Autorevue Magazin-Archiv: Ausgabe 05/1974

Ausgabe der Autorevue vom Mai 1974 mit Cover, Editorial & Impressum

Veröffentlicht am 08.04.2013

Abschied vom freien Fahren

Daß Motorjournalisten, die Zugang zu den schnellsten Serienautos unserer Zeit haben, gerne schnell fahren, liegt auf der Hand.

Was die Redaktion einer Motorzeitschrift von einem Verkehrsminister hält, der keinen Führerschein hat, aber betont, welch großen Erfahrungsschatz er durch das Danebensitzen bei seiner Frau erworben hat, liegt ebenso auf der Hand.

Es geht aber ganz gewiß nicht darum, was uns persönlich Spaß macht, und auch nicht um die Person des Verkehrsministers. Viel eher geht es schon darum, in welcher Weise sich die größte unabhängige Motorzeitschrift als Interessensvertreter der Kraftfahrer zu benehmen hat, wenn ein Kommentar zu den nunmehr (wenn auch nicht de iure) zementierten Geschwindigkeitslimits von Tempo 100 auf Freilandstraßen und Tempo 130 auf Autobahnen ansteht. Wir, und damit sind nun einmal alle gemeint, die ein Auto gern schnell bewegen, gehören fürs erste zu den Verlierern, denn wir sind im Kamp um unser persönliches Anliegen unterlegen. Diese Einschränkung dessen, was wir als Bestandteil der persönlichen Freiheit ansehen, können wir vernünftigerweise nur zur Kenntnis nehmen: Als Abschied von einer Ära des motorisierten Lebens, die mit einiger Sicherheit für immer vorbei ist.

Auf Seite 6 dieser AUTOREVUE finden Sie Auszüge aus dem Zahlenmaterial des KfV. Wir stehen dem Kuratorium mit einiger Skepsis gegenüber, wir haben auch versucht, diese Skepsis auf die vorliegende Untersuchung zu übertragen. Es gibt aber keinen begründeten Verdacht für ungewollte Manipulation oder ungewollte technische Mängel der Durchführung – die gesunkenen Unfallzahlen sind daher eindrucksvoll und bilden das bisher weitaus stärkste Argument der Limit-Anhänger.

Man kann nur betonen, daß die Autofahrer in den Monaten Dezember, Jänner und Februar unter einem gewissen psychologischen Schock standen, der sich erst langsam löst – und dieser Schock war natürlich als unbekannte Größe auf die Unfallzahlen nicht projizierbar. Das langsame Weichen dieses Schocks lässt sich ja bereits aus dem KfV-Zahlenmaterial ablesen: Gegen Ende des Beobachtungszeitraumes stiegen die Unfälle wieder stark an.

Was die Meinungsumfragen betrifft, so konnten uns die jüngsten Ergebnisse nicht mehr überraschen, sie gaben verstärkt jenen Trend wieder, den die AUTOREVUE schon vor Monaten in einer eigenen Umfrage (durch Marketing Service, Wien) erkannt hatte.

Daß die Mehrzahl der Österreicher für reglementiertes Fahren ist, macht es nicht gerade leichter, gegen Lanc & Genossen in Opposition zu verharren, allerdings sind dabei drei Punkte zu bedenken. Erstens: Von Staberl bis ORF haben alle Medien kritiklos nachgebetet, was ihnen an einseitig und dilletantisch interpretierten Daten und Zahlen vorgesetzt worden ist, das Volk wurde richtiggehend vergattert (denken Sie an das Wort „rasen“, das nun generell jedes schnellere Fahren zu einer asozialen Handlung stempelt; ist ein Mensch, der in einem großen, guten, sicheren Auto gemütlich und entspannt Tempo 170 fährt, ein „Raser“?)

Zweitens: In manchen Umfragen werden die Österreicher noch wesentlich Limit-freundlicher dargestellt, als sie es tatsächlich sind. Beispielsweise in der IFES-Untersuchung: Es wird die Frage gestellt „Welche Geschwindigkeitsbeschränkung sollte es auf Autobahnen geben?“ Die Wahlmöglichkeiten unter den Antworten waren „keine“ (8%), „100 km/h“ (14%), „120 km/h“ (48%), „140 km/h“ (20%) und „allgemein dagegen“ (10%). Was ist nun, bitte, der Unterschied zwischen „keine“ und „allgemein dagegen“? Immerhin, auf diese Weise wird die Zahl der Limit-Gegner zersplittert und optisch kleiner. Außerdem hat man die Frage nicht nur Autofahrern, sondern einem Querschnitt „aller Österreicher“ vorgelegt, was zumindest dann nicht gerechtfertigt ist, wenn es um Autobahnen geht: Dort hat selbst der Gesetzgeber das Spazierengehen verboten.

Ohne Kommentar bringen wir auf Seite 8 einen Report über die tatsächlichen Geschwindigkeiten, mit denen auf Österreichs Autobahnen während der Zeit von Limit 120 gefahren wurde. Im Lauf dieser Untersuchungen kamen wir auch mit der Arbeit der Gendarmerie in Berührung, wobei uns positiv auffiel, daß bei den Messungen der Exekutive 10 km/h Toleranz eingehalten werden, daß weiters die Radarfallen ohne den Versuch großer Tarnung aufgestellt werden. Erklärung dieses freundlichen Verhaltens der Beamten: Man wolle vor allem durch die Präsenz der Kontrollen erzieherisch wirken. Dies unterscheidet sich recht wohltuend von einer früher angekündigten „Aktion Scharf“ und linder den Schmerz der reglementierten Autofahrer. Allerdings hat nicht nur die AUTOREVUE herausgefunden, daß sich ein großer Teil der Autofahrer an das Limit nicht hält, die Kunde drang sogar bis zum Verkehrsminister, der für die nächste Zeit eine Besprechung mit den Vertretern der Exekutive ankündigte. Und was bei dieser Besprechung herauskommen wird, wird uns sicher nicht zum Jubeln bringen – dies nur als persönlicher Rat für jene, die aus unserem Artikel den Schluß ziehen könnten, es sei absolut ungefährlich, das Limit zu überschreiten.

Auf jeden Fall zeigen diese Autobahn-Messungen, was ein Großteil der Autofahrer wirklich von diesem Limit hält – und zwar in der Praxis, nicht vor dem Mikrophon eines Meinungsforschers.

Das Tempolimit ist also nun ein Langzeitversuch, den wir nicht verhindern können, in den wir uns zu fügen haben. Unser Vertrauen in das Versprechen, die Situation nach Ablauf eines Jahres ernsthaft zu überdenken, ist gering. Aber man wird ja noch hoffen dürfen – zumindest für die Autobahnen.

 

Ihr

Herbert Völker

 

 

 

INHALTSVERZEICHNIS

 

Test

Franz Stehno, Bernd Schilling: Triumph Sprint (Seite 16)

Franz Stehno, Bernd Schilling: Alfasud ti (Seite 22)

Axel Höfer, Bernd Schilling: Renault 16 TX (Seite 24)

Information

Dkfm. Helmut Hanusch: Unfallzahlen vor und nach Einführung des Tempolimits (Seite 6)

AUTOREVUE-Messungen von Franz Stehno: Die tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeiten auf Österreichs Autobahnen (Seite 8)

Neue Modelle, Wirtschaft, Zubehör, Praxis, Verkehr, Technik, Motorrad (Seite 10)

Sport

Helmut Zwickl, Ferdi Kräling, DPPI: Formel-1-Grand-Prix Südafrika (Seite 34)

Helmut Zwickl, Camera Press: Peter Revson (Seite 36)

Axel Höfer, Jutta Fausel, DPPI, Erich Kaszay: Formel-2-Report (Seite 46)

Herbert Völker, Hugh Bishop, Herbert Völker (Seite 42)

Carl Imber: AUTOREVUE-Mittelfoto Race of Champions, Brands Hatch (Seite 40)

Nikki Lauda erzählt (Seite 32)

Internationaler Motorsport (Seite 26)

Nationaler Motorsport (Seite 51)

Leserdienst

Gebrauchtwagenbörse (Seite 62)

Motorradpreise (Seite 63)

Neuwagenpreise (Seite 64)

Autosteuer, Versicherung, Zulassungsstatistik (Seite 65)

Sonderdienst

Komplette Marktübersicht: Alle Segelboote, alle Motorboote in Österreich (Seite 66)