. So gingen die beiden Herren dann getrennter Wege. Der «Grifo» kam zurück zu Iso, und Bizzarrini erhielt dafür eine größere Menge an Fahrwerks- und Motorteilen, die ausreichen sollten, um etwa 50 Fahrzeuge zu bauen.

Die Motorleistung

1965 begann die Produktion des A3/L, der jetzt den Namen Iso Grifo tragen durfte. Vor der Trennung hatte Bizzarrini aber schon zwischen 20 und 30 A3/C für Iso gebaut. Wahrscheinlich sind es 22, aber sicher ist das nicht. Eines dieser Fahrzeuge verfügte aber mit Garantie über eine Kunststoffkarosserie. Und was danach geschah, ab dem Sommer 1965, als Bizzarrini die Fahrzeuge als GT Strada 5300 und GT Corsa 5300 unter eigener Regie baute, das ist noch viel undurchsichtiger. Und warum 5300, wenn es sich doch um einen 5,4-Liter-V8 handelt? Der Motor hat eben exakt 5350 ccm Hubraum, und da runden die einen auf, und die Italiener halt ab. Die Strada, nur 1,11 Meter hoch, waren entweder mit Carter- oder später Holley-Vierfach-Vergaser etwa 365 PS stark. Die Corsa, gar nur 1,06 Meter hoch, kamen mit den Vierfach-Webern auf mindestens 400 PS. Schon die «normalen» Strada sollen bis zu 290 km/h schnell gewesen sein.

Der Bizzarrini GT Strada 5300, der Seitenspiegel

Unregelmäßigkeiten bei den Stückzahlen

Das mit den Zahlen ist so eine Geschichte. Bizzarrini, der in Livorno lebt, sagt gerne, er habe sich nie um die Buchhaltung gekümmert, ihn habe immer nur die Konstruktion interessiert. Wenn man nach den Chassisnummern gehen könnte, dann wären es gegen 150 Strada und Corsa (sowie sicher auch noch drei Spyder) gewesen, die in Livorno entstanden. Aber da gibt es einige Unregelmäßigkeiten. Einige Quellen sprechen von gerade einmal 78 Fahrzeugen, die gebaut wurden. Die Wahrheit liegt, wie so oft, wohl irgendwo in der Mitte, bei 100 bis 110 Autos. Echte Corsa, die etwa 40 Kilo leichter sind, gab es wohl maximal 10. Um die ganze Geschichte noch weiter zu komplizieren, entstanden ab September 1965 die meisten Modelle mit Alu-Karosse (gebaut von BBM) sowie einige weitere aus Kunststoff (hergestellt beim Bootsbauer Catarsi).

Wohl dem, der‘s hat

Gebaut wurden die Bizzarrini GT 5300 bis 1968, dann ging den Italiener das Geld aus. Heute sind diese Fahrzeuge selbstverständlich extrem gesucht – und entsprechend teuer. Für das grüne Alu-Exemplar mit der Chassisnummer 1A 30314 mit Jahrgang 1967, das sich einst in Schweizer Besitz befand und am 21. Mai auf der RM-Auktion im Umfeld des Concorso d’Eleganza in Villa d’Este unter den Hammer kam, erwarteten die Versteigerer einen Zuschlagpreis von 380.000 bis 480.000 Euro. Wohl dem, der‘s hat.

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