Autorevue Magazin-Archiv: Ausgabe 07/1976

Ausgabe der Autorevue vom Juli 1976 mit Cover, Editorial & Impressum

Veröffentlicht am 08.04.2013

Die große Show mit dutzend Toten

 

Der Pfingstverkehr bescherte uns den bisherigen Höhepunkt an Auswüchsen einer scheinheiligen Hysterie. Wenn Unfallvorbeugung sich nur noch am Show-Effekt orientiert und an Vordergründigkeiten hochzieht, verspielt sie Langzeitwirkung gleichermaßen wie moralischen Anspruch.

Mit der Zeit haben sich ORF und Tagespresse in ihrer Terminologie dem simplifizierten Obrigkeitsurteil angepasst, das in seinem Kern besagt, daß flüssiges Autofahren als „Raserei“ zu benennen und als Hauptursache der fürchterlichen Unfallbilanz hervorzukehren ist. Welch devotes Applaudieren, wenn in Wien auf der Heiligenstädte Lände oder auf dem Grünen Berg Radargeräte in Anschlag gebracht werden. Sieht denn keiner die Ironie, wenn die Polizisten werktags um neun Uhr früh ihre Apparate am Meidlinger Grünen Berg in Schussrichtung stadtauswärts aufbauen? Die stadteinwärts Fahrenden haben jede Menge Zeit, den Beamten zuzuschauen, denn sie wuzeln sich zwischen Tempo Null bis Tempo 5 bergab, in drei Spuren, Stoßstange an Stoßstange. Der Emotionsstau eines frustrierten Fahrers führt doch viel eher zur unfallauslösenden Fehlreaktion als das flüssige Bewältigen einer gut ausgebauten – tageszeitmäßig bedingt verkehrsarmen – Strecke. Tempo 70 oder 80 am Grünen Berg, bergauf, bei freier Strecke, entspricht doch einem normalen, sinnvollen Verkehrsverhalten, das weiß sowohl die Radarmannschaft wie ihre übergeordnete Dienststelle. Für die Aktion spricht nur eines: Sie ist ein sicherer Tip und bring ein Vermögen ein.

Wie unfassbar oberflächlich die obrigkeitsrechtliche Marschrichtung bestimmt wird, geht wohl aus der schillernden Erklärung des Wiener Bürgermeisters hervor, er sei für die Abschaffung der Grünen Welle als Maßnahme gegen die „Autoraser“. Da ist nicht mehr viel zu sagen, vor soviel Genialität breitet sich schweigende Ergriffenheit aus. Als nächsten Vorschlag hätten wir Fallgruben auf den Autobahnen anzubieten, da wern’s schön schauen, die Autoraser!

Was in diesen Monaten geschieht, ist das Gleichsetzen von flüssigem Autofahren mit Fehlhandlungen der unterschiedlichsten Motivation, nur geben halt die flüssigfahrenden Lenker die Massenkundschaft der Radarfallen ab, während der Im Zillertal aus der Kolonne ausbrechende un daran sterbende Autofahrer (Pfingstsonntag) unverdächtig war: Seine Neigung zu emotionell begründeten Fehlhandlungen konnte auf keinem Radarschirm transparent werden.

Es ist scheinheilig, wenn die Massenmedien über „16.800 Anzeigen“ zu Pfingsten jubeln, es ist scheinheilig, wenn ein Radarwagen auf einer Stadtautobahn-ähnlichen Straße publizistischen Applaus bekommt (wer fährt denn dort wirklich Tempo 50? Doch weder die Journalisten noch die Polizisten, sobald sie in Zivil sind), und es schafft ein Zerrbild von der wahren Lage, wenn die „überhöhte Geschwindigkeit“ als Sammelbegriff verwendet wird – gleichermaßen für den betrunkenen Autofahrer auf kurvenreicher Straße im Regen wie für den aufmerksam vorausschauenden Reisenden, der ein hochwertiges Auto auf der Autobahn bewegt: Beide fahren Tempo 160.

Momentan ist die große Makaber-Show im Gange. Die Unfallstatistiken haben phantastische Publizität erhalten, als sie 31 Verkehrstote für Pfingsten voraussagten. Der furchtbare Verdacht liegt nahe, daß sich der eine oder andere über seinen persönlichen Misserfolg ärgerte: Es waren ja „nur“ siebzehn, der Mann hat also falsch geschätzt, er hat in seinem Job eine eher schwache Leistung vollbracht. Die Verkehrsshow heizt die Verdummung mit Schlagworten an und fördert die Oberflächlichkeit der (prinzipiell notwendigen) Maßnahmen. Um bei Modeworten zu bleiben: Denken ist nicht „in“.

Dafür gibt’s Radar. Das ist der Fortschritt der Technik.

 

Ihr

Herbert Völker

 

 

 

INHALTSVERZEICHNIS

 

Test

Herbert Völker, Dr. Fritz Indra, Bernd Schilling: Porsche 924 (Seite 20)

Fahrberichte

Herbert Völker, Bernd Schilling, Finck: 25.000-km-Zwischenbericht mit Dauertestwagen Saab 99 (Seite 26)

Neue Modelle

Herbert Völker: Rover 3500 (Seite 14)

Herbert Völker: Golf GTI (Seite 16)

Franz Stehno: Lancia Gamma (Seite 18)

Axel Höfer: Vauxhall Chevette (Stufenheck) (Seite 19)

Motorrad

Ing. Friedrich F. Ehn, Leinter, Bultaco (Seite 44)

Zweirad-News (Seite 46)

Ing. Freidrich F. Ehn: Prüfung: Honda XL 350

AUTOREUVE-Cartoon

Zeichnungen: Bugatti (Seite 2)

Information

Produkte (Seite 4)

Neue Modelle, Technik, Wirtschaft (Seite 6)

Claus C. Prett: Die großen Erdöl-Gesellschaften und ihre Preisgestaltung (Seite 9)

Sport

Herbert Völker, Finck: Akropolis-Rallye (Seite 30)

Herbert Völker: AUTOREVUE.Mittelbild Hannu Mikkola, Toyota Corolla (Seite 36/37)

H.P. Waldeck, H. P. Kumpa: Speedway – Ein Sport, der doch nicht tot ist (Seite 38)

Helmut Zwickl, Rottensteiner, DPPI: Großer Preis von Monaco (Seite 50)

Niki Lauda erzählt (Seite 58)

Heinz Prüller, Rottensteiner, DPPI: Großer Preis von Schweden (Seite 54)

Internationaler Motorsport (Seite 59)

Vollgasrevue – Nationaler Motorsport (Seite 62)

AUTOREVUE-Kalender (Seite 63)

Leserdienst

Neue Bücher (Seite 3)

Leserbriefe (Seite 3)

Gebrauchtwagenbörse (Seite 70)

Motorradpreise (Seite 71)

Neuwagenpreise (Seite 72)

Autosteuer, Versicherung, Zulassungsstatistik (Seite III. U.)