Autorevue Magazin-Archiv: Ausgabe 02/1978

Ausgabe der Autorevue vom Februar 1978 mit Cover, Editorial & Impressum

Veröffentlicht am 08.04.2013

Sterns Stunde

Als Mercedes-Rennleiter Alfred Neubauer am Abend des Targa-Florio-Siegs 1955 in sein sizilianisches Quartier zurückkam, fand er einen Brief des Daimler-Benz-Chefingenieurs Nallinger vor: „Der Vorstand hat sich nach reiflicher Überlegung entschlossen … sich endgültig für einige Jahre vom Rennsport … fernzuhalten…“ In den darauffolgenden zwanzig Jahren hat sich die Daimler-Benz-Philosophie immer weiter von der einer möglichen Einbeziehung des Motorsports wegentwickelt, und einige übliche Standpunkte wurden zementiert;

  • Motorsport erfüllt keine Erprobungsfunktion mehr (man kann auf Versuchsstrecken und auf Prüfständen besser und schlüssiger testen)
  • Die Kosten des Motorsports stehen in keinem Einklang zu den Image-Gewinnen
  • Sport-Image ist ohnedies nicht gefragt
  • Undsoweiter, undsoweiter

Und jetzt, plötzlich, 23 Jahre nach jenem letzten Rennen, – die Safari. Diese Zeilen müssen im ungünstigsten Moment geschrieben werden, wenige Tage vor der endgültigen Entscheidung und der offiziellen Mitteilung. Theoretisch ist sogar ein Nein möglich, und das Ja könnte verschiedene Schattierungen haben (halbherzige „Privatfahrer“- Ettiketierung oder volles offizielles Einstehen zu einem echten Werkseinsatz), aber selbst in diesem Moment steht fest, daß drei Nennungen abgegeben wurden, daß der Vorstand bereits positiv entschieden hat, daß Projektleiter Waxenberger mit einem voll präparierten 280 E ab 25.Jänner durch die Savanne bläst, und daß die Safari tatsächlich beschickt wird, sofern bei Waxenbergers letztem Test „nicht alle vier Stoßdämpfer oben rauskommen“ (so ein Daimler-Benz-Mann). Es gibt auch schon zwei oder drei Piloten (Joginder Singh, Andrew Cowan), und ein Mann der Stuttgarter Presseabteilung trifft bereits in Nairobi die Vorbereitungen für den Ernstfall. Drei Halleluja ins Schwabenland, wir sind begeistert! Gibt´s was Schöneres für den Motorsport? (Abgesehen von der Ihnen sicherlich bekannten Meldung, daß Rolls Royce einen Silver Shadow für den Leru-Ring präpariert).

Abgesehen von Euphorie und der simplen Freude über Mal-was-Neues-und-Schönes bleiben zwei Hauptfragen:

Wie ist der Umschwung in der Daimler-Benz-Philosophie zustandegekommen? Und: Welches Abschneiden kann man sich konkret erhoffen?

Zur Frage des Umschwungs: Der Impuls ging von den Technikern aus, nicht von den Marketing- oder PR-Leuten. Es ist eigentlich ein tröstliches Gefühl, daß Mercedes-Techniker, die man sich doch ziemlich heiligmäßig vorstellt, plötzlich das Gefühl haben, daß ihnen eine Standortbestimmung im Motorsport guttäte. Sozusagen nachsehen, ob man mit dem dicken Ding nicht richtig angasen kann. Und die PR-Leute haben Gott sei Dank Dynamik genug, sich auf diesen Wunsch einzustellen und es auf ihre Kappe zu nehmen, das Ding richtig zu verkaufen. (Die Entscheidung, ob man sich ganz offiziell und ohne Einschränkungen hinter das Projekt stellt, liegt in diesen Stunden ganz, ganz oben – bei Zahn himself).

Was kann Mercedes tatsächlich erreichen?

Nun, der Probegalopp in Form der London-Sydney-Rallye hat ja mit einem Sieg geendet. Allerdings waren die Länge der Strecke und die Tücken des Terrains die einzigen Gegner. Der Rest des Starterfelds waren Amateure mit zumeinst amateurhaft präparierten Fahrzeugen. In Afrika wartet Porsche, das seit sieben Jahren einem Sieg in Afrika nachläuft, es warten die Afrika-Spezialisten Peugeot und Datsun, gesamthaft ein Dutzend optimal präparierter Autos, jedes einzelne eine Million wert – und ein paar weitere Mille an Know-How.

Wenn es Regen und Schlamm gibt, sind die schweren 280 E (rallyefertig rund 1500 kg) von vornherein schwer gehandikapt. Wegen des frühen Termins ist aber anzunehmen, daß man diesmal der Regenzeit völlig ausweichen wird, daß also die Straßen trocken sein werden – und sehr, sehr schlecht. Was Reifen, Stoßdämpfer und manche Aufhängungsteile betrifft, stehen alle beteiligten Firmen an der Grenze der heutigen technischen Möglichkeiten. Ein höheres Gewicht läßt sich nicht durch noch-bessere Reifen oder Stoßdämpfer neutralisieren, denn die noch-besseren Produkte gibt es einfach nicht. Das Gewichtshandikap ist somit zu einem Teil nicht aufholbar, und es wird mit Sicherheit einige Etappen geben, wo Mercedes-Fahrer ihren Autos ein Porschetempo einfach nicht zumuten dürfen, weil die 300-Kilo-Differenz den Unterschied zwischen Durchkommen und Brechen ausmachen würde. Dementsprechend wäre Mercedes nach der Papierform eher für einen schönen Ehrenplatz als für einen Sieg gut. Aber was zählt schon die Papierform in Afrika?

 

Ihr Herbert Völker

 

 

INHALTSVERZEICHNIS

 

TEST

Eckhard Eybl, Bernd Schilling: Ford Granada 2,8i Ghia S (Seite 16)

Völker, Staretz, Bernd Schilling: Datsun 260 Z Erster Zwischenbericht vom 50.000-km-Test (Seite 18)

Fritz Indra, David Staretz, Bernd Schilling: Alfa Romeo Giulietta (Seite 22)

INFORMATION

10 Seiten Revue im Februar (Seite 2)

Georg Auer: Bonus-Malus System: Hat es sich bewährt? (Seite8)

MOTORRAD

Zweirad-News (Seite 46)

Eckhard Eybl, Fritz Ehn, Bernd Schilling: 10.000-km-Test Honda 1000 Gold-Wing (Seite 48)

SPORT

Herbert Völker, Heinz-Dieter Finck: Stockcar-Rennen in St.Louis (Seite 28)

Ferdi Kräling: AUTOREVUE-Mittelbild: Niki Lauda, Brabham-Alfa BT45 (Seite 32/33)

Niki Lauda erzählt (Seite 34)

Heinz Prüller, Kräling, DPPI: Großer Preis von Argentinien (Seite 36)

Paul Frére: Autorennsport – Gestern und Heute (Seite 42)

Internationaler Motorsport (Seite 50)

Nationaler Motorsport – Vollgasrevue (Seite 52)

LESERDIENST

Leserbriefe (Seite 2)

Gebrauchtwagenbörse (Seite 57)

Steuer, Zulassungen, Versicherung (Seite 58)

Neu- und Gebrauchtwagenpreise (Seite 59)

Motorradpreise (III.U.)